Kolumne

Erwin Grosches Gedanken: Ein schöner Abend im Heimwehrestaurant

Der Kabarettist, Autor und Kleinkünstler schreibt in seiner Kolumne über vorgetäuschte Restaurantbesuche für ein bisschen Normalität in Zeiten des Lockdowns.

Macht sich Gedanken: Erwin Grosche. | © Harald Morsch

23.01.2021 | 23.01.2021, 16:00

Nun sind es schon einige Monate her, dass wir uns in einem Restaurant getroffen haben. Vielen Menschen fehlt diese Flucht aus den eigenen vier Wänden. „Haben Sie schon gewählt?" Wer hätte gedacht, dass dieser Satz einmal unsere frühere Freiheit beschreiben wird. Man ging ja nicht nur essen, sondern traf sich mit Freunden vor und hinter der Theke. „Ich möchte, dass sich wieder jemand freut, wenn ich komme und alles vorbereitet ist, um mich zu verwöhnen und zu trösten."

Vielleicht sollten wir darüber nicht mehr klagen, sondern unsere Partner überraschen mit einem Treff in einem ganz persönlichen Heimwehrestaurant. Laden wir sie zu einem Besuch in die eigenen vier Wände ein. Überraschen wir mit unserer guten Laune. Viele Ehefrauen kennen ihre Männer so gar nicht. „Hat heute der SCP gewonnen?" Nehmen wir ihr schon an der Haustür den Mantel ab, begrüßen wir sie mit einem Kuss und halten ihr einen Block entgegen. Dort muss man Name, Anschrift und Telefonnummer eintragen. Auch ein Desinfektionsmittelspender, welch schönes Wort, kann auf der Schlüsselablage stehen.

Ein kleiner Scherz muss erlaubt sein

Vielleicht sind es diese authentischen Zeitbezüge, die einen vorgetäuschten Restaurantbesuch so unvergesslich machen. Sagen sie: „Wollen sie hier dinieren?" und sie wird antworten: „Die Nieren will ich nicht. Haben Sie auch Tofuspeisen?" Ein kleiner Scherz muss erlaubt sein, und überspielt die Aufregung. Lassen sie im Hintergrund romantische Musik erklingen. Nicht Partymusik, à la „Ich habe ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Döner", sondern romantische Musik, die uns erinnert an Verabredungen in aller Unbeschwertheit. Was glauben sie, wie ihre Frau staunen wird, wenn sie das Wohnzimmer betritt, und dieses, durch Kerzenlicht beleuchtet, den festlich gedeckten Tisch preisgibt? Überall stehen Blumen und die selbstgemalten Bilder ihrer Schwiegermutter sind ausgetauscht worden durch Fotografien von Sonnenuntergängen und Seesternen. Vor dem Fenster hängt ein Fischernetz und von der Zimmerdecke baumelt ein ausgestopftes Nutria.

Natürlich haben sie eigene Speisekarten vorbereitet und hoffen dass ihre Frau den Empfehlungen nachkommt. „Wir empfehlen heute den strammen Max." Gehen sie aus sich heraus, Spaghetti kochen kann jeder, auch beim Tofuspeisen kommt es auf die Größe an. „Wie fanden Sie das Tofusteak, meine Dame?" „Ganz zufällig, als ich das Dosengemüse beiseite schob."

Die Zeit zur Normalität verkürzen

Verwöhnen sie ihren Gast mit wahrer Hingabe. Fragen sie immer nach, ob alles zur Zufriedenheit ist und kommen sie manchmal mit einer großen Parmesanmühle vorbei und verreiben sie den Käse singend über das Nudelgericht. Verkürzen sie durch solche Ideen die Zeit bis zur Normalität.

Vielleicht wird nicht alles perfekt sein im Heimwehrestaurant ihrer Träume, aber der schöne Versuch, an die heiteren Tage der Vergangenheit anzuknüpfen, wird sicherlich mit einem großzügigen Trinkgeld belohnt werden. Wenn sie Glück haben, müssen sie noch nichtmals spülen.