70 Jahre verheiratet: Eine Ehe für Familie, den Glauben und das Meer

Delbrück. Lydia und Erich Bruß aus Delbrück feiern nach 70 gemeinsamen Ehejahren am Mittwoch, 30. November, das seltene Fest der Gnadenhochzeit. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs verschlug es das Mädchen Lydia aus Schlesien und den Jugendlichen Erich aus Pommern ins Delbrücker Land. Als sich die Vertriebenen auf dem Delbrücker Heimes-Hof der Familie Westerhorstmann begegneten, war es Liebe auf den ersten Blick. &bdquo;Wir sind sehr dankbar, dass wir bis heute eine so harmonische und glückliche Ehe führen“, schauen sie sich verliebt in die Augen. Die Ehejubilare schöpfen große Kraft aus ihrem Glauben. Ihre Gnadenhochzeit feiern sie in der Delbrücker Segenskirche am Driftweg. Die 89-jährige Seniorin und ihr 94-jähriger Mann gestalten ihren Alltag im Eigenheim in der Siedlung Pastorsbusch selbstständig. Sie haben es im Jahr 1967 auf einem Erbpachtgrundstück errichtet. Täglich drehen sie mit ihren Rollatoren Runden und erledigen Einkäufe. Ihre Führerscheine haben sie abgegeben. Delbrücker Jubilare werden von ihren Kindern unterstützt Das agile, rüstige Paar kann auf die Unterstützung seiner Kinder bauen. Eine Tochter lebt in der Wohnung über ihnen. Mit liebevollem Stolz blicken sie auf zwei Töchter, drei Söhne und die Schwiegerkinder. Harte Arbeit, die Sorge um die Kinder sowie das Aufwachsen von acht Enkelkindern und elf Urenkelkindern zeichnen ihren Lebensweg. Von gesundheitlichen Rückschlägen haben sie sich nicht aus der Bahn werfen lassen. Am 30. Oktober 1954 wurden sie in der gestifteten, evangelischen Segenskirche im damaligen Neubaugebiet &bdquo;Laumes Kamp“ getraut. Viele Delbrücker erinnern sich an den prägnanten Holzbau, der später als Diskothek &bdquo;Kathedrale“ die Jugend anzog. Erich Bruß findet als Schiffs-Modellbauer und Mitbegründer des Vereins Allgemeiner Modellbau Club (AMC) Paderborn viel Beachtung. Im Keller der Familie frönt er seit Jahrzehnten mit präziser Schaffenskraft dieser Leidenschaft. Das Hobby ist Folge eines zerstörten Lebenstraums. Er sollte den Frachtbetrieb seines Großvaters übernehmen, der mit hölzernen Haffkähnen Ziegelsteine transportierte. Dafür ging er von 1944 bis zum Kriegsende an der Seeberufsfachschule in Wolgast in die Lehre. Lesen Sie auch: Warum sich Erich Bruß der Seefahrt und den Schiffen verschrieben hat Gefangenschaft in Malente Lydia Bruß findet beim Handarbeiten einen willkommenen Ausgleich. Sie verbindet ihr Hobby mit Ehrenamt in der evangelischen Kirche. Viele Jahre lang hat sie Mützchen und Söckchen für die Geburtsabteilung des St. Johannisstifts Paderborn gestrickt. Aktuell fertigt sie Stricksachen für ein Rumänien-Projekt der Inneren Mission. Dramatische Ereignisse in ihrer Jugend haben die Eheleute geprägt. Erich Bruß wurde als Ältester von vier Geschwistern in Naugard geboren. Bis zum Jahr 1939 verbrachte er in Cammin eine schöne Zeit. Seine Ausbildung endete aber abrupt. &bdquo;Wir sind mit unseren Ausbildungsschiffen über die Ostsee nach Dänemark und weiter nach Flensburg geflohen. 300 Schüler waren auf der Viermastbark Kommandore Johnsen untergebracht. Ende Mai holten uns die Engländer in die Gefangenschaft nach Malente in Schleswig-Holstein. Im Jahr 1945 wurde ich entlassen“, erinnert er sich noch gut. Weil er nicht wusste, wo seine Eltern und Geschwister waren, wurde er an Pateneltern vermittelt und kam so auf den Heimes-Hof. &bdquo;Im Jahr 1948 habe ich meine Familie über den DRK-Kindersuchdienst gefunden. Sie lebte in Ostdeutschland“, so Bruß. Bis zum Jahr 1953 arbeitete er auf dem Hof, wo er 1952 seine Lydia kennenlernte. Das Hochzeitsfest fand auf der Deele auf dem Hof Knapp an der Linnenstraße statt, wo der junge Ehemann zwölf Monate lang ein Zimmer in Kost und Logis bewohnte. Ab 1953 war er 18 Jahre lang beim Delbrücker Unternehmen Bette als Fernfahrer beschäftigt und nur an den Wochenenden daheim. Wegen einer Erkrankung wechselte er für zwei Jahre zum ehemaligen Möbelhersteller Willebrand und bis zur Rente arbeitete er dann noch 20 Jahre lang in der Fertigung bei Schröder Möbel. Unterbringung im Bahnhof von Schöning Lydia Bruß, geborene Langer, kam als mittleres von drei Mädchen in Schlesien zur Welt. Im Mai 1945 zogen Russen in ihre Heimatstadt Sandberg im Kreis Waldenburg ein. Ein Jahr später begann die polnische Besatzung und innerhalb von 15 Minuten musste die Familie ihre Wohnung verlassen. Zu Hunderten ging es im Güterwagen bis nach Lüdenscheid. Aus einer kleinen zugewiesenen Wohnung mussten sie raus, es folgt die Unterbringung im Bahnhof von Schöning. Ein Bauer verweigerte ihnen die Aufnahme und sie übernachteten Weihnachten auf der Straße. Die Polizei griff ein und zwang den Bauern dazu. Die Familie lebte dann sieben Jahre auf dem Hof. Lydia ging in Lippling und Steinhorst zur Schule. Danach riet ihr die Mutter, auf einem Hof zu arbeiten. Dort gäbe es wenigstens etwas zu essen. Nach mehreren Stationen kam sie auf den Heimes-Hof. Nach der Eheschließung und bis zur Geburt des ersten Kindes war sie bei den Firmen Lonsberg, Rahlenkötter und Nolte Möbel beschäftigt.

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