Kritik: "Warum schweigt die Paderborner Elite zum Tönnies-Auftritt?"

Paderborn. Bundesweit hohe Wellen geschlagen hat ein Bericht der Neuen Westfälischen über eine Passage aus der Rede von Clemens Tönnies zum "Tag des Handwerks" in der Liboriwoche. Darin hatte sich der Fleisch-Unternehmer und FC-Schalke-04-Aufsichtsratsratsvorsitzende Clemens Tönnies in Stammtisch-Manier über das "Produzieren" von Kindern in Afrika ausgelassen. Zwar entschuldigte sich Tönnies schon am Morgen danach - dennoch bleibt die Empörung über seine Sicht auf "die Afrikaner" groß. Öffentlich freiwillig zu Wort meldete sich in Paderborn jedoch bisher niemand aus dem durchaus prominenten Zuhörer-Kreis der Veranstaltung. Das kritisiert jetzt Verani Kartum als Mitglied im Paderborner Integrationsrat und der Paderborner Integrationsoffensive (PIO). "Was machen unsere Paderborner Vertreter von Kirche, Politik, Verwaltung und besonders die Handwerkskammer Paderborn-Lippe? Sie schweigen allesamt und tun so, als ob nichts passiert wäre", empört er sich in einer Pressemitteilung. Durch dessen Auftritt habe Libori 2019 "riesigen Schaden genommen". Kartum: "So wurde auch unsere Stadt mit unserem Volksfest aus Kirche und Kultur in eine ausländerfeindliche Kirmesbühne verwandelt." "Auch der SC Paderborn sollte Stellung beziehen" Viele Handwerksbetriebe könnten ohne Auszubildende mit Migrationshintergrund ihren Betrieb schon nicht mehr aufrecht erhalten, so Kartum. Und auch viele Menschen aus Afrika arbeiteten in deutschen Handwerksbetrieben und auch in Schlachthöfen, insbesondere bei Tönnies. Von diesem Beschäftigungsverhältnis würden beide Seiten profitieren. Kartum: "Wir fordern von den Paderborner Verantwortlichen und Politikern ein klares Bekenntnis für eine vielfältige Stadt und für eine Willkommenskultur in den Handwerksbetrieben. Es ist höchste Zeit, dass sich Paderborn öffentlich zur Integration von Migranten bekennt und Stellung nimmt, dass solche Reden bei uns nicht willkommen sind. Auch der SC Paderborn mit seinen vielen ausländischen Spielern sollte hier klar Stellung beziehen, schließlich kommen Schalke und Tönnies bald in ihr Stadion." "Eine ganz klare rassistische Aussage" Vom Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, Peter Gödde, erwarte die Paderborner Integrationsoffensive "mehr Mut, eine ganz klare rassistische Aussage im Nachhinein zu kommentieren und zu verurteilen", so Kartum. Ansonsten habe man den Verdacht, dass Sympathien für die Aussagen existieren und diese durch Nichtstun bestätigt würden. Kartum: "So kann man Paderborn nicht als weltoffene Handwerkerstadt vertreten. Hier erwarte ich ein klares Zeichen und Distanzierung von der Kreishandwerkerschaft Paderborn." Gödde hatte es gegenüber der NW als Gastgeber der Veranstaltung abgelehnt, die Rede von Tönnies zu kommentieren, jedoch von einer "unglücklichen Zuspitzung" seiner Formulierun gesprochen. Kartum: "Paderborn darf nicht mehr schweigen und muss über Rassimus, Diskriminierung und Antisemitismus öffentlich diskutieren. Nächstes Jahr sind die Kommunalwahlen, die rechtspopulistische AFD legt immer mehr an Wählerstimmen zu." Empörung auf der linken Seite des politischen Spektrums Auch die Partei Die Linke kritisiert die Kreishandwerkerschaft. "Sollten die auf dem Tag des Handwerks diskriminierenden Aussagen über Menschen aus Afrika unwidersprochen bleiben, muss sie sich fragen lassen: Sind rassistische Äußerungen jetzt akzeptierte Positionen in der Kreishandwerkerschaft?" empört sich Kreissprecherin Alina Wolf. &bdquo;Wir sind entsetzt, dass Clemens Tönnies offiziell unwidersprochen auf dem Tag des Handwerks rassistische Äußerungen unter Beifall des Publikums äußern konnte. Die Stellungnahme der Kreishandwerkerschaft ist an Undeutlichkeit kaum zu überbieten. Weder handelt es sich bei den Aussagen um eine bloße Zuspitzung, noch ist das selbstauferlegte Kommentierungsverbot für uns eine ausreichenden Rechtfertigung, sich nicht zu positionieren. Eine Distanzierung halten wir trotz des Rückziehers von Herrn Tönnies für dringend notwendig," sagt Kreissprecher Mehmt Ali Yesil. Unternehmerverbände sollten "klare Kante" zeigen Die Kreishandwerkerschaft sei eine öffentlich-rechtliche Einrichtung. Damit unterliege sie dem Gebot der Verfassung zur Achtung der Menschenwürde und dem Diskriminierungsverbot, das auch für die Herkunft gelte. Außerdem verstehe sich die Kreishandwerkerschaft in öffentlichen Äußerungen nicht nur als Vetreter der Betriebsinhaber sondern auch der Beschäftigten. Darunter seien Meister mit Migrationshintergrund und Kollegen, die aus einem afrikanischen Land zugewandert sind. "Angesichts des Erstarkens von nationalistischen und rassistischen Haltungen in Deutschland, die zunehmend Menschen in ihrem Leben gefährden, ist es auch die Verantwortung der Unternehmerverbände, hier klare Kante zu zeigen", ergänzt Jörg Schroeder, Mitglied im Kreisvorstand.

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