Kneipensterben: Von London nach Lichtenau für die Dorfkneipe

Lichtenau-Kleinenberg. Immer aufgeschlossen – so kann man die Einstellung von Matt und Stephanie Walter umschreiben, denn wer den Weg von London nach Kleinenberg gefunden hat und dort eine Gaststätte übernimmt, der muss eine große Portion Neugier und Offensein für Neues in sich haben. Das Paar hat vor fünf Jahren die Traditionsgaststätte Engemann übernommen und zeigt, dass man mit einer guten Idee, Fachkenntnissen und viel Engagement auch auf dem Land erfolgreich Gastronomie betreiben kann. Der Lebensweg der Walters ist alles andere als gradlinig und vorhersehbar. Getroffen haben sich die beiden in Cambridge während des Studiums. Matt Walter studierte Kriminalpsychologie und Stephanie Walter Englisch. Der geborene Kanadier war für seinen Masterabschluss nach England gekommen und traf dort die Willingerin, deren Eltern eine große Gaststätte in der Partyhochburg im Sauerland hatten. Die Gastronomie lag also bei ihr in der Familie. Und Matt Walter hatte sie im Blut, denn der leidenschaftliche Koch hegte schon immer den Wunsch, sein Hobby zum Beruf zu machen. &bdquo;Wir hatten beide super Jobs in London. Matt arbeitete für eine große Kaufhauskette im Bereich Marketing und ich war Generalmanagerin bei BridgeStreet", sagt Stephanie Walter. BridgeStreet gehört zu den weltweit führenden Ketten, die Apartments im gehobenen Bereich an Geschäftsleute wie Hotelzimmer vermieten. &bdquo;Aber irgendwann haben wir gemerkt, dass wir so nicht mehr leben wollten. Wir gingen morgens aus dem Haus und kamen spät abends wieder, wenn unser Tochter schon schlief. Zwar haben uns meine Eltern in London unterstützt, da sie zu uns gezogen sind, aber wir wollten etwas von unserer Familie haben. Dann ist die Idee entstanden, dass wir uns selbstständig machen", erklärt Stephanie Walter weiter. Von Superjobs in England zur Selbstständigkeit Dass ihr Mann in dieser Zeit von Jamie Oliver, einer der bekanntesten britischen Fernsehköche, unterstützt wurde, ist hierbei ein nicht unwesentlicher Aspekt gewesen. &bdquo;Jamie hatte in meiner Firma eine Showküche für Marketingzwecke. Dort haben wir uns kennengelernt und waren gleich auf einer Wellenlänge. Er hat mir sozusagen Privatunterricht gegeben und mich darin bestärkt, Koch zu werden", erzählt Matt Walter. Die Vorliebe für Burger, für welche &bdquo;Engemann bei Matt" nun seit 2014 in der Umgebung berühmt ist, hat mit Jamie Oliver aber nichts zu tun. &bdquo;Wir hatten Lust, einen Burger auf die Karte zu nehmen. Wir haben die gesamte Karte auf den Kopf gestellt und viel Neues hineingebracht. Dass die Burger so gut ankommen, damit haben wir gar nicht gerechnet", sagt Stephanie Walter. Der Gasthof hat nun drei Sterne Und nicht nur die Karte haben die beiden auf den Kopf gestellt. Insgesamt vier Jahre haben sie den ganzen Betrieb renoviert und saniert. Mittlerweile hat der Gasthof drei Sterne und ist auch im Übernachtungsbereich gut ausgelastet. Neben Monteuren sind es Pilger die zur Marienkapelle pilgern, Wanderer und seit neuestem E-Biker, die die Übernachtungsmöglichkeit im Ortskern von Kleinenberg schätzen. Dass der Name Engemann geblieben ist, liegt an der langen Tradition. Seit 1913 gibt es die Kneipe und noch heute nennt sie jeder so. &bdquo;Wir haben uns entschieden, den Namen zu behalten und um bei Matt zu ergänzen. Dieses hat auch den einstigen Besitzer Manfred Hibbeln gefreut", erzählt Stephanie Walter. Ihren ersten Besuch bei Engemann haben sie inkognito gemacht. Durch den Hinweis eines Brauereivertreters, der wusste, dass sie ein solches Objekt suchen, sind beide einfach zum Essen gekommen und hatten vom ersten Moment ein gutes Gefühl, so dass die Entscheidung dann leicht viel. Nie müde, etwas Neues auszuprobieren Mittlerweile ist aus der ehemaligen Kneipe ein Speiselokal geworden. Die insgesamt vier Säle sind renoviert und werden gut angenommen. Geblieben ist aber zum Beispiel die Bühne im größten Saal. &bdquo;Hier findet jedes Jahr Weiberfastnacht mit Programm statt. Die Stimmung ist da immer super", sagt die neue Inhaberin. Sie, ihr Mann und die beiden Mädchen im Alter von sechs und acht Jahren sind in Kleinenberg angekommen und werden nicht müde Neues auszuprobieren. Derzeit finden wechselnde Themenabende statt, wie etwa das Burgerbüffet oder Hähnchen zum Mitnehmen. &bdquo;Wenn mal etwas nicht funktioniert, dann ist das so. Wir können einen Schlag vertragen. Wir machen uns nicht ständig Gedanken darüber, was kommt", sagt sie und das ist die Quintessenz dieses Versuchs. Von der Millionen-Metropole London und Jobs im höheren Gehaltsbereich nach Kleinenberg mit knapp 1.300 Einwohnern und in die Selbstständigkeit zu gehen, ist eine Hausnummer. Aber mit Mut zu eigenen Ideen und einer fundierten Ausbildung in der Gastronomie haben es Matt und Stephanie Walter geschafft, Engemann attraktiv für alle Generationen zu halten. Sei es beim Fußball gucken oder beim Frühschoppen am Sonntagmorgen – denn den gibt es in Kleinenberg noch.

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