Personal verzweifelt gesucht: Paderborner Gastronomen fehlen Mitarbeiter

Paderborn. Endlich wieder ein frisch gezapftes Bier in der Kneipe genießen oder im Restaurant bedienen lassen: Auf die Öffnung der Gastronomie haben sich die Gäste wohl fast genauso gefreut wie die Betreiber. Seit wenigen Wochen dürfen sie nun wieder Kundschaft empfangen, seit kurzem auch weitgehend ohne Einschränkungen wie die Testpflicht. Doch knapp sieben Monate Lockdown haben ihre Spuren hinterlassen. Die Wiedereröffnung stellt die Gastronomie neben all den Corona-Regeln vor die zusätzliche Herausforderung, geeignetes Personal zu finden. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) NRW verkündete kürzlich: "Viele Beschäftigte haben Corona-bedingt das Gastgewerbe verlassen." Die fehlende Planungssicherheit erschwere häufig eine Rückkehr, weil nicht klar sei, ob die Betriebe womöglich in wenigen Wochen wieder schließen müssen. Auch Uwe Seibel, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, bestätigt, dass ihm einige Mitgliedsunternehmen, vorwiegend aus dem Bereich Gastronomie, berichtet hätten, dass es aktuell sehr schwierig sei, Personal zu gewinnen. Tatsächlich finden sich aktuell zahlreiche Stellenangebote: Servicekräfte, Küchenhilfen, Köche, Barmitarbeiter - in Vollzeit, Teilzeit oder auf 450-Euro-Basis. Nach Zahlen der Agentur für Arbeit gibt es im Kreis Paderborn mit Stand Mai in der Gastronomie 33 offene Stellen. Zum Vergleich: Vor genau vor einem Jahr waren es nur 18 Stellen. Rund zwei Drittel betreffen unausgebildete Arbeitskräfte. "Ich kann mir gut vorstellen, dass die Gastronomie hier gerade bei ihrem Fachpersonal alles daran gesetzt hat, es über die Krise – zum Beispiel mit Hilfe von Kurzarbeit – zu halten, damit danach möglichst wenig personelle Lücken entstehen", erklärt Pressesprecherin Janine Billerbeck. In der Gastronomie waren kreisweit zuletzt 174 Betriebe und 751 Mitarbeiter in Kurzarbeit (Stand November 2020). Neue Mitarbeiter zu finden ist eine Herausforderung Ulla Plückebaum, Inhaberin des gleichnamigen Paderborner Cafés, berichtet, dass sie während des Lockdowns mehrere langjährige Mitarbeiter verloren hat, die die Branche gewechselt haben. Neue Mitarbeiter zu finden, sei eine Herausforderung gewesen. "Und die müssen natürlich erst eingearbeitet werden", sagt sie. Die Wiedereröffnung ist für Mittwoch, 23. Juni geplant - "einige der Neuen werden dann ins kalte Wasser geschubst, aber sie sind alle super motiviert". In der Gastronomie habe es schon immer eine hohe Fluktuation gegeben. Teilweise seien jetzt auch frühere Mitarbeiter wieder dabei, unter anderem "unsere erste Konditorin, die vor 26 Jahren bei uns ihre Ausbildung angefangen hat", sagt Plückebaum. David Lüdtke, der unter anderem mit "Steigers Turmschänke" auf Volksfesten und Kirmessen unterwegs ist, erzählt, dass von den zwölf Aushilfen für seinen Biergarten inzwischen sechs etwas anderes machen würden. "Mir graut es davor, wenn wir den Laden wieder zum Laufen bringen wollen, und uns fehlen die Leute", sagt er. Für Arbeitgeber sei Kurzarbeit ein gutes Mittel, "als Arbeitnehmer beißt man auch mal zwei, drei Monate in den sauren Apfel und kommt mit weniger Geld aus, aber nicht für einen so langen Zeitraum". Gewerkschaft: Personalmangel ist hausgemacht Dass Gastronomen derzeit händeringend Personal suchen, überrascht Thorsten Kleile kaum. Er ist Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für die Region Paderborn-Detmold und sagt: Viele der Probleme seien hausgemacht und durch die Pandemie nur verschärft worden. "Viele Überstunden, ein rauer Umgangston und die Bezahlung liegt oft im Bereich des Mindestlohns", das sei für viele nicht attraktiv. Schon in der Ausbildung gebe es eine Abbrecherquote von 50 Prozent. Vielen Aushilfskräften wurde gekündigt, weil Betreiber im Lockdown Kosten sparen mussten. Für die Festangestellten fiel das Kurzarbeitergeld oft besonders niedrig aus, weil etwa Trinkgeld - normalerweise ein wesentlicher Bestandteil des Nettogehalts - dafür nicht angerechnet wird. Die NGG hatte deshalb unter anderem ein Mindestkurzarbeitergeld gefordert. "Der Druck auf die Beschäftigten war groß", sagt Kleile. Einige seien beispielsweise in die Pflege gewechselt, andere in den Lebensmitteleinzelhandel, der zu der Zeit großen Bedarf hatte und verglichen mit der Gastronomie oft höhere Einstiegsgehälter zahlt. Wer engagiert sei, habe in der Zwischenzeit was anderes gefunden, glaubt Kleile und fürchtet, dass diejenigen "womöglich nicht mehr zurückkehren werden".

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