Ein Notfallseelsorger im Kreis Paderborn erzählt: "Manchmal ist es besser, gar nichts zu sagen"

Lichtenau. Was in einem Notfall zu tun ist, wissen die meisten Menschen: Atmung und Puls prüfen, stabile Seitenlage, Notruf wählen. Doch in Extremsituationen braucht manchmal auch die Seele Hilfe. Bei Unfällen, häuslichen Trauerfällen, Gewalt oder der Überbringung von Todesnachrichten. Dann unterstützen Notfallseelsorger. Zwölf Ehrenamtliche gibt es davon aktuell im Kreis Paderborn. Sie leisten Beistand, spenden Trost, hören zu, sind einfach da. Heinrich Friesen ist seit den Anfängen dabei. In den fast 20 Jahren als Notfallseelsorger hat er schon vieles erlebt. Er erzählt von Busunfällen mit Schulkindern, tödlichen Zusammenstößen von Auto und Lkw, nach denen es Eltern oder Ehepartner zu informieren galt, und Opfern von Gewalttaten, die sich noch in der Wohnung befinden, weil es sich um einen Tatort handelt, während im Nebenzimmer die Angehörigen sitzen und unter Schock stehen. Ein Junge rief die Feuerwehr, weil sich seine Mutter in einem Zimmer eingeschlossen und Suizid begangen hatte. Wie hilft man in so einer Situation, in der für Menschen eine Welt zusammenbricht? "Da sein", sagt Friesen. "Die Menschen wissen dann: Ich bin hier nicht alleine." Zu schweigen ist oft das Beste, denn mit Worten lässt sich eine solche Situation gar nicht fassen. Jeder Mensch reagiere anders. "Für die meisten geht es darum, aus dem Schockzustand wieder in der Realität anzukommen. Das ist wichtig, damit die Trauerverarbeitung gut beginnen kann", sagt Friesen. Manche möchten beten oder eine Kerze anzünden, andere schreien Oft stehen dann auch ganz praktische Schritte an: den Ehepartner informieren, einen Bestatter anrufen, vielleicht einen Pastor. Manche möchten beten oder eine Kerze anzünden. Friesen wurde auch schon angebrüllt und beleidigt. Er weiß, dass das die Schockreaktion ist. "Man lernt, so was nicht persönlich zu nehmen." Manchmal melden sich auch später Menschen bei ihm und sagen: "Danke, dass Sie da waren." 70 bis 80 Mal im Jahr sind die Notfallseelsorger im Einsatz, Tendenz steigend. Über einen Melder werden sie von der Feuerwehr alarmiert. In der Regel fährt derjenige raus, der am nächsten dran wohnt; klappt das nicht, wird flexibel Ersatz gesucht. "Irgendjemand findet sich immer", sagt Friesen. Auch am Wochenende, auch mitten in der Nacht. Manchmal sind sie auch mit mehreren im Einsatz. Als vor Kurzem bei einem schrecklichen Unfall ein Kind von einem Trecker getötet wurde, brauchten nicht nur die Eltern und Angehörigen Beistand, sondern auch die Einsatzkräfte. Schwierige Einsätze würden regelmäßig nachbesprochen. "Es ist wichtig, dass auch die Einsatzkräfte wissen, da ist jemand, mit dem sie reden können", sagt Friesen, der auch als Fachberater Seelsorge für die Feuerwehren im Kreisgebiet ein Ansprechpartner ist. "Man muss sich leer reden, bevor der Kopf mit neuen Erfahrungen gefüllt werden kann." Was man braucht als Notfallseelsorger? "Das Herz am rechten Fleck" Wer als Notfallseelsorger arbeiten möchte, braucht "einen Blick für die Menschen und das Herz am rechten Fleck", sagt Friesen. Den Rest lernt man in der Ausbildung und regelmäßigen Fortbildungen. Unter den Aktiven seien Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen. Es ist auch schon vorgekommen, dass manche, die Interesse an der Arbeit zeigen, aber die Ausbildung doch nicht beenden, weil die Belastung zu groß ist. "Das ist dann auch gut, man muss auf sich selbst Acht geben. Man erlebt schon viel Leid", sagt Friesen. Kraft gibt ihm der gemeinsame Austausch mit den anderen Notfallseelsorgern und auch sein Glaube. Friesen ist Pastor der freien Christen-Gemeinde Lichtenau. Wenn die Gemeindemitglieder ihm sagen, sie beten für ihn, stützt ihn das. "Und ich glaube, dass es als Christ meine Aufgabe ist, anderen zu helfen, und zwar genau dann, wenn es ihnen nicht gut geht." Die schwierigsten Einsätze sind die, wenn Kinder involviert sind. Einmal wurde Friesen zu einem Einsatz gerufen; ein junger Mann war tödlich verunglückt an einer Unfallstelle, von der Friesen wusste, dass sie auf dem Heimweg seines Sohnes liegt. Nachdem er seinen Sohn telefonisch erreicht hatte, konnte er sich auf den Einsatz konzentrieren. "In dem Moment muss man funktionieren", sagt Friesen, "das geht nicht, wenn man den Betroffenen oder die Angehörigen kennt, dann habe ich eine andere Rolle. Da kann ich anders helfen."

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