Wie kaufe ich eine Firma? Jungunternehmer aus dem Kreis Paderborn zeigen, wie's geht

Kreis Paderborn. Während Start-ups als hip gelten, fehlt beim Thema Unternehmensübergabe zumeist die sexy Aura. &bdquo;An Unis werden Neugründungen vorangetrieben, aber Betriebsnachfolge spielt da keine Rolle“, kritisiert Tobias Kaufmann von der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen. Dabei habe die Wirtschaft in OWL und im Kreis Paderborn durchaus ein Problem. 3.600 Betriebe seien in Ostwestfalen &bdquo;übergabereif“, wie Kaufmann sagt. Die IHK und die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe werben gemeinsam um Interessierte, etablierte Firmen in die Zukunft zu führen. Sie wollen Chancen und Risiken dabei vorstellen. Auch Übergabeinteressierte sind eingeladen zum Infotag am 20. Oktober in der Paderborner Kreishandwerkerschaft. Zwei erfolgreiche Unternehmens-Übernehmer sind Philipp Strüve aus Delbrück und Johannes Fritsch aus Paderborn. Strüve hat zwölf Jahre lang für den Online-Golfshop von Maurice Mulcahy in Delbrück die EDV und zum Teil die Maschinentechnik am Laufen gehalten. Als Mulcahy, heute 67, vor fünf Jahren begann, an Übergabe zu denken, hat er irgendwann lieber die Gespräche mit Strüve gesucht, als andere Angebote anzunehmen. Ein Verkauf an Mitbewerber stand nicht zur Debatte. &bdquo;Heute bin ich angestellt in meiner früheren Firma, und arbeite noch gerne hier“, sagt der Brite, der seit 40 Jahren in Deutschland lebt. Am 1. Februar ging &bdquo;Golf-Express 24“ an Strüve über. Er baut im vierköpfigen Betrieb den Handel aus und intensiviert das Druck-Business. So werden Golfbälle aber auch andere Dinge wie Zollstöcke oder Christbaumschmuck individuell bedruckt und international vermarktet. Über die Vermittlung der IHK starteten beide in den Übergabeprozess. Neben vielen gemeinsamen Gesprächen standen auch getrennte Beratungen durch Anwälte und Steuerfachleute an, berichtet IHK-Mann Kaufmann. &bdquo;So ein Übergabeprozess dauert auch über die Vertragsunterschrift hinaus. Insgesamt können es zwei bis fünf Jahre sein“, sagt Lisa Büngler von der Handwerkskammer. &bdquo;Teilweise lagen die Nerven blank“ Im Gegensatz zu einer Neugründung können Übernehmer von einer bestehenden Struktur bei Belegschaft, Kunden und Marktkenntnissen profitieren. Wie im Fall von Mulcahy bleibt auch der frühere Inhaber oft als Ansprechpartner im Betrieb. Das gemachte Nest hat aber auch seinen Preis. &bdquo;Es gibt schon objektivierbare Faktoren, wie den jährlichen Unternehmensertrag, um das Preisschild für einen Betrieb festzusetzen“, sagt Büngler, &bdquo;doch es geht auch um Angebot und Nachfrage – und um Gefühle.“ Strüve und Mulcahy sagen, sie hätten ein Ergebnis gefunden, &bdquo;mit dem wir beide zufrieden sind“. Gerungen mit den Details haben sie trotzdem, sagen beide. &bdquo;Die Zeit vor der Vertragsunterschrift war hart. Da lagen teilweise die Nerven blank“, erinnert sich Strüve. &bdquo;Aber nach dem Notartermin sind wir entspannt ein Bier trinken gegangen.“ Als Neu-Unternehmer im alten Betrieb fühlt sich auch Johannes Fritsch mittlerweile wohl. Er hat als Zahntechnikermeister das Dentallabor von Winfried Siemensmeyer (62) am Paderborner Wasserskisee übernommen. In sieben Jahren als Angestellter haben er und der bisherige Chef auf diese Übernahme zwar hingearbeitet, als es konkret wurde, waren aber dennoch viele Gespräche nötig. &bdquo;Wir hatten einen Unternehmensberater an Bord, der sich um Übergaben in unserer Branche kümmert. Das war Gold wert“, sagt Fritsch. Aber auch die Expertise der Kammern habe geholfen, den Übergang des 14-köpfigen Betriebs zu wuppen. Neue Veratwortung für den neuen Chef Siemensmeyer hatte ihn aufgebaut und 27 Jahre lang geführt. Jetzt ist auch er nur noch angestellt. Fritsch weiß: &bdquo;Den emotionalen Faktor darf man für die Übergeber nicht unterschätzen. Es ist wichtig, sich früh genug damit zu beschäftigen, um damit klarzukommen, dass es nicht mehr die eigene Firma ist.“ Fritsch änderte den Namen der Firma in &bdquo;Dentallab“, auch damit muss der bisherige Chef nun leben. Schlafen könne er mit der neuen Verantwortung gut, sagt der dreifache Familienvater. Dennoch sei ihm bewusst, dass er jetzt auch für das Wohl und Wehe der Angestellten und deren Familien zuständig sei. Die Mitarbeiter können sich aber freuen, sagen IHK und Handwerkskammer: Studien hätten belegt, dass Betriebe nach Übernahmen oft durch die neuen Impulse noch erfolgreicher würden.

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