Paderborn

Archäologen entdecken in Paderborn historisches Gerichtsgebäude

An der Heiersstraße kommen immer mehr Spuren aus der Vergangenheit zum Vorschein. Besonders aussagekräftig ist ein altes Straßenpflaster.

Die Grabungsfläche offenbart auf kleinem Raum Spuren aus unterschiedlichen Epochen. | © EggensteinExca/Robert Gündchen

27.02.2020 | 28.02.2020, 09:40

Paderborn. Die Ausgrabungen an der Heiersstraße 15 in der Paderborner Altstadt gehen weiter. In Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) haben Archäologen einer Fachfirma nicht nur die Grundmauern eines Gerichtssitzes aus dem 16. Jahrhundert entdeckt, sondern auch ein darunterliegendes Gewölbe aus dem Mittelalter. Das Gerichtsgebäude war ein wichtiger Teil der frühen städtischen Selbstverwaltung, wie der LWL mitteilt.

Seit Beginn der Ausgrabungen auf dem Grundstück für ein neues IT-Gebäude, das hier vom Erzbistum Paderborn gebaut wird, kam viel Geschichte zum Vorschein. Da die abgerissene, moderne Bebauung die Spuren der Stadtgeschichte weitgehend unberührt gelassen habe, konnten Archäologinnen der Fachfirma die Grundmauern der sogenannten Tigge freilegen. Die 1527 gebaute Tigge war ein alter Gerichtssitz der Stadt Paderborn, der in mehreren Urkunden belegt ist.

Im Norden zieht die Mauer unter die Straße Thisaut, so dass die exakten Maße des Hauses unklar bleiben. Im Inneren wurde ein sorgfältig verlegter Fußboden aus großen Kalksteinplatten freigelegt. Im nördlichen Bereich war das Pflaster abgesackt. "Wir vermuten, dass sich unter dieser Stelle ein verfüllter Brunnen verbirgt", erklärt Sveva Gai, Stadtarchäologin in Paderborn. "Der Straßenname Thi-Saut bedeutet ,Wasserstelle an der Tigge'. Aber möglicherweise befindet sich hier auch ein weiterer Keller, der zu einem früheren Gebäude an dieser Stelle gehörte."

Ein Dorf wird eingemeindet

Die Geschichte der Tigge reicht weiter zurück. Beim Abtragen des Fußbodens fanden die Archäologen darunter eine noch ältere Mauer, die im Inneren einen Raum abgrenzte. Anhand gefundener Scherben werde diese Mauer in das Spätmittelalter datiert. Im Südosten der Tigge befindet sich ein schmales Tonnengewölbe. Till Lodemann von der Stadtarchäologie sagt dazu: "Das Gewölbe scheint den Eingang zu einem Keller zu bilden, der noch unter dem aktuell freigelegten Fußboden liegt. Das bedeutet, dass wir mit noch älteren Bauphasen der Tigge unter dem Pflaster rechnen können."

"Besonders aufschlussreich sind auch die historischen Quellen, die bis ins Jahr 1304 zurückreichen", betont Ralf Otte, Historiker und Archäologe der Grabungsfirma. "Den Dokumenten nach war an dieser Stelle schon seit dem Mittelalter ein Gerichtsplatz, der zu dem hier vor der Stadt liegenden Dorf Aspethera gehörte." Aspethera wurde infolge des Baus der Stadtmauer ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in die Stadt Paderborn eingemeindet. In einer Urkunde des Jahres 1265 wird ein Ritter Ludovicus Bulemast genannt, der in Aspethera die Gerichtsbarkeit innehatte.

Die Mauern des alten Vogteigebäudes sind laut LWL nicht die einzigen steinernen Zeugen der Machtverhältnisse in der mittelalterlichen Stadt auf dem Grundstück. Auch die Grenzmauer der Domimmunität fanden die Archäologen schon. "Es ist selten, dass so viele Elemente der Stadtentstehung auf einer Grabung zusammenfallen. Der Gerichtssitz der Tigge ist ein Kern der städtischen Selbstverwaltung. Die Domimmunitätsmauer grenzt den Rechtsbereich der bischöflichen Verwaltung dagegen ab", so Grabungsleiter Ralf Mahytka.

Die Straßenarchitektur ist äußerst aufschlussreich

Die großen Kalksteine und die Breite des Fundaments von fast zwei Metern sprechen dafür, dass sich hier eine mächtige Grenzmauer befand, die das Areal der Domimmunität abriegelte. Die Lage dieser Mauer und der lockere Boden an der Außenseite lassen annehmen, dass vor der Mauer ein Graben verlief. Die Mauer wurde zeitweise sogar durch eine Palisade ergänzt, fanden die Forscher heraus.

Ein besonderes Zeugnis der Straßenarchitektur seien mehrere übereinanderliegende Schichten von Wegepflastern, die die Ausgräber zwischen Domimmunitätsmauer und Tigge entdeckt haben. Nur an wenigen Stellen in Paderborn hätten sich historische Pflaster so vollständig erhalten. Besonders interessant war ein Straßenpflaster aus dem 17. Jahrhundert, das auf der Seite der Domimmunität durch rötliche Flusskiesel farblich und im Material von dem Pflaster des städtischen Bereichs abgesetzt war. "Die Straße war hier wahrscheinlich zwischen weltlicher und kirchlicher Verwaltung aufgeteilt, das war auch im Straßenbild sichtbar", vermutet Otte.