Kolumne

Erwin Grosches Gedanken: Anfeuerungsrufe am Lippesee

Der Kabarettist, Autor und Kleinkünstler schreibt in seiner Kolumne über ein Erlebnis an dem beliebten Paderborner Freizeitrevier.

Macht sich Gedanken: Erwin Grosche. | © Harald Morsch

07.11.2020 | 20.11.2020, 15:17

Ich fahre immer gerne zum Lippesee. Gerade wenn man trübe Gedanken loswerden will, sieht man nach vielen Blicken auf das Wasser wieder klarer. Neulich wurde ich Zeuge einer Geschichte, die mich tief berührte und zum Nachdenken anregte. Ein Mann, der seine Fahrrad fahrende Tochter auf den dortigen Hindernisparcours begleitete, feuerte sie mit den Worten „trampeln trampeln trampeln trampeln" an, als sie einen kleinen Hügel hochfahren wollte.

Es gibt eine Zeit, da haben es die Kinder gerne, wenn wir ihnen bei ihren Unternehmungen zuschauen.

Es wird aber auch eine Zeit kommen, da verbieten sie sich jede Einmischung in ihr Handeln und schauen sich lieber selber zu. So war dieses „trampeln trampeln trampeln trampeln" nicht nur ein Anfeuern, sondern auch der Beweis, dass man da war und Tipps für das richtige Fortkommen im Leben hat.

"So erklimmt man gut gelaunt jeden Gipfel"

Das ausgelassene Wiederholen eines Wortes kann auch darauf hinweisen, dass der Spaß sich nicht ausschließen muss, wenn man etwas erreichen will.

Man spricht ja dieses „trampeln trampeln trampeln trampeln" immer schneller, bis am Schluss nur noch ein „tram tram tram tram" zu hören ist. So erklimmt man gut gelaunt jeden Gipfel.

Bei der nächsten Runde der Fahrrad fahrenden Tochter wechselte der Vater seine Taktik und rief anstatt „trampeln trampeln trampeln trampeln" nur noch „Gas Gas Gas Gas". Natürlich kann man „Gas Gas Gas Gas" leichter skandieren als „trampeln trampeln trampeln trampeln", aber illustriert ein „trampeln trampeln trampeln trampeln" nicht viel mehr die Anstrengungen der Tochter als ein „Gas Gas Gas Gas"?

Was hat überhaupt das „Gas Gas Gas Gas" mit einem Fahrrad fahrenden Mädchen zu tun? Es fuhr ja kein Moped. Nein, die ersten spontanen Unterstützungen „trampeln trampeln trampeln trampeln" waren treffender. Der Schwierigkeitsgrad beim schnellen Sprechen dieses Wortes gab einen Eindruck davon, was auch die Tochter beim Versuch der Hügelüberquerung aufbieten musste. Es wies darauf hin, was in dieser Situation ein Abrutschen verhindern konnte, das „trampeln trampeln trampeln trampeln".

Praktische Tipps, um sein Leben zu meistern

„Gas Gas Gas Gas" forderte nur die Geschwindigkeit ein, „trampeln trampeln trampeln trampeln" gab praktische Tipps, um sein Leben zu meistern.

„Gas Gas Gas Gas" wird sich darum kaum als Anfeuerungsruf durchsetzen. Es ist eher eine panikartige Information, um einen Mann daran zu hindern, seine Zigarette anzuzünden, wenn im Heizungskeller sich durch ein Leck Gas breit machen will.

Im Nachhinein dachte ich nur, ich hätte mitmachen sollen. Wäre es nicht schön gewesen, wenn ich mich zu dem Mann gestellt hätte und hätte mitangefeuert? Vielleicht hätte auch der Jogger mitgemacht und der Mann mit den Nordic-Walking-Stöcken.

Wir hätten uns alle zu dem Mann gesellt und genau in dem Augenblick, wenn seine Tochter den Hügel erklimmen wollte, gerufen: „trampeln trampeln trampeln trampeln". Das hätte uns allen gut getan. Gute Nacht, Paderborn.