Wieso Verdi den Flughafen Paderborn nicht bestreikt

Kreis Paderborn. Aufgestanden sind viele der Fluggäste mitten in der Nacht. Sie kommen an diesem Morgen etwa aus Saarbrücken, Karlsruhe und Düren im Paderborner Land an. Eine kleine Odyssee haben sie hinter sich - aber den Urlaub vor Augen. Den Abflugort Paderborn/Lippstadt hat ihnen die Gewerkschaft Verdi mit Warnstreiks an 13 Flughäfen beschert. In Ahden wird nicht gestreikt, im Gegenteil: Hier ist viel mehr los als sonst. Doch weder beim Personal im Terminal noch unter den Passagieren herrscht Hektik. &bdquo;Der Flughafen ist schnuckelig, das klappt alles gut hier“, freut sich Jürgen Schmidt aus Saarbrücken. Der Wecker habe um 2 Uhr nachts geklingelt. Mit seiner Frau will er kurz vor Mittag nach Las Palmas abheben. Ein Kaffee aus der Airport-Gastronomie hält ihn munter. Beim Rückblick auf die Anreise sagt er noch mit einem Lächeln: &bdquo;In der Zeit hätten wir fast nach Thailand fliegen können.“ Der Streik ärgert ihn: &bdquo;Wenn ich die Forderungen sehe, dann halte ich das für Klagen auf hohem Niveau.“ Schmidts Flug mit Tuifly, der eigentlich in Frankfurt hätte starten sollen, ist eine von 50 zusätzlichen Flugbewegungen (Starts oder Landungen), die Paderborn/Lippstadt am Streiktag abwickelt. Die zusätzlichen Flüge bescheren dem Airport laut Sprecher Matthias Hack mehr als 6.500 zusätzliche Passagiere. Geschäftsführer Roland Hüser wird in einer Mitteilung zitiert: &bdquo;Mit dem großartigen Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen wir einmal mehr unsere Leistungsfähigkeit unter Beweis. Zugleich zeigen wir, welche Bedeutung unser Flughafen im Mix aus größeren und kleineren Verkehrsflughäfen in Deutschland hat.“ Verdis Streikchef erklärt, warum Paderborns Airport offen bleibt Stolz sind sie in Paderborn/Lippstadt seit jeher, Zusatzflüge auch kurzfristig wuppen zu können. Erst am Freitag, 7. März, hatte Verdi die Airport-Streiks angekündigt. Paderborn/Lippstadt kann durch den Einsatz von Servicekräften aus Tochterfirmen die Mannschaft in der Flugzeugabfertigung bei hoher Nachfrage aufstocken. Lesen Sie auch: Neuer Name für den Flughafen Paderborn/Lippstadt Und warum wird Paderborn/Lippstadt nicht bestreikt? Die Mitglieder hätten sich hier nicht so stark für einen Arbeitskampf ausgesprochen wie andernorts, sagt Dennis Dacke zur &bdquo;NW“. Er verantwortet von Berlin aus für Verdi den bundesweiten Airport-Streik. Zu Beginn der Tarifrunde im September sei die Kampfbereitschaft abgefragt worden. Paderborn bleibt aber auch deshalb offen, so lässt Dacke durchblicken, weil die Effekte aufgrund des dort aktuell überschaubaren Flugverkehrs nicht stark genug seien. &bdquo;Und wir wollen ja auch ein paar Flughäfen offen lassen“, sagt er. Dazu zählen unter anderem Münster/Osnabrück, Erfurt, Dresden und Sylt. Zum Thema: Massive Einschränkungen im Flugverkehr: Streiks bringen Paderborn 50 Flüge mehr Paderborn nutzen an diesem Tag sieben Fluggesellschaften als Ausweichpiste. Dazu gehören Air Cairo, Eurowings, Freebird Airlines, Pegasus Airlines, Sunexpress, Tuifly und Wizzair. Ziele der Jets sind Ägypten, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Nordmazedonien, Rumänien, Polen, Schweden, Spanien und die Türkei. Reisende übernachten wegen Streiks in Büren Dorthin, nach Antalya, wollen auch Silvia Pruschke und Udo Hack aus Düren. In der Schlange vor dem Check-in-Schalter berichten sie von ihrer Sorge um die Urlaubsreise: &bdquo;Wir hatten erst Donnerstag gebucht und ab Freitag herrschte dann Ungewissheit, ob wir fliegen. Wir haben niemanden erreicht und konnten auch den Online-Check-in nicht durchführen, weil wir die nötigen Codes nicht bekommen haben“, schildern die Rheinländer. In der Nacht zu Sonntag sei die Info gekommen, dass der Abflug von Düsseldorf nach Paderborn verlegt ist. &bdquo;Die Tui hat mitgeteilt, dass wir uns selbst um die Anreise kümmern müssen“, schüttelt Hack den Kopf. Das Ende vom Lied: Beide reisen schon am Sonntag an und haben im Landgasthaus Lenniger in Steinhausen übernachtet. &bdquo;Mit Shuttleservice, Übernachtung, Essen und der längeren Anfahrt haben wir bestimmt 300 Euro draufgezahlt. Das ist ärgerlich“, sagt das Paar. Zum Thema: Deutschlandweit einzigartiges Innovationsprojekt startet am Flughafen in OWL Ziemlich entspannt trotz des Extra-Aufwands sitzen unterdessen Daniela Petersen und Matthias Weber mit einem Obstsalat vor dem Terminal. Beide kommen aus Karlsruhe und wollten eigentlich von Frankfurt aus nach Gran Canaria. Statt 70 Minuten Anreise für den Abflug aus der Main-Metropole sind sie um 3.30 Uhr aufgebrochen, haben um 6.15 Uhr am Frankfurter Flughafen den Shuttlebus genommen und heben schließlich gegen 11.45 Uhr in Paderborn gen Kanarische Inseln ab. Weber bleibt trotzdem entspannt. Er sagt: &bdquo;Ich habe für die Streiks Verständnis, das Streikrecht gibt das her. Ich hätte mir mehr Verständnis von der Arbeitgeberseite für die Forderungen erhofft.“ Gute Laune herrscht in der Mittagszeit am Mietwagenschalter im Terminal: &bdquo;Fünf Autos sind schon weg“, ruft ein Mitarbeiter. &bdquo;Wir haben aber noch genügend.“ Auch Taxis stehen vor den Flughafentüren bereit. Das Geschäft laufe aber eher mäßig, berichten Fahrerinnen und Fahrer. Viele Leute ließen sich von Bekannten holen und bringen, heißt es - und überhaupt seien ja Shuttlebusse von Airlines im Einsatz. Eine Frau erkundigt sich am Taxistand nach dem Kurs bis zum Paderborner Hauptbahnhof. Als sie von &bdquo;rund 55 Euro“ hört, bedankt sie sich freundlich und geht. Irgendwie ist zwar Ausnahmezustand am Paderborner Flughafen - aber anmerken lassen es sich die wenigsten. Auch interessant: 55 Minuten Film über 55 Jahre Paderborner Flughafen

Meistgelesen