Paderborn

Kamelle und Corona: Welche Folgen hat die Pandemie für den Karneval?

Wissenschaftler der Universität Paderborn fragen nach den Auswirkungen der Pandemie auf die Session. Ihre Ergebnisse liefern ein nicht nur erfreuliches Stimmungsbild.

Anders als noch in der Session 2019/20, konnte die Parade durch die Paderborner Innenstadt in diesem Jahr nicht stattfinden. | © Niklas Tüns

18.08.2021 | 18.08.2021, 02:30

Paderborn. „Die fünfte Jahreszeit war lange nicht so ruhig wie in diesem Jahr", heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Paderborn. Wegen der Corona-Pandemie hätten die Jecken auf belebte Straßen, gesellige Sitzungen und gemeinsames Schunkeln verzichten müssen.

„Ausdrucksformen des immateriellen Kulturerbes wie der rheinische Karneval sind von der Pandemie besonders stark betroffen", wird Jonas Leineweber, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzzentrum für Kulturerbe der Uni Paderborn zitiert. Er nahm zusammen mit Kollegen den Themenkomplex Karneval und Pandemie in den Fokus. Eine Online-Umfrage liefert nun erste Ergebnisse.

Die Umfrage, an der 1.542 Personen teilnahmen, mache deutlich: Geselligkeit, Gemeinschaft, Frohsinn, Tradition, Gemeinsinn, regionale Identität und Kontinuität zeichneten für 90 Prozent der Befragten den rheinischen Karneval am stärksten aus. Dass sich die kulturelle Praxis des rheinischen Karnevals durch die Pandemie stark oder sehr stark verändert habe, dächten nahezu alle Befragten.

Im Vergleich zu anderen Veranstaltungen und Angeboten der Vereine bedauerten über 90 Prozent der Umfrageteilnehmer den Ausfall der Karnevalsumzüge und -sitzungen am meisten. Die Veranstaltungen hätten laut Umfrage für mehr als 90 Prozent insbesondere als Ort der Begegnung und des Wiedersehens mit Freunden und Bekannten sowie als Ort der Geselligkeit und Gemeinschaft gefehlt.

„Dennoch halten 93 Prozent der Befragten die Absage der Karnevalsfeste der Session 2020/21 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie für richtig", heißt es in der Pressemitteilung. Die von vielen Vorständen durch das Pandemiegeschehen befürchtete Entwöhnung und Abwendung vom Verein seien dagegen nicht messbar.

Bei der Bewertung der häufig virtuell durchgeführten Alternativprogramme geht laut den Experten die Meinung der Befragten allerdings stark auseinander: Während 27 Prozent die Schulnoten sehr gut und gut vergeben hätten, bewerteten ebenso viele Personen die Alternativaktionen als befriedigend und knapp ein Drittel sogar nur als ausreichend, mangelhaft oder ungenügend.

Auch im Hinblick auf die Veränderung der Vorstandsarbeit seien digitale Formate deutlich bedeutender geworden: Laut Umfrage haben 64 Prozent der befragten Vorstandsmitglieder während der Corona-Krise im Rahmen einer Vorstandstätigkeit an einer Videokonferenz teilgenommen, fast drei Viertel seien mit dieser Erfahrung zufrieden beziehungsweise sehr zufrieden gewesen.

Sollte die Krise auch im nächsten und übernächsten Jahr anhalten, so dass Umzüge, Sitzungen und Konzerte weiterhin ausfallen müssten oder nur stark eingeschränkt stattfinden könnten, habe das aus Sicht der Befragten erhebliche Folgen für die Praxis der Karnevalsvereine – aber auch für das Leben in den Städten und Dörfern. 74 Prozent würden dann mit einem Rückgang der Vereinsgemeinschaft rechnen, 68 Prozent gingen von einem Mitgliederschwund und 73 Prozent sogar von einer Existenzbedrohung der Karnevalsvereine aus.

Bei anhaltendem Pandemiegeschehen befürchteten darüber hinaus 88 Prozent, dass kulturelle Angebote in ihrem Wohnort abnehmen und auch soziale Aktionen weniger würden. Eine deutliche Mehrheit vermute außerdem, dass durch einen Ausfall der Karnevalsveranstaltungen im nächsten und übernächsten Jahr das Gemeinschaftsgefühl sowie der Zusammenhalt in ihren Wohnorten zurückgehen könnte, während die Unzufriedenheit steige und ein genereller Attraktivitätsverlust des Wohnorts einsetzen könnte.