Paderborn Nach der Corona-Pause: Doppelter Neustart in Paderborner Galerie

Paderborn-Schloß Neuhaus. Das Leben, der Mensch, die Dinge: Alles ist im Fluss - und verläuft wie die Gegenständlichkeit in den Arbeiten von Karel Dierickx. Wie Momentaufnahmen des Konkreten, das sich von Augenblick zu Augenblick verändert und mehr und mehr zurückzieht, muten die Arbeiten des belgischen Meisters der Postmoderne an, die ab Mittwoch in Schloß Neuhaus zu sehen sind. Für die Städtische Galerie in der Reithalle ist es nach der Corona-Pause ein doppelter Neustart. Denn die Besucher erleben neben der Schau mit dem Titel "Illusionäre Anwesenheit" zugleich eine im unteren Bereich veränderte Ausstellungssituation. Der Kassen- und Infobereich befindet sich nach einem Umbau unter dem Treppenturm. Dadurch ist die untere Ebene offen und wirkt weiter. Die bisherige Struktur mit abgetrennten Kabinetten ist verschwunden und der Kunst wird insgesamt etwas mehr Raum gegeben. Wie auf der oberen Ebene ist jetzt auch unten ein Rundgang möglich. Zugleich wurden die Wände erneuert, die jetzt völlig ohne Fugen sind. Der 1940 geborene und 2014 gestorbene Karel Dierickx ist einer der bedeutendsten belgischen Gegenwartskünstler. Nach seiner Ausbildung an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten in Gent war er seit 1962 am nationalen und internationalen Kunstgeschehen beteiligt. So stellte er 1984 im belgischen Pavillon auf der 41. Biennale in Venedig aus. Ursprünglich hatte das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster bereits vor einem Jahr eine umfangreiche Dierickx-Ausstellung zeigen wollen. Aufgrund des ersten Lockdowns war die Schau jedoch kaum geöffnet. Noch extremer war es die bisher letzte Schau "Erweiterung der Möglichkeiten" in der Reithalle, die niemand sehen konnte. In der Reithalle sind Arbeiten aus Dierickx' Spätwerk der Zeit zwischen 1995 und 2010 zu sehen. Ein Film liefert einen kleinen Eindruck davon, wie der Künstler kreativ war. Im unteren Teil führt einen die Ausstellung dabei zunächst an Porträts heran. Köpfe, deren Augen irgendwo am Betrachter vorbei schauen. Schon diese Arbeiten präsentieren das gewaltige Ausdruckspotenzial des Belgiers und seiner existenziellen Kunst. Auch die ausgewählten Bronze-Plastiken zeugen vom Zerfließen des Konkreten in einen abstrakten Zustand. Erscheinen sie doch unvollendet und in einem Zwischenstadium belassen. Immer schimmert etwas hindurch Als "Maler des Lichts, das sich versteckt" wird Dierickx gleich auf einer Infotafel im Eingangsbereich charakterisiert. Als "der Maler des Weiß, das nur aufleuchtet, um zu verblassen oder zu versinken". Die Bilder fordern eine aktive Auseinandersetzung, ihr mal- wie zeichentechnischer Assoziationsreichtum sowie ihr Duktus des Zerfaserns lassen dabei Raum für Interpretation. Allerdings gibt es durch die Titel Hilfestellung zu einer möglichen Deutung. Und dennoch bleiben beispielsweise die Landschaften ungreifbar in ihrer Dynamik und Emotionalität. Doch egal, ob das von Dierickx famos verwendete Weiß die Bilder dominiert, ein sattes Mai-Grün oder dunkle Töne wie bei "Erinnerung an die Wälder": Die Bilder und Zeichnungen sind ein wenig wie der aktuelle Mai, ein Monat mit fast stündlichen Witterungswechseln, mit einem Himmel, der häufig mehrere Zustände in sich vereint und hinter dem schon immer etwas Neues hindurch schimmert. Im Sog der Bilder Alles ist im Prozess. Auch seine Stillleben von Blumen oder Pflaumen spiegeln den Prozess des Malens, der am Ende aber rätselhaft bleibt. So vielschichtig wird die Farbe auf unterschiedliche Art und Weise aufgetragen. Dierickx spielt auf andere Künstler an wie Hieronymus Bosch oder James Ensor, den er auch als Porträt aufs Blatt gebracht. Am eindrucksvollsten ist Dierickx in seinen großformatigen Bildern, in ihnen werden Raum, Zeit und Farbe eins. Werke wie "Die unsichtbare Zeit", "Die vergangenen Tage" oder "Mit nichts als Zeit" entfachen einen Sog, der einen in ihre Entstehung so hinein zieht wie auch in die Ausstellung selbst.

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