1. Prozesstag: Erpresser verlangte Viertelmillion vom Daimler-Konzern

Paderborn. Nahezu ganz allein auf der Autobahn unterwegs war eine 26-Jährige in der Aprilnacht, die sich für sie auf einen Schlag in ein Horrorszenario verwandelte. Als die Kurierfahrerin ihren Mercedes Sprinter über die A 33 steuerte, wurde bei Erwitte eine 15 Kilogramm schwere Betonplatte von einer Brücke geworfen. Diese zerschlug die Windschutzscheibe des Fahrzeugs. Weil die Platte auf der Beifahrerseite im Fußraum landete, erlitt die Hildesheimerin lediglich Verletzungen durch das gesplitterte Glas. Am Donnerstag hat sie im Paderborner Landgericht zum ersten Mal den Mann gesehen, der sie vor einem halben Jahr in Lebensgefahr gebracht haben soll - weil er den Daimler Konzern erpressen wollte. Andreas O. (Name geändert) ist ein massiger Mann, sein Haar ist kurz geschnitten. Anders als viele andere Angeklagte, die sich wegen schwerster Straftaten vor Gericht verantworten müssen, versucht der 21-Jährige nicht, sein Gesicht etwa hinter einem Aktenordner zu verbergen. Es sei entwürdigend, wenn ein Angeklagter sein Gesicht verstecke, hat seine Verteidigerin Henriette Lyndian vor Verhandlungsbeginn erklärt. Vor einem guten halben Jahr allerdings hat der Geseker im Verborgenen gewirkt, als er vom Daimler-Konzern eine Viertelmillion Euro erpressen wollte. Gut zwölf Stunden nachdem er am 28. April die Kurierfahrerin in Lebensgefahr gebracht hatte, nahm Andreas O. nach Überzeugung von Oberstaatsanwalt Ralf Meyer per E-Mail Kontakt mit dem Autokonzern und der Polizeidirektion Dortmund auf, bekannte sich zu der Tat und forderte 250.000 Euro. Werde diese Summe bis zum 1. Mai nicht auf das genannte Bitcoin-Konto eingezahlt, dann werde es weitere Anschläge auf Fahrzeuge aus dem Hause Mercedes geben, kündigte der Geseker laut Anklage an. Gesteinsbrocken auf die A 33 Weil es nicht zur Zahlung kam, habe der 21-Jährige weiterhin die Drohkulisse aufrechterhalten wollen. Am 4. Mai warf er in der Nacht bei Oberntudorf eine Betonplatte auf die Landesstraße 775, einen Tag später bei Hövelhof einen Gesteinsbrocken auf die A 33. Menschen wurden nicht verletzt, nach Auffassung von Oberstaatsanwalt Meyer hatte sich Andreas O. zuvor davon überzeugt, dass kein Fahrzeug im Bereich der Brücken unterwegs war. Flankierend schickte der Geseker weitere E-Mails an die Polizei und den Autokonzern. "Der nächste Stein liegt schon bereit", schrieb er und drohte: "Das kann zu meinen täglich Brot wie Zähneputzen werden." Im Verlauf der nächsten Tage ging Andreas O. mit seinen Forderungen deutlich herunter, verlangte schließlich Anzahlungen in Höhe von 50.000 und zuletzt 30.000 Euro. Nachdem er am 13. Mai eine letzte Nachricht zur Klärung der Zahlungsmodalitäten versandt hatte, erfolgte in den Abendstunden der Zugriff eines Sondereinsatzkommandos der Polizei. Andreas O. wurde im Haus seiner Eltern festgenommen. Vor dem Schwurgericht muss sich der 21-Jährige wegen versuchten Mordes und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung verantworten. Das Gericht unter dem Vorsitz von Tabea Rustemeyer will am Donnerstag, 3. Dezember, in die Beweisaufnahme einsteigen. Dann wird die 26-Jährige aus Hildesheim dem Geseker erneut gegenüber sitzen - als Nebenklägerin. Ihre Mandantin sei stark beeinträchtigt durch das Erlebte, sagt ihre Anwältin Antje Heister. Zwar habe der Angeklagte wenige Tage vor Verhandlungsbeginn im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs 5.000 Euro angeboten, aber der 26-Jährigen "geht es nicht ums Geld. Sie möchte ein gerechtes Urteil, das abschreckend wirkt." Denn diese Tat, so Heister, sei "besonders hinterhältig. Man hat keine Chance. Man sieht den Täter nicht."

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