Paderborn

Überraschender archäologischer Fund im Paderborner Ükernviertel

Die Domburg war größer als bislang angenommen. Für die Wissenschaftler des Landschaftsverbands wirft die Entdeckung mittelalterlicher Mauern neue Fragen auf.

Im Vordergrund sind die Grundmauern eines frühneuzeitlichen Stadthauses und die Terrassenmauer des ehemaligen Brenkenhofs zu sehen. | © Eggenstein Exca/ R. Gündchen

18.12.2019 | 18.12.2019, 07:00

Paderborn. Manchmal widerlegen auch kleine Grabungen bestehende Forschungsmeinungen: In Paderborn fanden Archäologen einer Fachfirma in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) unter einem barocken Hauskeller an der Heiersstraße 15 einen Mauerabschnitt, der die bisherigen Ansichten über die Mauer der Domburg in Frage stellt.

Sveva Gai (Stadtarchäologie Paderborn, LWL-Archäologie), Ralf Mahytka (Eggenstein Exca) und Till Lodemann (Stadtarchäologie Paderborn, LWL-Archäologie) präsentieren den Befund der Immunitätsmauer. - © LWL/ Christian Gobbers
Sveva Gai (Stadtarchäologie Paderborn, LWL-Archäologie), Ralf Mahytka (Eggenstein Exca) und Till Lodemann (Stadtarchäologie Paderborn, LWL-Archäologie) präsentieren den Befund der Immunitätsmauer. | © LWL/ Christian Gobbers

Wie der LWL mitteilt, wurden im Zuge der Ausschachtungsarbeiten für ein neues IT-Gebäude, das hier vom Erzbistum Paderborn gebaut wird, die Reste einer mächtigen, zwei Meter dicken Mauer gefunden. Von ihr sei nur noch das Fundament mit der untersten Steinlage erhalten. Die Mauer bestehe aus vermörtelten Kalkbruchsteinen und sei direkt auf den Kalksteinuntergrund gebaut. „Die Grundmauer wird von Schichten aus dem 12. Jahrhundert überlagert", erklärte Grabungsleiter Ralf Mahytka. „Das heißt, das Mauerstück ist mindestens in diese Zeit, vielleicht auch früher zu datieren."

Über eine Länge von mehr als 10 Metern zieht sich die Mauer – von der Tiefgarage des Konrad-Martin-Hauses gekappt – quer über die gesamte Grabungsfläche. Der östliche Verlauf kam erst zutage, als die Wissenschaftler eine schmalere, jüngere Mauer näher untersuchten. „Diese neuzeitliche Mauer verläuft exakt in derselben Flucht, wie die der Domburg", sagte Mahytka. „Das hat uns aufmerksam werden lassen." Tatsächlich lag unterhalb dieser jüngeren Mauer auch die breite Domburgbefestigung aus dem 12 Jahrhundert. „Die Menschen haben die Domburg als Fundament wiederverwendet, das sparte Baumaterial."

Entdeckung wirft Fragen auf

„Die Entdeckung kommt für uns sehr überraschend und wirft neue Fragen auf", sagte LWL-Stadtarchäologin Sveva Gai. Bisher sei die Wissenschaft davon ausgegangen, dass die Mauer der Domimmunität weiter südlich verlief. Die Lage der Mauer wurde größtenteils anhand von punktuellen Grabungen aus dem 1950er und -70er Jahren rekonstruiert. Die damals entdeckten Mauerabschnitte stammten aus der Karolingerzeit, also dem 9. Jahrhundert. „Bislang hatten wir angenommen, dass das Areal der Domimmunität sich auch im 11. Jahrhundert nicht verändert. Doch möglicherweise gab es zu dieser Zeit eine Verlagerung."

Die Domimmunität bezeichnet den Grund um den Bischofssitz, also den Dom. Dieser Bereich unterstand nicht der städtischen Gerichtsbarkeit, sondern unterlag der weltlichen Herrschaft des Bischofs. In der Regel war die Domimmunität mit einer Mauer umgeben, daher auch die Bezeichnung Domburg.

Generalvikariat unterstützt Grabungen

Die Ausgrabung begann nach dem Abriss des alten, nachkriegszeitlichen Gebäudes, das in Paderborn als Caritas-Kleiderkammer bekannt war. Das Haus war nicht vollständig unterkellert, sodass ein Teil des Erdreichs bis dahin unangetastet war. In diesem Bereich stießen die Forscher auf den Keller eines Hauses aus dem 16. Jahrhundert. Ein Teil des Kellers erstreckte sich unter der Heiersstraße, die nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitert wurde. Erhalten waren nur die umgebenden Mauern ohne das darüber liegende Kellergewölbe. Laut Presseinformation gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Keller des 16. Jahrhundert auf älteren Fundamenten ruhe, deren Datierung noch unklar sei.

An dieser Stelle stand die sogenannte Tigge, ein 1527 erbautes Gebäude, das ursprünglich als Gerichtsstätte diente. Aus einer Zeichnung aus dem Jahre 1841 gehe hervor, dass es sich um einen schmalen Fachwerkbau handelte, der im ersten Obergeschoss mit Wappendarstellungen verziert war. Anhand von alten Stadtrechnungen, die Ausgaben und Einnahmen Paderborns auflisten und im Stadtarchiv liegen, lässt sich die Besitzerfolge ab 1610 nachvollziehen. Die Inhaber mussten einen besonderen Zins an die Stadt zahlen, das Pensionalgeld.

Wie Gai in der Pressemitteilung betont, unterstütze das Generalvikariat die notwendigen Arbeiten. Die Mauer wird unter dem Betonfundament eingeschlossen. So bleibt sie, zusätzlich zu Fotos, Zeichnungen und einem digitalen 3-D-Modell, unter der Erde für zukünftige Generationen erhalten.