Aufnahmestopp in vielen Paderborner Hausarztpraxen

Paderborn. Um die hausärztliche Versorgung in Schloß Neuhaus ist es derzeit nicht gut bestellt, berichtete diese Zeitung kürzlich. Seit einer Praxisschließung können dort nicht mehr alle Bürgerinnen und Bürger wohnortnah behandelt werden. In den nächsten Jahren wird es im gesamten Stadtgebiet weniger Hausärztinnen und Hausärzte geben, hieß es kurz darauf im Hauptausschuss des Stadtrates. Droht Paderborn eine Unterversorgung - oder ist sie längst da? "Es ist schon fünf Minuten nach 12. Der Notstand kommt nicht erst 2025 oder 2030", meint Leserin Anette Bern (Name geändert), die als sozialpädagogische Familienbegleitung arbeitet und Schwierigkeiten mit Hausarztterminen immer wieder hautnah erlebt. "An der Elsener Straße beispielsweise wurde vor kurzem eine Praxis geschlossen, für die es keine Nachfolge gibt. Nun suchen die Patienten eine andere Hausärztin oder einen Hausarzt und hören am Telefon überall nur das Wort Aufnahmestopp, weil in Paderborn kaum noch Hausärzte neue Patienten annehmen." Dieses Problem, auf das man an der Pader bisher vor allem in Fachgebieten wie Augenheilkunde oder Gynäkologie traf, ereilt auch Zugezogene, die einen Hausarzt brauchen. Oder Patienten, die die Praxis wechseln möchten. Wer fündig wird, muss sich meist mit längeren Wegen arrangieren. Eine Herausforderung vor allem für diejenigen, die nicht mobil sind. Gemessen am Versorgungsgrad von 98,6 Prozent im "Mittelbereich Paderborn" (mit Altenbeken, Lippspringe, Borchen, Hövelhof, Lichtenau, Salzkotten) bezeichnet die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) die Versorgung auf NW-Nachfrage als stabil. Zwei Arztsitze für Niederlassungen seien derzeit frei. Rudolf Jopen, Hausarzt in der Nordstadt und 1. Vorsitzender des Praxisnetz Paderborn, betrachtet das etwas differenzierter. "Die Unterversorgung ist in Paderborn angekommen", lautet seine Einschätzung. Besonders betroffen sei neben Schloß Neuhaus die westliche Kernstadt. In Teilzeit werden weniger Patienten versorgt Rein rechnerisch stehe Paderborn gar nicht so schlecht da, was das Verhältnis Einwohner/Ärzte angeht. Aber im Vergleich zu früher erlebe auch er mehr Patienten, die erfolglos auf der Suche nach einem neuen Hausarzt sind. Ursachen gäbe es viele. So habe beispielsweise das Modell eines Hausarztes, der von 7 bis 20 Uhr in der Praxis ist und dem die Ehefrau den Rücken freihält, ausgedient. "Verständlicherweise", sagt der Allgemeinmediziner. Mindestens ebenso gravierend sei, dass sich die Arbeitszeit pro Arzt verringere, weil die Medizin &bdquo;weiblicher" werde, und weil heute rund 25.000 Ärzte fehlten, die den Einsparungen von 1.000 Studienplätzen pro Jahr seit den 90er Jahren zum Opfer gefallen seien. Etwa 30 Prozent der rund 90 Hausärzte im Stadtgebiet sind 55 bis 60 Jahre alt, mehr als 30 Prozent älter als 60. "Darunter sind mehrere, die mit 70 noch arbeiten", weiß Rudolf Jopen. Ein Ausstieg ist also bei vielen absehbar. "Dann wird die Situation noch prekärer, das beschäftigt uns sehr", sagt Jopen. Zumal junge Mediziner der KV nicht gerade die Türen einrennen, weil sie gern eine Praxis in Paderborn übernehmen möchten. Im Gegenteil. Für junge Mediziner attraktiver werden "Nachfolger zu finden ist tatsächlich ein Problem", sagt Rudolf Jopen. Früher habe ein Praxisverkauf der Alterssicherung gedient, heute quäle beim Ausstieg stattdessen der Gedanke, dass man zumindest einen Teil seiner 1.200 bis 1.500 Patienten nicht versorgt wisse. Zum einen favorisierten junge Ärzte Paderborn "nicht so besonders stark", zum anderen hätten viele Angst davor, sich mit einer Selbstständigkeit zu überfordern, auch finanziell. Grundsätzlich aber gebe es inzwischen wieder eine steigende Tendenz zur Hausarzt-Weiterbildung. Das Praxisnetz hat einen Weiterbildungsverbund initiiert, der es angehenden Hausärzten ermöglicht, die Ausbildung zügig durchzuziehen. "Dafür halten die Krankenhäuser in Paderborn sowie die Karl-Hansen-Klinik jeweils eine Stelle frei", sagt Jopen. Mögliche Klebeeffekte der neuen Medizinischen Fakultät in Bielefeld werden noch viele Jahre auf sich warten lassen, man plane aber, vermehrt Ärzte nach der Elternzeit für die Mitarbeit in Praxen zu gewinnen. "Wir haben einen erfüllenden Beruf", wirbt der Allgemeinmediziner, der sich eine gemeinsame Imagekampagne von Stadt, Kreis, Ärzten und Kliniken wünscht. Für Bürger entwickelt das Praxisnetz gerade auf www.praxisnetz-pb.de eine Plattform mit Namen von Hausärzten, die noch Patienten aufnehmen. Zweistellig wird die Zahl wohl nicht. "Uns rennt die Zeit weg", konstatiert Anette Bern. Stadtverwaltung und Politik müssten etwas unternehmen, um Paderborn für junge Mediziner attraktiver zu machen, so ihr Appell. "Es reicht nicht aus, dass Paderborn ein schönes Fleckchen Erde ist. Da muss man schon mehr aufbieten".

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