Streit um Wahlaufruf eines Borchener Ortsvorstehers

Borchen-Etteln. Wie neutral muss sich ein Ortsvorsteher in der politischen Auseinandersetzung im Vorfeld einer Kommunalwahl verhalten? Diese Frage bewegt seit dem Wochenende Menschen in Etteln und im Rest der Gemeinde Borchen. Im Fokus steht der Ettelner Ortsvorsteher Ulrich Ahle (CDU) wegen einer von ihm verfassten "Bürgerinformation", die zwei Tage vor der Wahl als Wurfsendung in Ettelner Briefkästen landete. In dem beidseitig bedruckten Blättchen wirbt Ahle unverhohlen dafür, dem parteilosen Uwe Gockel als Bürgermeisterkandidaten die Stimme zu geben und auch bei der Ratswahl die CDU zu stärken. Ahle selbst war bis 2016 Ratsmitglied und Fraktionschef der CDU, danach gab er sein Ratsmandat aus beruflichen Gründen ab. Seiner Partei ist der IT-Spezialist aber weiter treu. Nach eigenem Verständnis übt er seine "Rolle als Ortsvorsteher parteiübergreifend" aus, wie er schreibt. Im Gespräch mit der NW betont Ahle jedoch, den Flyer habe er "als Privatperson und nicht als Ortsvorsteher herausgegeben". Bei vorangegangenen "Bürgerinformationen" habe er als Ortsvorsteher unterschrieben und die Funktion auch im Impressum vermerkt. Dies habe er in diesem Fall unterlassen. Drei Themen führt die von Ahle selbst geschriebene "Bürgerinformation" auf der Vorderseite an, die allesamt die SPD-Fraktion, Ettelns Ratsherrn Volker Tschischke und Bürgermeister Reiner Allerdissen (SPD) angreifen. So sollen sie sich nicht für Bauplätze in Etteln eingesetzt, die Anschaffung des Dorfautos behindert und die Einbahnstraßenregelung am Hissenberg verbockt haben. Auf Seite zwei wirbt Ahle für den parteilosen Bürgermeisterkandidaten Gockel: "Helft mit Eurer Stimme, einen politischen Wechsel in Borchen herbeizuführen." Auch für die Ettelner CDU rührt Ahle die Werbetrommel: "Wenn Ihr in Etteln weiterhin einen CDU-Ortsvorsteher haben möchtet, solltet Ihr zur Wahl gehen und der CDU (...) Euer Vertrauen schenken." 650 Stimmen machen den Unterschied Das will der ebenfalls aus Etteln stammende SPD-Ratsherr Tschischke ihm nicht durchgehen lassen: "Das geht so nicht, hier bezieht ein Ortsvorsteher, der neutral bleiben sollte, klar Stellung für eine Partei", sagt er mächtig angesäuert über Ahles Initiative. Zur Erinnerung: Die beiden Ettelner Wahlbezirke gewannen die CDU-Kandidaten deutlich, das Rennen ums Bürgermeisteramt entschied Gockel in Borchen relativ knapp mit 3.855 Stimmen gegenüber 3.203 für Amtsinhaber Allerdissen für sich. Tschischke reagierte auf Ahles Info-Blatt noch kurz vor der Wahl mit einem umfangreichen Facebook-Eintrag. Er nennt die Bündelung der Vorwürfe einen Versuch, um "unseren Bürgermeister auszuhebeln". Die Anschuldigungen zu Bauplätzen und Dorfauto widerlegt er mit Zitaten aus Ratsprotokollen, die Ahle nicht veröffentlicht hatte. Tschischke verweist zudem auf ein Urteil des rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichts in Koblenz von 2013, in dem Wahlempfehlungen von Ortsvorstehern als verfassungswidrige Beeinflussung von Wählern eingestuft werden (Az: 1 K 62/13.KO). Einen ähnlich gelagerten Fall beobachtet die SPD-Ratsfraktion derzeit auch in Paderborn. Sie moniert, der Neuenbekener Ortsvorsteher Christoph Quasten habe in einem Schreiben, in dem er sich im Briefkopf ausdrücklich als Ortsvorsteher an einen bestimmten Empfängerkreis wende, zur Wahl der CDU in Neuenbeken aufgefordert. Auch im Borchener Wahlausschuss sind die Vorgänge aus Etteln am Dienstagabend schon auf den Tisch gekommen, dennoch wurde das Wahlergebnis durch den Ausschuss einstimmig festgestellt. Borchens Wahlleiter Henry Klare, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, teilt auf NW-Anfrage mit, dass das Thema noch einmal im Wahlprüfungsausschuss und im Gemeinderat der kommenden Legislaturperiode behandelt würde, wenn Bürger innerhalb von vier Wochen Einspruch einlegen. Sollte die neue Ratsmehrheit dann nichts zu beanstanden haben, könnte eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Minden folgen. Eine Einschätzung, ob es Ahle als Ortsvorsteher erlaubt ist, Wahlempfehlungen auszusprechen, will Klare nicht abgeben. Selbst der CDU scheint die Bürgerinformation aber nicht ganz geheuer. So sagt CDU-Fraktionschef Hansjörg Frewer im Wahlausschuss, dass Ahle damit "möglicherweise" etwas über das Ziel hinausgeschossen sei. Die SPD, die alle Wahlergebnisse anerkennt, tituliert er aber als "schlechten Verlierer", wenn das Infoblatt nun kritisiert werde. Wie die Sozialdemokraten mit dem Vorgang weiter verfahren, steht noch nicht fest. Aus der Partei ist zu hören, dass sich der Ortsverein zeitnah dazu austauschen will. Beim Kreis Paderborn ging unterdessen bereits eine Beschwerde gegen Ahles Blättchen ein, der Kreis verwies aber auf die Zuständigkeit des Borchener Wahlleiters.

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