Heinz Stücke: Hövelhofer Weltenbummler wird zum Netflix-Star

Hövelhof. Er war in allen Ländern der Erde – und jetzt ist er auch noch auf Netflix. Der Streamingdienst zeigt mit &bdquo;The man who wanted to see it all“ eine Dokumentation über das unglaubliche Leben des Weltrekord-Reisenden Heinz Stücke aus Hövelhof. Seit 2014 ist er zurück in seiner Heimat, die er zuvor 52 Jahre lang gemieden hatte. Stücke war ab 1962 einfach weg. Unterwegs mit dem Fahrrad, das er bepackte und sich aus der Senne verabschiedete. 650.000 Kilometer hat er gestrampelt. Von 1995 bis 1999 stand Stücke als &bdquo;meistgereister Mann der Geschichte“ im Guinness Buch der Rekorde. Was ihn antrieb, was er erlebte, was er vermisste und wen er traf – vieles zeigt der Film, mit dem treffenden Titel &bdquo;Der Mann, der alles sehen wollte“. Die 90-minütige Kino-Dokumentation stammt dabei nicht von einem lokalen Filmemacher, ist kein Projekt des Westdeutschen Rundfunks. Wie es sich für Stücke gehört, entstand eine internationale Produktion. "Er hat mich fasziniert" Vater des Vorhabens ist Regisseur Albert Albacete (55) aus Barcelona. &bdquo;Ich habe Heinz vor 30 Jahren hier in der Stadt kennengelernt“, sagt er beim Anruf der &bdquo;NW“. &bdquo;Er hat damals Heftchen über seine Touren verkauft. Viele Weltreisende gab es ja nicht. Er hat mich fasziniert. Ich habe ihn eingeladen und wir sind seitdem Freunde geblieben.“ Vor sieben Jahren fragte Stücke den Filmemacher, ob er nicht auch über ihn eine Doku drehen wolle. Einig waren sich beide, dass es genug zu erzählen gibt, die Umsetzung brauchte aber langen Atem. &bdquo;Wir begannen mit einem Budget von 150.000 Euro“, erinnert sich Albacete, der auch Film-Professor an der International University of Catalonia und an der internationalen Filmhochschule ECIB in Barcelona ist. Auf halber Strecke ging das Geld aus. Albacete wollte aber weitermachen. Er plante, Weggefährten Stückes zu treffen, die dieser zu seiner weltweiten Familie zählt. Dafür musste der Regisseur nach Japan, Hong Kong und London. &bdquo;Ich habe Geldgeber gefunden und 20.000 Euro über Crowdfunding aufgebracht“, berichtet der Spanier. Lizenzen verkaufte er nach Polen, Spanien und Großbritannien. Beim WDR, so sagt ein Sprecher heute, sei wohl kein konkretes Angebot für eine Co-Finanzierung eingegangen. Albacete erinnert sich an ergebnislose Gespräche mit WDR-Leuten. Beim Crowdfunding haben dann auch manche Hövelhofer bezahlt, einige örtliche Namen sind im Film-Abspann zu lesen. Hövelhofer Szenen im Netflix-Film Für Aufnahmen mit Stücke kam Albacete dreimal jeweils vier Tage lang nach Hövelhof. Mehrfach sind Aufnahmen der Sennegemeinde zu sehen – Kirche, Jagdschloss, Bäckerei Jüde, Natur. Die meiste Zeit verbrachten die Männer für den Dreh aber in Stückes Kommandozentrale. So nennt der sesshaft gewordene Nomade seine Wohnung, die ihm die Gemeinde im Ortskern zur Verfügung stellt. Sie ist gefüllt mit 100.000 Fotos und Dias aus 196 Ländern und 86 Territorien. Fahrräder, Ersatzteile, Fundstücke – Heinz Stücke sortiert hier sein Leben, und er beschriftet alles. Wie er in und mit seinen Erinnerungen lebt, zeigt die liebevoll produzierte Dokumentation im Stile eines Autorenfilms. Stücke und seine internationalen Freunde sprechen Englisch, im Film gibt es Untertitel. Deutsch gesprochen wird aber auch. Vor allem, wenn sich der Weltumfahrer mit seiner Familie und den Jugendfreunden trifft. Ob beim Bier an der Theke im Gasthaus Einstein, auf der Kegelbahn oder daheim bei Bruno Meier: Stücke hat viel zu erzählen und gemeinsam wird aufgearbeitet, wie er damals aufgebrochen ist. Netflix teilt auf Anfrage mit, dass der Film seit dem 9. Dezember in Europa abrufbar ist. Regisseur Albacete sagt, damit verdiene er zwar keine Reichtümer, doch endlich könne die Geschichte dieses &bdquo;besonderen Mannes“ von mehr Menschen gesehen werden. Bei Interesse verkaufe er an TV-Sender weitere Lizenzen. Immerhin: Von 2020 an war der Streifen in Schweden, Norwegen, Polen, Spanien und Portugal in einigen Kinos zu sehen. &bdquo;Die emotionalen Reaktionen haben mich sehr gefreut“, berichtet der Filmemacher. Immer mehr Bücher-Bestellungen Auch Stücke ist stolz auf das Werk, wie er beim Besuch der &bdquo;NW“ sagt. Da stört es ihn auch nicht, dass er deshalb mehr Arbeit hat. Denn täglich erreichten ihn nun E-Mails und Anfragen. &bdquo;Viele Menschen, die ich unterwegs getroffen habe, erinnern sich jetzt wieder und schreiben mir“, sagt der Hövelhofer. Die Bestellungen seines Buches gingen nun &bdquo;durch die Decke“. Jeder Kunde erhält es mit persönlicher Widmung: &bdquo;In mehr als 40 Länder der Welt habe ich es schon verschickt“. Seit Jahren verfolgt der moderne Marco Polo zudem gemeinsam mit seiner Heimatgemeinde die Idee eines Heinz-Stücke-Museums. Das Vorhaben bestätigt auch Bürgermeister Michael Berens: &bdquo;Die derzeit von ihm selbst aufgearbeiteten Erinnerungen und Gegenstände sollen an seinem Heimatort möglichst vielen Besuchern zugänglich gemacht werden.“ Mit Blick auf die Vermarktung des Ortes als Radfahrkommune werde nach Fördermöglichkeiten gesucht. Sobald sich etwas ergebe, &bdquo;werden wir das Thema rund um unseren bekanntesten Bürger konkretisieren“. Dessen Popularität wird unterdessen in Deutschland weiter befeuert: In ihrem Podcast vom 17. Januar sprechen auch die Entertainer Jan Böhmermann und Olli Schulz über Stücke – und staunen über das einzigartige Leben dieses Hövelhofer Weltbürgers.

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