Paderborn. Die Arzthelferin Petra P. (Name geändert) berichtet aus ihrem Alltag in einer Hausarztpraxis. Sie erklärt, was sie am meisten belastet und was sie sich wünscht.
Frau P., seit wann ist die Stimmung unter den Arzthelferinnen in Paderborn so angespannt und wie äußert sich das?
Die Stimmung ist seit etwa April/Mai angespannt. Man regt sich wegen Kleinigkeiten auf, die man sonst einfach weggelächelt hätte. Man hat auch einfach keine Lust und kein Verständnis mehr, sich den täglichen Auseinandersetzungen mit den Patienten zu stellen. Niemand scheint den niedergelassenen Ärzten und deren MFA (Medizinischen Fachangestellten) zu danken, von Bonuszahlungen ist schon mal gar keine Rede. Wir haben das Gefühl, wir werden einfach vergessen.
Was sagen denn Ihre Chefinnen und Chefs, die Ärztinnen und Ärzte dazu?
Auch sie merken, dass wir an unsere Grenzen kommen. In unserer Praxis haben wir Unterstützung von unserer Chefin, sie geht auch ans Telefon oder nimmt die Patienten an der Anmeldung an. Die Ärzte haben ja auch Angst um uns, denn wenn wir ausfallen, wer übernimmt dann die Aufgaben in der Praxis?
Sie berichten von einem schier unglaublichen bürokratischen Aufwand im Zusammenhang mit Covid-19-Abstrichen. Wie viel zusätzliche Arbeit fällt dadurch für Sie und Ihre Kolleginnen im Schnitt am Tag an?
Derzeit könnte man zusätzlich eine MFA einstellen, um nach jedem Patienten das Sprechzimmer zu desinfizieren, die Covid-19-Abstriche vorzubereiten und korrekt abzurechnen. Diese MFA könnte dann auch die Telefonanlage besetzen, um die vielen Fragen bezüglich Covid-19 zu beantworten.
Wie könnte man das anders regeln?
Entweder die Bürokratie würde einfacher, indem man eine Ziffer, einen Laborschein und eine Codierung für alle Abstriche einrichtet. Oder man könnte erneut ein Abstrichzentrum einrichten, um die Praxen wieder zu entlasten.
Kommen denn jetzt sogar mehr Patientinnen und Patienten in die Praxen als vor der Pandemie?
Wir merken bei uns in der Praxis seit dem ersten Lockdown, dass die Patientenanzahl steigt und es sich überwiegend um das Thema Corona handelt. Chronisch kranke Patienten kommen derzeit aber viel zu kurz, weil wir einfach zeitlich und räumlich derzeit nicht die Möglichkeit haben für eine gute und ausführliche Betreuung.
Sie sagen, viele Patienten reagierten unwirsch bis aggressiv, wenn sie ihren Willen nicht sofort bekämen - sei es, weil Sie in der Praxis ohne eigenes Verschulden gerade keinen Grippe-Impfstoff haben, oder sei es auch nur, weil manche Patienten keinen Mund-Nasen-Schutz tragen wollen. Was denken Sie dann und worauf führen Sie dieses Verhalten zurück?
Ich denke, die Patienten sind selbst genervt und haben bestimmt auch Zukunftsängste. Dies berechtigt aber niemanden, sich in der Praxis wie ein wildes Tier aufzuführen, sei es durch auf den Boden spucken, Beleidigungen, Drohungen oder sogar Handgreiflichkeiten. Wir wünschen uns gegenseitiges Verständnis und wohlwollenden Umgang auf beiden Seiten. Denn wenn wir zusammen halten, werden wir diese schwere Zeit für alle erträglich überstehen.