„Im Notfall werden wir klagen“: Bürgermeister im Kreis Paderborn sauer auf Landesregierung

Herr Lange, im Forderungskatalog von Bürgermeistern und Landrat an die Landesregierung wird deutlich, wie sehr sich die Kommunen überreguliert fühlen. Wo muss das Land aus Ihrer Sicht ansetzen? Ulrich Lange: Auch in Düsseldorf muss doch bekannt sein, dass derjenige, der die Musik bestellt, auch die Rechnung bezahlt. Bei den Sozialausgaben werden die Standards und die Anforderungen durch das Land immer höher geschraubt, aber wir bleiben in den Städten auf den Kosten sitzen. Es gilt immer noch das Konnexitätsprinzip, und das besagt, dass die Ebene, die über Aufgaben entscheidet, auch die Kosten dafür tragen muss. Wenn dieses Prinzip nicht wieder hergestellt wird, werden wir es im Notfall einklagen. Sie beklagen auch, wie komplex es ist, Fördermittel zu bekommen. Beschreiben Sie doch einmal den Aufwand für ihre Verwaltung. Wir waren eine der ersten Kommunen, die eine eigene Stelle dafür geschaffen hat, um Fördermittel zu beantragen. Zusätzlich nehmen Städte und Gemeinden auch noch externe Hilfe in Anspruch. Das alles passiert, weil die Anforderungen der Förderprogramme so detailliert und umfassend sind, dass sie im normalen Verwaltungsablauf kaum noch zu leisten sind. Und wenn man mal in irgendeinem Programm einen kleinen Fehler macht, muss noch Jahre später die Hälfte der Förderung zurückgezahlt werden. Bei all diesem Aufwand und Ärger lohnt es sich oft nicht mehr, sich um Fördergelder zu bemühen. Lesen Sie auch: Zehn Bürgermeister und der Landrat fordern Entlastungen für Städte im Kreis Paderborn Was fordern Sie stattdessen? Wir drängen darauf, dass uns als Kommunen pauschale Fördersummen zugesagt werden für einzelne Bereiche. Eine Stadt weiß doch am besten, wo im Schulbereich, im Umweltschutz oder im Vereinswesen der Schuh drückt. Die Förderprogramme mit all ihrer Bürokratie drücken aber genau das Gegenteil aus: ein großes Misstrauen uns Kommunen gegenüber. Wir werden in all diesen Bereichen gegängelt. In einem Förderprogramm zum Klimaschutz mussten wir etwa nachweisen, dass die Stadt Bad Lippspringe vom Klimawandel betroffen ist. Bei so etwas fällt doch jedem sofort die Kinnlade runter. Muss denn vor allem durch Mittelbehörden wie der Bezirksregierung soviel Regulatorik wirklich sein? Diese Behörden könnten viel schlanker werden. Sie haben ihr gemeinschaftliches Positionspapier von Landrat und Bürgermeistern an Ministerin Scharrenbach übergeben und mit ihr darüber gesprochen. Welche Signale haben Sie von ihr empfangen? Was hören Sie ansonsten zu Ihren Forderungen aus Düsseldorf? Die Ministerin hat das Papier entgegengenommen und wird hoffentlich die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Ansonsten haben wir das Gefühl, dass sowohl in Düsseldorf als auch in Berlin die Dramatik der Situation in unseren Kommunen überhaupt noch nicht angekommen ist. Minister verlassen sich auf ihre Ministerialbürokratie, wo viel vor sich hin verwaltet wird und befinden sich ansonsten in ihren Blasen. Unsere realen Probleme spielen dort noch keine große Rolle. Sie schildern dramatische Kostensteigerungen bei nur geringfügig steigenden Einnahmen der Kommunen. Was befürchten Sie, wenn die Landesregierung nicht handelt? So viele Kommunen stehen doch vor dem finanziellen Kollaps. Das wissen wir ja nicht nur aus dem Kreis Paderborn. Die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts wird in vielen Orten nur durch buchhalterische Tricks vermieden. Die Ausgaben, die auf uns zukommen, können wir auch durch noch so gute Gewerbesteuereinnahmen nicht ausgleichen. Es muss etwas passieren, sonst können wir die Bücher direkt zumachen. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass sich etwas ändert, und wann müsste es passieren? Es ist schon fünf Minuten nach zwölf. Mir macht trotzdem Mut, dass sich immer mehr Bürgermeister und Landräte aus der Deckung trauen. Früher hieß es doch, dass man bloß nichts Kritisches gegen die Bezirksregierung sagen darf, weil man sonst keine Fördermittel mehr bekommt. Aber diese Angst vor übergeordneten Behörden ebbt ab. Gut ist auch, dass hier bei uns Kreisverwaltung und Kommunen an einem Strang ziehen. Das alles zeigt aber, wie ernst die Lage ist.

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