Drogen-Plantage in Lichtenau: "Wunderwerk der Botanik" sollte für große Gewinne sorgen

Lichtenau-Atteln. Dass in der großen Halle einer ehemaligen Attelner Tischlerei eifrig gesägt und gezimmert wurde, ist schon geraume Zeit her. Trotzdem waren dort im Herbst und Winter vergangenen Jahres Profis am Werk, aber nicht auf dem Sektor der Holzverarbeitung, sondern vielmehr im Bereich des Pflanzenanbaus. Fast 2.000 Cannabissetzlinge wuchsen und gediehen dort prächtig, dank der besten Bedingungen, die ihnen geboten wurden. Von einem &bdquo;Wunderwerk der Botanik“ sprach ein erfahrener Drogenfahnder jetzt vor der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Paderborn. Dort muss sich, wie berichtet, Andy G. (Name geändert) für das kriminelle Gewerbe verantworten. Das Herz des illegalen Unternehmens wird er wohl nicht gewesen sein, sondern eher das ganz kleine Licht, der Handlanger, der als einziger ins Netz der Fahnder geht und im Gegensatz zu den Großdealern empfindlich bestraft wird. Das Staunen war beträchtlich, als sich Polizeibeamte am 13. Januar Zutritt zu der großen Gewerbehalle verschafften. Attelner Bürger hatten eine verdächtige Geruchsglocke über dem Gelände wahrgenommen, ebenso ein eigens ausgerückter Polizeibeamter. Auf den ersten Blick wirkte das Innere der Halle harmlos, vielleicht abgesehen von den zugemauerten Fenstern. In Hochregalen lagerten jede Menge Lampe, Ventilatoren und Ähnliches. Ein Schreibtisch samt Computer sah nach reger Tätigkeit aus, während in einer anderen Ecke eine Tischtennisplatte, ein Sofa und ein Fernseher Zerstreuung versprachen. Drei Ernte im Jahr wären möglich gewesen Ganz anders aber präsentierte sich der Keller. Dort wummerte ein Generator, für den in mehreren großen Tanks Sprit bereitgehalten wurden. An den Wänden glänzte isolierende Folie, stattliche Geräte sorgten für Frischluft. Über 90 Hochleistungslampen mit jeweils satten 600 Watt Leistung schufen Helligkeit. Unter ihnen wucherten fast 2.000 Marihuana-Pflanzen, deren individueller Wasserbedarf von einer eigens installierten Anlage befriedigt wurde. Die Ausstattung liege weit über dem Durchschnitt, bilanzierten die Experten vom Landeskriminalamt. Sie errechneten auf der Grundlage der Pflanzen, die im Januar von den Drogenfahndern geerntet und dann von Fachleuten untersucht worden waren, dass in Atteln pro Jahr drei Ernten möglich gewesen wären, die insgesamt rund 235 Kilogramm Marihuana hätten erbringen können. Beim Handel mit großen Mengen würden rund 4.000 Euro pro Kilo gezahlt, wissen die Experten um gewaltige Erträge des Cannabisanbaus. Dass sich ein so großer Erfolg einstellen könnte, lag letztlich in der Verantwortung von Andy G. Denn der gelernte Nachrichten- und Datentechniker war dafür zuständig, dass im Keller der Halle, in der er vergeblich versucht hatte, einen schwunghaften Teilehandel für den Oldtimermarkt zu betreiben, alles rund lief. Polizist wird beim Schützenfest auf Marihuana-Geruch aufmerksam gemacht So musste der 48-Jährige mit den Apparaturen für die optimale Temperatur und Luftfeuchtigkeit sorgen, alle Werte genau dokumentieren, aber auch Reparaturen an den eingesetzten Geräten durchführen. Zuvor habe er schriftlich alle notwendigen Informationen erhalten, sogar zwei Bücher habe er bekommen, erzählt Andy G. Einmal in der Woche sei jemand erschienen, um ihn zu kontrollieren. Im Herbst sei es losgegangen mit dem Anbau des Rauschmittels, beteuert er immer wieder. Die Ermittler indes halten es für möglich, dass die Plantage nicht erst ab Herbst 2022 betrieben wurde. Denn der ein oder Attelner hatte bereits auf dem Schützenfest im Sommer einem Polizeibeamten, der an den Feierlichkeiten teilnahm, erzählt, dass es auf dem Gelände der ehemaligen Tischlerei möglicherweise nicht mit rechten Dingen zugehe. Da war auch die Rede von Marihuana-Geruch, den feine Nasen wahrgenommen haben wollten. Klar, dass der Beamte die Gerüchte nicht für sich behielt, sondern nach dem Schützenfest Vermerke verfasste und erste Ermittlungen in Gang setzte. Doch die verliefen im Sande, weil die Einsätze einer Wärmebildkamera und eines Drogenspürhundes keinerlei Erkenntnisse lieferten. Dann sind da noch der Generator, dessen Betriebsstunden nach Ansicht der Fahnder auf einen längeren Einsatz hinwiesen, als Andy G. bislang zugegeben hat, aber vor allem die gewaltigen Stromkosten in Höhe von mehr als 1.000 Euro, die der Angeklagte von Beginn des Mietverhältnisses an monatlich zu berappen hatte. Das sei dem Trafohäuschen geschuldet, das zu dem Gelände gehöre, beteuert aber der 49-Jährige und berichtet von langen Auseinandersetzungen zwischen ihm und einem großen Energiekonzern. Wie es um diesen Sachverhalt bestellt ist, kann am nächsten Verhandlungstag (Montag, 14. August) möglicherweise der Eigentümer des Geländes klären. Dass das für sie letztlich eine nur marginale Rolle spielt, daraus machen die Richter unter dem Vorsitz von Anne Zacharias kein Geheimnis. Sie erteilen schon mal den Hinweis, dass sich Andy G. möglicherweise nur der Beihilfe zum Handel mit sowie des Besitzes von Drogen schuldig gemacht haben könnte.

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