Paderborn

Erwin Grosches Gedanken: Gruppenfotos wie Wildwest-Plakate

Der Kabarettist, Autor und Kleinkünstler schreibt in seiner Kolumne über Gruppenfotos in Corona-Zeiten.

Macht sich Gedanken: Erwin Grosche. | © Harald Morsch

14.06.2020 | 04.07.2020, 13:50

In diesen Zeiten müssen alle umdenken. Die Veränderungen durch die Abstandsregeln machen nicht nur dem Rotlichtmilieu zu schaffen. Eine gewisse Routine hatte sich auch in der Gruppenfotografie breit gemacht. Sagte man früher „Die Großen nach hinten und die Augen nicht schließen", wusste man später: „Ein Foto ohne Landrat Müller ist nur eine Ansammlung von Menschen."

Seitdem man aber auf Fotos Abstand halten muss, sehen alle Aufnahmen wie Filmplakate aus, die für den Western "Die glorreichen Sieben" Werbung machen wollen. Alle stehen aufgereiht wie Kegel in einer Kegelbahn und rechnen damit umgeschubst zu werden. Ich denke da nur an das Pressefoto des Delbrücker CDU-Ortsverbands, die ihre neuen Kandidaten für die Kommunalwahl vorstellen wollten. Schade, dass dort eine ordnende Hand nicht eingriff, um die neuen Gesichter optimal zu präsentieren.

Gerade Fotos von Parteien, die für ein christliches Weltbild stehen, sollten versuchen diese Botschaft auch in der Außendarstellung herüberzubringen. Ich weiß nicht, wer dieses Foto gemacht hat, (ich vermute sogar es war Thomas Michna-Sundermeier, der in der ersten Reihe einen bevorzugten Platz gefunden hat, aber einen gehetzten Eindruck macht, als musste er gerade bei der Kamera den Selbstauslöser bedienen), aber einige Anregungen in diesem neuen Selbstdarstellungsbereich seien erlaubt.

"Da saß er schon beim letzten Mal"

Nichts gegen Thomas Michna-Sundermeier, ein lockerer und sympathisch wirkender Mann, aber Heike Kettelgerdes hätte man sich auch in der ersten Reihe vorstellen können. Heike Kettelgerdes hat Ausstrahlung und wirkt wie jemand, der Verantwortung übernehmen kann. Ihr würde sogar eine Kapitänsmütze stehen. Harald Korsmeier, rechts hinten, sitzt auf einer Mauer, und hat gut lachen, da saß er schon bei der letzten Fotosession, als man noch eng zusammenstehen durfte.

Unverzeihlich ist, dass Ilhan Dag zwischen Josef Westerhorstmann und Thomas Michna-Sundermeier kaum wahrzunehmen ist. Er steht auf verlorenem Posten. Er steht ganz ganz hinten und ahnt schon beim fotografiert werden, dass er auf diesem Foto nicht zu erkennen sein wird.

Ein Foto ist ein Lebenszeichen

Wer vermisst da nicht den Einfallsreichtum des alten NW-Fotografen Reinhard Rohlf, der auch diese Siebener-Gruppe in ein vorteilhafteres Licht gerückt hätte. Er hätte Ilhan Dag ein Seifenblasenset in die Hand gedrückt, Josef Westerhorstmann eine Bibel, und Cornelia Scheller hätte auf einem Elefanten dem Foto einen exotische Eindruck verliehen. Ein Foto ist ein Lebenszeichen, ein Andenken an uns Menschen, als wir uns wichtig nahmen.

Ich erinnere mich noch gut an die Aufnahmen der scheinbar entschärften Bombe, als unser Ordnungsamtsleiter Udo Olschewski und unser Bürgermeister Dreier sie stolz in ihrer Mitte präsentierten wie einen ausgeweideten Wal. Da hätte ich mir mehr Abstand gewünscht. Kürzlich lud mich eine Geländefahrradfahrercommunity, die „Dirty Angels" aus Dörenhagen ein, um auf ihrem Gruppenfoto das aufgeschreckte Kaninchen zu spielen. Da waren mir die neuen Abstandsregeln sogar noch zu lasch.