Warum diesmal der Kommunalwahlkampf in Paderborn anders wird

Paderborn. Trotz Kontaktbeschränkungen und Pandemiegefahr: Am 13. September geht es auch in Paderborn an die Wahlurnen. 120.000 Paderbornerinnen und Paderborner ab 16 Jahre inklusive in Paderborn mit erstem Wohnsitz lebende EU-Bürger sind dazu aufgerufen, ihre kommunalpolitischen Leitfiguren für die nächsten fünf Jahre zu legitimieren. Die wichtigste Frage lautet: Wird Bürgermeister Michael Dreier (CDU) im Amt bestätigt? Oder siegt dann doch, wenn vielleicht eine Stichwahl nötig wird, eine oder einer aus der Verfolgergruppe? Die ist mit inzwischen sechs weiteren Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten schon fast unübersichtlich groß. Nicht weniger spannend wird allerdings auch die Zusammensetzung des neuen Rates, der schon seit zwei Wahlperioden keine absolute Mehrheit der CDU mehr kennt. Das wiederum hängt nicht zuletzt damit zusammen, wer so alles kandidiert. Und das entscheidet sich letztlich erst Ende dieses Monats. Nicht schon in dieser Woche, sondern wegen der Corona-Widrigkeiten erst am 27. Juli ist der Anmeldeschluss für Parteien und Kandidaten, gefolgt von einer letztinstanzlichen Prüfung und Zulassung durch den Wahlausschuss am 3. August. Noch sammelt nämlich die eine oder andere Gruppierung Unterstützer-Unterschriften. Mit den Plakaten beginnt die heiße Phase Dann, nach den Sommerferien, wenn plakatiert werden darf, beginnt die heiße Phase des Wahlkampfes. Der verlagert sich allerdings offenbar noch mehr als sonst in mediale oder auch virtuelle Räume, ob moderiert und gestaltet durch klassische Medien oder die Parteien und Gruppierungen selbst oder gar im Wildwuchs virtueller Plattformen und Blogs. So gehören zur Grundausstattung medialer Präsenz der Paderborner Parteien mindestens die eigene Webseite plus Facebook-Präsenz. Was nicht heißt, dass Wählerinnen und Wähler daraus derzeit schon allzuviel Nützliches für ihre Wahlentscheidung erfahren würden. Hält die SPD als Partei mit dem Hang zu ausgeprägt textlastigen Programmen auf ihrer Webseite immerhin ein 45 Seiten umfassendes Grundsatzpapier mit zehn zentralen Wahlkampfaussagen bereit, verzichtet aber darauf, dabei gleichzeitig ihre Kandidaten rund um Bürgermeister-Aspirant Martin Pantke nach vorne zu rücken, so präsentiert sich die CDU genau anders herum: Man sieht Gesichter, bekommt aber keine kommunalpolitischen Standpunkte dazu. Die wiederum finden sich durchaus auf der Seite der Grünen, wenn auch zuweilen reichlich veraltet, etwa wenn es um die fast schon historisch zu nennenden Wirrungen um den Neubau der Stadtverwaltung geht, für den die Grünen ja nun letztlich doch gestimmt haben. Bürgermeister-Kandidaten stehen im Vordergrund Wie die Grünen ihren Bürgermeisterkandidaten Klaus Schröder, so rückt die Linksfraktion ihre Kandidatin, Elke Süsselbeck, deutlich ins Rampenlicht. Während Grüne auf ihrer Seite Flüchtlingspolitik, Klima, Verkehr und den Einsatz für LGBT-Bürgerrechte betonen, versucht sich die Linke mit Frauen- und Gleichstellungspolitik abzuheben. Eine Schnittmenge zwischen SPD, Grünen und Linken ergibt sich im Thema der erst in dieser Wahlperiode gegen die CDU durchgesetzten Wohnungsgesellschaft, die in Paderborn ein noch wichtigerer Player auf dem Wohnungsmarkt werden soll. Bezahlbarer Wohnraum, bessere Radwege, mehr Angebot im Nahverkehr - das sind die Themen, bei denen niemand Nein sagt, die aber dennoch im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen können - die Teufelchen stecken, wenn man darüber redet, in den Details. Die Zukunft des Marienplatzes im Zuge des Teilneubaus der Stadtverwaltung nebenan hätte ein veritables Wahlkampfthema abgegeben - wenn es nicht bereits abgeräumt worden wäre. Die in dem Zusammenhang ebenfalls zumindest in Teilen der Bevölkerung strittige Grundsatzentscheidung für das neue Stadthaus an Abdinghof und Marienplatz scheint unterdessen derzeit kaum noch Zündstoff zu liefern - auch weil es schon wieder nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Denn, nicht zu vergessen: Die finanzielle Bewältigung der Corona-Folgen ist ungeklärt - und bleibt es wohl bis über den Wahltermin hinaus. So hat derzeit noch keine Partei ein griffiges Konzept dazu formuliert. Alle stochern im Nebel. Auch weil zwischen Bund, Land und Kommune kaum klar ist, wer am Ende welche Rechnung zahlt. Wünsch-dir-was der Forderungen Apropos Finanzen; Auf Sparsamkeit zu achten, ist eine der traditionellen Forderungen speziell von FDP oder FBI/Freie Bürger und LKR. Dennoch erlaubt sich die FDP auf ihrer Internetseite einen Wunschkatalog, der für fast jeden etwas bereit hält und sage und schreibe 86 Punkte umfasst. Das meiste davon kostet allerdings Geld. Doch auch derzeit noch komplette Rats-Außenseiter treten an: Das Profil der neuen Partei Volt bleibt im demokratisch pro europäischen Ungefähren, aber doch immerhin ernsthaft, wenn auch mit dem unbedingten Willen aufzufallen. Davon zeugt ein Wünsch-Dir-Was-Forderungskatalog mit 75 Punkten, der an Umfang dem der FDP kaum nachsteht. Ernsthaftigkeit kann man dagegen der Satire-Partei Die Partei ("Wir sind gerechtigkeits- und bierliebende Personen") nicht wirklich nachsagen. Und wer unbedingt die Rechtspopulisten der AfD wählen will, bekommt bei ihnen haufenweise (jedenfalls in der NW) nicht druckbare als "Pressemitteilungen" getarnte Ruppigkeiten serviert. Unfreiwillig komische Kostprobe: "Wir stehen wie keine andere Partei für den Erhalt des deutschen Verbrennungsmotors." Zusätzlich zu ihren Webseiten setzen die Parteien aber auch auf Plattformen wie Facebook. Dort tummeln sich derzeit noch vor allem die Claquere. Wer wirklich Informationen sucht, ist hier eigentlich falsch. Was man bekommt, sind Stimmung und Selbstbestätigung.

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