Bei Paderborner Physiotherapeuten hagelt es in der Coronakrise Absagen

Paderborn. Physiotherapeuten gehören zum Kern der Gesundheitsversorgung und behandeln Patienten mit ärztlicher Verordnung auch in der Coronakrise weiter. Doch immer mehr haben Probleme, weil viele Behandlungstermine abgesagt werden. Dadurch gerät die wirtschaftliche Situation der Praxen und damit auch der Angestellten deutlich ins Wanken, Umsätze brechen teils dramatisch ein. Der Deutsche Verband für Physiotherapie (ZVK) beziffert die Rückgänge auf 60 bis 90 Prozent. Hoffen auf den Rettungsschirm Nun hoffen Physiotherapeuten, dass es auch für sie als Heilmittelerbringer, zu denen auch Logopäden oder Ergotherapeuten gehören, finanzielle Hilfe durch den Rettungsschirm für Kleinunternehmer bekommen. "Als systemrelevante Berufe sind wir auch nach der Krise sehr wichtig für die Versicherten. Denn wenn viele Praxen schließen müssen, ist die Versorgung der Patienten gefährdet. Die Patienten brauchen uns aber", betont eine selbstständige Physiotherapeutin, die in Schloß Neuhaus eine Praxis mit drei Vollzeitkräften betreibt. "Der Rettungsschirm muss auch für Physiotherapeuten gelten", fordert sie mit dem ZVK. "Wir machen fast nur noch Hausbesuche, behandeln Tumorpatienten und Menschen mit Brüchen nach OP", sagt die Praxismitinhaberin, die nicht namentlich genannt werden möchte, und beziffert den Umsatzrückgang auf 90 bis 95 Prozent. Wenn Langzeit-Verordnungen auslaufen, fürchtet sie weitere Einbußen. "Wir wissen nicht, ob Ärzte in dieser Situation neue Rezepte ausstellen." Auch alle Kurse ihrer Praxis, sonst 15 bis 20 pro Woche von Rückengesundheit bis Rehasport, können nicht stattfinden. Die Mitarbeiter sind längst in Urlaub und Kurzarbeit. Keine Behandlung in Altenheimen Absagen verbucht auch Physiotherapeut Raphael Bergen (Bergen & Bergen). "Am 13. März musste ich noch sechs Anfragen ablehnen, weil wir bereits bis in den Mai hinein ausgebucht waren. Nur drei Tage später sah die Lage ganz anders aus", schildert der Paderborner Praxisinhaber mit neun sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten auf Nachfrage der Neuen Westfälischen. Nach und nach meldeten sich mehr Patienten ab, vor allem ältere ab 60 Jahren, die als Risikopatienten gelten, aus Angst vor möglicher Ansteckung. Aktuell wird auf Verordnung therapiert, private Selbstzahler entfallen. Ebenso weggefallen sind die Behandlungen von Senioren in Altenheimen. Bergen beziffert den Rückgang in seiner Praxis auf bislang rund 50 Prozent. Das ist viel, sei aber "vergleichsweise noch moderat." Seine Angestellten bauen jetzt Überstunden ab, für März hat der Praxisinhaber für zwei Wochen 20 Prozent Kurzarbeit angemeldet, das bedeutet weniger Geld auch für seine Mitarbeiter. Im April könnte der Kurzarbeit-Anteil auf 50 Prozent steigen. Entschädigung nur bei Quarantäne Bundesweit soll schon etwa ein Drittel der Physio-Praxen geschlossen sein - aus wirtschaftlichen Gründen oder zum Schutz vor Infizierungen. Eine Entschädigung für ihre finanziellen Verluste erhalten die Praxen vom Staat nur dann, wenn aufgrund eines Corona-Falles Quarantäne verhängt wird. Ob der Corona-Rettungsschirm für Kleinbetriebe und Soloselbstständige auch für Physio-Praxen greifen wird, kann Frank Wolters, Chef der Paderborner Wirtschaftsförderungsgesellschaft nicht mit Sicherheit sagen, weil konkrete Förderrichtlinien noch nicht vorlägen. "Ich gehe aber eher davon aus, ein expliziter Ausschluss ist mir nicht bekannt." Elektronische Antragsformulare soll es am Freitag im Laufe des Tages auch auf der Homepage der Bezirksregierung geben:Der ZVK fordert zudem eine finanzielle Soforthilfe von den Gesetzlichen Krankenkassen. Raphael Bergen macht neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation für viele Praxen noch ein anderes Problem aus: Die schwindende Ausstattung mit Hygieneartikeln wie Desinfektionsmittel oder Mundschutz. "Die Mutter einer Kollegin und eine Patientin nähen jetzt Baumwoll-Mundschutz für uns, der in die Kochwäsche kann."

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