So regeln Eltern die digitale Medienzeit ihrer Kinder ohne Streit

Paderborn/Hövelhof. "Noch zehn Minuten." Diesen Satz kennen wohl Eltern und Kinder gleichermaßen, wenn es um die Nutzung von Smartphone, Computer oder Fernseher geht. Die Frage, wie lange diese Geräte genutzt werden dürfen, führt in vielen Familien regelmäßig zu Diskussionen und Streit. Ab welchem Alter sollten Kinder ersten Kontakt zu digitalen Medien haben? Kleine Kinder bis drei Jahre sollten so wenig Zeit wie möglich vor dem Bildschirm verbringen, sagt Medienpädagoge Harry Lause. Der Leiter des Jugendzentrums Hot in Hövelhof hält regelmäßig Vorträge zum Thema Medienerziehung. Bei Kleinkindern stehe die Entwicklung motorischer und sprachlicher Fähigkeiten im Vordergrund. Elektronische Angebote seien da eher hinderlich. "Besser ist es, die Kinder toben und klettern", sagt Lause. Wie sollte die Mediennutzung geregelt werden? Digitale Medien sind heute ein zentraler Bestandteil der Gesellschaft. "Da hilft es wenig, diese zu verteufeln oder allzu stark zu reglementieren", sagt Eva Brockmann, Leiterin der Caritas-Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Paderborn. Zudem würden mit Verboten wichtige Lebensbereiche der Kinder beschnitten, gibt Lause zu bedenken: "Es gibt die Bedürfnisse nach Kommunikation und Teilhabe." Diese sollten zu ausgewählten Zeiträumen befriedigt werden können. Regeln wie "kein Handy am Esstisch" oder "vor dem Spielen die Hausaufgaben machen", seien sinnvoll. Auch sollte eine tägliche Nutzungsdauer festgelegt werden. Bei Älteren könne das auch ein Wochenkontingent sein. So werde eine verantwortungsvolle Einteilung der Nutzungszeit geübt. "Man kann auch mit Mediengutscheinen zusätzliche Zeit als Belohnung einsetzen", sagt Lause. Wer bestimmt die Regeln? Eltern und Kinder sollten Regeln gemeinsam aushandeln und auf Bedürfnisse der Kinder eingehen. Das stärke deren Eigenverantwortung und Selbstständigkeit. Dafür sollten Eltern wissen, welche Medien die Kinder nutzen, und schon bei der Aufstellung der Regeln im Auge behalten, ob sie einhaltbar sind. "Wenn ein Kind bei einem Spiel unterbrochen wird, weil die Zeit abgelaufen ist, und dadurch sämtliche Levelpunkte verliert, führt das zu Frustration", plädiert Brockmann für ein gewisses Maß an Flexibilität. "So würden Erwachsene auch reagieren, wenn sie einen spannenden Film nicht zu Ende gucken dürfen." Der Konflikt sei dann vorprogrammiert. Das Ende der Nutzungszeit schon einige Minuten vorher anzukündigen, könne dem vorbeugen. Wie sollten reagieren Eltern, wenn die Regeln nicht eingehalten werden? "Konsequenz ist die Grundlage jeden pädagogischen Handelns. Ohne oder bei zu vielen Ausnahmen werden die Regeln überflüssig", sagt Lause. Strafen und Verbote seien aber weniger sinnvoll. "Besser ist es zu fragen: Was kann dir helfen, das Handy aus der Hand zu legen?", sagt Brockmann. Positives Verhalten sollte belohnt und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden. Wichtig sei aber auch, Regeln immer wieder an den Alltag anzupassen. Und wenn das Kind das Handy nicht aus der Hand legen will? Bei vielen Kindern sei die intensive Nutzung eine Phase, die vorüber gehe, sagt Brockmann. Wenn die schulischen Leistungen leiden oder andere Interessen und Freunde vernachlässigt werden, sollten Eltern reagieren und Alternativen anbieten. Lause rät: Hilfreich sei es zu fragen, welche Bedürfnisse virtuell befriedigt werden und wie man im realen Leben für Erfolge sorgen kann. Hobbys sollten gefördert werden. Je mehr Interessen ein Kind habe, desto mehr Quellen für Erfolgserlebnisse gebe es, was die Entwicklung stärke. Welche Unterstützung können technische Hilfsmittel bieten? Viele Eltern greifen auf technische Hilfsmittel zurück, die etwa Internetseiten sperren oder die Nutzungsdauer begrenzen. Am Anfang könne das eine sinnvolle Unterstützung sein, findet Lause. "Aber sie stellen nie einen hundertprozentigen Schutz dar und vermitteln ein falsches Gefühl von Sicherheit." Wichtiger sei das Interesse an den Medien der Kinder und ein bedingungsloses Vertrauensverhältnis. Kinder dürften keine Hemmungen haben, sich an ihre Eltern zu wenden. Welche Vorbildfunktion haben Eltern? Eltern sollten ihr eigenes Medienverhalten reflektieren. Wer selbst ständig am Handy hängt, kann von seinem Kind nicht erwarten, sich anders zu verhalten. "Gerade beim Aufbau der Selbstregulierungskompetenz können handyfreie Zeiten in der Familie ein gutes Ritual sein", sagt Lause. Gerade jetzt, wo viele Eltern auch im Homeoffice arbeiten, falle das nicht immer leicht, weiß auch Brockmann. "Es wäre schön, da ein Gleichgewicht zu finden. Die Medienzeit sollte nicht zulasten der gemeinsamen Zeit gehen."

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