Wie aus einem Paderborner Parkplatz ein temporärer Freizeitpark entsteht

Paderborn. Ein Lächeln zieht in Fredi Kohlwes' Gesicht auf, wenn er nach dem Tivoli Wunderland gefragt wird. "Schön ist das. Ich bin froh, altbekannte Gesichter wiederzusehen und nicht nur zuhause zu sitzen", sagt der 68-Jährige. Seit einem halben Jahrhundert lebt er für die Schaustellerei, auf "allen" Kirmessen sei er schon gewesen. Doch ein temporärer Freizeitpark ist auch für ihn etwas Neues. Noch finden die letzten Aufbauarbeiten statt, am Freitagnachmittag um 14 Uhr ist Eröffnung. Kohlwes' Eiscreme-Bar ist schon startklar. Nebenan dreht das Überschlagskarussell "Jekyll & Hyde" seine erste Proberunden - noch in gemächlicher Geschwindigkeit. Ab dem Wochenende werden die Besucher mit bis zu 130 Stundenkilometern in den Himmel katapultiert. Aus 42 Meter Höhe haben sie dann einen Überblick über das Tivoli Wunderland mit seinen fast 20.000 Quadratmetern Fläche. Foodcourt auf 2.000 Quadratmetern Bis zum Ende der Sommerferien soll der Pop-up-Freizeitpark mit 15 Fahrattraktionen, 18 Imbissständen sowie fünf Spielbuden einen Ersatz für die Libori-Kirmes und andere abgesagte Großveranstaltungen bieten. Neben actionreichen Attraktionen wie die Achterbahn "Crazy Mouse XL" und dem "Sky Dance" gibt es unter anderem auch ein Kinderkarussell, einen Autoscooter sowie einen Musikexpress. Auf 2.000 Quadratmetern erwartet zudem ein Foodcourt die Besucher mit Leckereien. Wochenlang war unsicher, ob die eingezäunte Kirmes auf dem Parkplatz am ehemaligen Gartenschau-Gelände überhaupt stattfinden kann. Es brauchte eine Baugenehmigung seitens der Stadt. Zudem verzögerte sich wegen des Corona-Ausbruchs im Kreis Gütersloh der Start. Am vergangenen Freitag begann letztlich der Aufbau. Und der sei nicht vergleichbar mit dem routinierten Arbeiten etwa vor Libori, sagt Hans-Otto Bröckling, Vorsitzender des Paderborner Schaustellervereins. 250 Tonnen Schotter verteilt Eine Infrastruktur mit Strom- und Wasseranschlüssen war nicht vorhanden. "Jedes Stromkabel musste neu eingegraben werden", erklärt Bröckling. 250 Tonnen Schotter haben die Schausteller und die Helfer dafür auf dem Gelände verteilt. Zudem verlegten sie 1.200 Meter Wasserleitungen und 1.400 Meter Lautsprecherkabel. Im Gegensatz zu einer normalen Kirmes wird im Tivoli Wunderland eine einheitliche Musik über dem Platz ertönen. Mit lauten Durchsagen im Stil von "Eeeiiiineee Ruuuundeeee geht noch" muss sich Sherin Hartmann daher zurückhalten. Sie sitzt die kommenden Wochen im Kassenhäuschen des "Rocket", bei dem die Fahrgäste an einem Schaukelarm durch die Luft gewirbelt werden. Als eine von wenigen Schaustellern wohnt sie für diese Zeit mit ihrer Familie auf einem benachbarten Platz. "Immer abends in die Hagener Heimat zu fahren, wäre ja blöd", meint sie. "Wieder im Wohnwagen zu leben und nicht mehr Zuhause, ist auch anderes Gefühl." "Absolute Schadensbegrenzung" Auch wenn für sie und ihre Kollegen nach monatelangem Stillstand ein bisschen die Atmosphäre des Schaustellerlebens zurückkehrt, sprechen sie noch lange nicht von Normalität. "Der Freizeitpark ist absolute Schadensbegrenzung", sagt Bethel Thelen. Er ist zweiter Vorsitzender des Schaustellervereins und Betreiber des "Jekyll & Hyde". Thelen rechnet damit, dass er beim temporären Freizeitpark nur etwa zehn Prozent seiner normalen Jahreseinnahmen erzielen kann. Denn neben Libori fielen auch viele kleinere Kirmes-Veranstaltungen bis weit in den Herbst aus, so Hans-Otto Bröckling. "Uns schmerzt es, dass wir ein Berufsverbot haben, während es am Timmendorfer Strand pickepackevoll ist." Das Tivoli Wunderland in Schloß Neuhaus sei nun eine Chance, "ein paar Mark zu verdienen", sagt Fredi Kohlwes. "Was bei rumkommt, wissen wir nicht." Ab 1.000 Besucher pro Tag sei der Park kostendeckend, berichtet Thelen. Zunächst planen die Schausteller bis zum Ende der Ferien. Eine Verlängerung ist aber theoretisch möglich. Die Baugenehmigung gilt bis zum 1. September.

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