Paderborn. Viele Städte haben wie Paderborn ihre Wurzeln im Mittelalter. Doch zahlreiche mittelalterliche Siedlungen waren nicht von Dauer und wurden von ihren Bewohnern wieder verlassen. Zwei solcher Orte haben Archäologen in den vergangenen drei Jahren im Osten Paderborns ausgegraben. Das Museum in der Kaiserpfalz widmet sich in einer Sonderausstellung diesen ehemaligen Wohnorten und präsentiert bis zum 1. Dezember die bedeutendsten Funde und Grabungsergebnisse, wie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe mitteilt.
Die Sonderausstellung „Lost Places – vergessene Siedlungen im Paderborner Osten" zeigt die Lebenswelt der Menschen, die früher vor den Toren der Stadt gelebt haben: auf dem Gelände des heutigen Windparks Benhausen Süd und des neuen Stadtquartiers Springbach Höfe. Verlassen und von Erde verdeckt waren die einstigen Wohn-und Arbeitsstätten – bis die Archäologen vor der Neubebauung den Spaten ansetzten.
Funde erzählen vom Leben vor rund 1.000 Jahren
Immer wieder haben Bewohner in der Vergangenheit ihre Siedlungen und Höfe aufgegeben. Solche „Lost Places" nennen die Wissenschaftler Wüstungen. „Gründe für das Verlassen der kleinen Siedlungen gab es viele: Krieg und Plünderung, wirtschaftliche Krisen, ungünstige Klimaveränderungen oder die Anziehungskraft einer neuen Stadt, die Sicherheit, Freiheit, Arbeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit verhießen", erläuterte Museumsleiter Martin Kroker. Gemeinsam mit der Stadtarchäologie Paderborn zeigt das LWL-Museum in der Kaiserpfalz eine Auswahl von über 100 Funden, die vom Leben der Menschen vor rund 1.000 Jahren erzählen.
Von 2017 bis 2018 fand die bislang größte Ausgrabung Paderborns statt. Auf der rund 15 Fußballfelder großen Fläche der Springbach Höfe haben drei archäologische Fachfirmen mittelalterliche Hofstellen aus dem 9. bis 12. Jahrhundert entdeckt. Das Baumaterial der Wohn- und Stallgebäude ist zwar längst vergangen, aber die Spuren der Gruben und Pfosten geben Aufschluss über die Wohnsituation der Menschen. Teilweise waren ihre Häuser sogar mit Kellern aus Stein erbaut.
"Bewohner waren uns ähnlicher, als wir denken"
„Häufig sind es die kleinen Funde in diesen Häusern, die deutlich machen, dass uns die damaligen Bewohner ähnlicher sind, als wir denken", sagte Archäologin Sveva Gai. „Häufig finden wir zum Beispiel Schlüssel, die auf das Sicherheitsbedürfnis der Menschen schließen lassen." Andere Exponate wie ein Kamm und Schmuckstücke zeigen, dass ein gepflegtes Äußeres auch im Mittelalter schon eine gesellschaftliche Bedeutung hatte.
Neben Hygiene und Wohnen liegt ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung auf dem Thema Verkehr und Handel. Teile eines prunkvoll mit Silber und Gold verzierten Pferdegeschirrs zeugen von großem Wohlstand. Für die Siedlung am Hellweg spielte Mobilität eine große Rolle. Der Kaiser und seine Heer- und Gefolgsleute, aber auch Händler und Handwerker, zogen auf dieser Fernstraße von einem Ort zum anderen.
Siedlungsspuren aus der Jungsteinzeit
Die Springbach Höfe hielten für die Archäologen aber noch mehr bereit: Die Ausgräber stießen sogar auf Siedlungsspuren und Werkzeuge aus der Jungsteinzeit vor über 6.000 Jahren. Die Siedlung auf dem Gelände des Windparks Benhausen Süd stellte sich dagegen als mittelalterliches Gewerbegebiet heraus. In den Jahren 2016 und 2017 entdeckten die Ausgräber eine Siedlung mit zahlreichen Grubenhäusern, die als Werkstätten dienten. „Ringsum lagen die Reste zahlreicher Verhüttungsöfen, Feuerstellen und eine Menge Schlacke. Diese Funde zeigen, dass hier in großem Umfang Eisen verarbeitet wurde", so Gai.
Wie im frühen Mittelalter Eisen gewonnen wurde, zeigt ein dreitägiges Experiment vom 9. bis 11. August. Hinter der Kaiserpfalz baut und befeuert das Team vom Sachsenhof Greven einen originalgetreuen Rennofen. Das Experiment startet am Freitagnachmittag, 9. August, ab 15 Uhr mit dem Bau des Ofens, der sich Samstag fortsetzt. Danach wird das Eisenerz über dem Feuer geröstet, damit es am Sonntag ab 7 Uhr im Ofen unter starker Luftzufuhr verhüttet werden kann.
Besucher können tatkräftig mitwirken
Ab dem späten Sonntagnachmittag ist das Eisen gewonnen und zum Vorschmieden bereit. Besucher sind eingeladen, tatkräftig mitzuwirken. Für Fragen, Erklärungen und Gespräche stehen die Fachleute Tag und Nacht bereit.
Die Besichtigung Sonderausstellung „Lost Places" ist im normalen Eintrittspreis von 4,50 Euro für Erwachsene (ermäßigt 2,50 Euro) enthalten. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt.