Kritik der Landwirte

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Vorwurf: Die Regierung will Arten schützen und erreicht das Gegenteil

Das "Aktionsprogramm Insektenschutz" wurde am 4. September verabschiedet. Landwirte sehen den Betrieb ihrer Höfe in Gefahr und sprechen von negativen Auswirkungen auf den Artenschutz.

Auf dem Blühstreifen im Kreis Herford fliegen wie diese Hummel zahlreiche Insekten zwischen den Blumen. | © Lena Kley

Jemima Wittig
01.10.2019 | 01.10.2019, 16:35
Sprechen über das Agrarpaket: Kreisverbandsvorsitzender Josef Lehmenkühler (v. l.), Ministerpräsident Armin Laschet, Bezirksvorsitzender Hubertus Beringmeier (Kreisverbandsvorsitzender Paderborn) und Heinrich Frieling MdL. - © WLV
Sprechen über das Agrarpaket: Kreisverbandsvorsitzender Josef Lehmenkühler (v. l.), Ministerpräsident Armin Laschet, Bezirksvorsitzender Hubertus Beringmeier (Kreisverbandsvorsitzender Paderborn) und Heinrich Frieling MdL. | © WLV

Paderborn. Das Aus für heimische Bauernfamilien prophezeien sie und fordern darum den Stopp des Agrarpakets der Bundesregierung. Hubertus Beringmeier, Bezirksvorsitzender Ostwestfalen-Lippe sowie Kreisverbandsvorsitzender Paderborn, übergab daher am Samstag zusammen mit Josef Lehmkühler, dem Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest, Ministerpräsident Armin Laschet einen Brandbrief. „Wenn die Politik unsere bäuerlichen Familienbetriebe erhalten will, muss das Agrarpaket dringend auf den Prüfstand", so Beringmeier.

Die Maßnahmen des Aktionsprogramms:

Das „Aktionsprogramm Insektenschutz" wurde am 4. September von den Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundesumweltminsterin Svenja Schulze verabschiedet. Ziel ist die Bekämpfung des Insektensterbens. Dafür sollen in neun Handlungsbereichen Maßnahmen umgesetzt werden.

Dazu zählen etwa die Eindämmung von künstlichem Licht, die Reduzierung von Pestiziden, ein Verbot des besonders umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat bis Ende 2023 und die Wiederherstellung von Insektenlebensräumen. 100 Millionen Euro sollen dafür jährlich zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

Zwangsumstellung auf Biolandwirtschaft?

Beringmeier kritisiert vor allem das Verbot von Herbiziden, das etwa in Naturschutzgebieten gelten soll. „Die Kulturen müssen unkrautfrei zu bekommen sein", sagt er. Gegen Wildkräuter, die das Wachstum etwa von Getreiden und Mais behindern, würden bislang Herbizide eingesetzt.

Die einzige Alternative sei es, das Feld mechanisch zu hacken. Das sei aber zeitaufwendiger, teurer und würde CO2 ausstoßen. „Wir Landwirte wären gezwungen, die Fruchtfolge zu verengen, da uns die Möglichkeiten genommen werden, verschiedene Früchte gesund zu erhalten." Für viele Landwirte sei es so schwieriger, zu wirtschaften. „Es wäre eine Zwangsumstellung auf Biolandwirtschaft", so der Landwirt.

Die Maschine, mit der mechanisch das Unkraut bekämpft werde, würde zudem die Gelege von Vögeln zerstören. „Die Erfolge, die wir in den letzten Jahren im Vogelschutz durch freiwillige Maßnahmen erzielt haben, würden zunichtegemacht", so Beringmeier.

In der Soester Börde etwa beobachte er wieder vermehrt Feldvögel wie den Kiebitz. „Es gibt gute Kooperationen etwa zwischen der Biologischen Station und der Kreisverwaltung, warum etwas Bestehendes, was gut läuft, kaputtmachen?", fragt er. So seien etwa Blühstreifen und Lerchenfenster angelegt und einige Flächen komplett stillgelegt worden.

Vorgaben wie die im Agrarpaket seien naheliegend, aber nicht weit genug gedacht, sagt Karsten Otte, Besitzer des Obsthofs Otte in Hiddenhausen. "Die Intensität, mit der derzeit verschiedene Mittel eingesetzt werden, lässt der Natur keine Chance, so sterben immer mehr Arten aus." Daher müsse eine Agrarwende mit einer gesünderen Struktur für Natur und Mensch und besserem Miteinander her. "Diese Wende muss weg vom brutalen Produktionszwang, sodass wir nachhaltiger arbeiten und von der Arbeit leben können." Darum müsse es von Seiten der Regierung konkrete und lebbare Vorgaben für die Landwirtschaft geben.

Landwirte sprechen von negativen Auswirkungen auf ihre Arbeit und den Artenschutz

„Das neue Paket ist schlecht für den Artenschutz und in letzter Konsequenz auch für den Landwirt", schlussfolgert Beringmeier. Etwa zehn Minuten habe er sich mit Laschet bei dem NRW-Tag der Jungen Union darüber unterhalten. Der Ministerpräsident habe versprochen, das Thema mit seiner NRW-Landwirtschaftsministerin anzusprechen. Er sei der Meinung gewesen, dass dort, wo die Kooperation funktioniere kein Ordnungsrecht greifen müsse.

Schon in der vergangenen Woche hatte auch der Deutsche Bauernverband eine grundlegende Überarbeitung der Pläne gefordert. Diese führten ersten Schätzungen zufolge dazu, dass die Landwirtschaft auf mehr als 2,3 Millionen Hektar nur noch „mit erheblichen Einschränkungen" betrieben werden könne, warnte Verbands-Präsident Joachim Rukwied am Donnerstag. Es habe bei den Plänen keinerlei Rücksprachen mit den Landwirten gegeben.

Auch die Naturschutzorganisation BUND kritisierte, das Insekten-Aktionsprogramm reiche nicht aus, um die notwendige Trendumkehr einzuleiten. „Das Programm ist bei der Ausgestaltung der Maßnahmen, der Zielsetzung und Zeitvorgaben wie beim finanziellen Rahmen zu unkonkret."