Norika Creuzmann im Interview: "Nationalpark würde dem Kreis Paderborn gut tun"

Frau Creuzmann, Sie sind nun seit neun Monaten im Landtag in Düsseldorf. Haben Sie dort die Strukturen und Abläufe schon durchschaut oder benötigt man dafür länger? Norika Creuzmann: Ich verlaufe mich nur noch ganz selten. Die politischen Abläufe sind schon anders als im Rat oder Kreistag. Da greifen andere Mechanismen und die Strukturen, wie man zu Beschlüssen kommt, unterscheiden sich ebenfalls. Aber ich glaube, dass ich es jetzt begriffen habe. Was kann man als Neuling im Landtag bewirken, finden Sie Gehör? Auf jeden Fall. Ich war schon in die Koalitionsverhandlungen eingebunden, habe dort das Feld Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung behandelt. Und da habe ich im Besonderen den Bereich Frauen- und Gewaltschutz verhandelt. Nun bekommen wir eine zusätzliche Stelle in den Frauenhäusern, um den Kinderschutz zu stärken. Ich bin stolz darauf, etwas verhandelt zu haben, was jetzt direkt auch umgesetzt wird. Im Frühjahr wird die Stelle in den Frauenhäusern implementiert werden. Als Sprecherin für Kinder und Jugendschutz habe ich auch schon mehrere Reden gehalten, Themen sind leider auch immer wieder Missbrauch – sei es in Lügde, in der katholischen Kirche oder jetzt in Burscheid – und was dahinter steckt. Von daher finden auch viele Gespräche mit den Vertretern der verschiedenen Organisationen statt. Aktuell schauen wir uns – auch gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU – die Strukturen in den Jugendämtern an. Ich glaube schon, dass wir da eine Menge bewirken können. Diese Themen sind total wichtig und es wird auch wahrgenommen, dass wir da dran sind. Ein Thema, das im Paderborner Land viele bewegt, ist die Windkraft. Während hier weit über 500 Windräder stehen, kennen die Rheinländer diese Energieanlagen nur vom Foto. Wie schwer ist es, die Bedenken und Probleme der Paderborner im Landtag, allen begreifbar zu machen? Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt die Notwendigkeit, dass wir etwas tun müssen. Aber auch wenn wir hier viele Windräder haben, sind wir noch nicht ganz raus aus der Nummer. Wir haben noch Potenzial weitere Windräder aufzustellen. Ich sehe uns da auch ein bisschen in einer Solidargemeinschaft. Das Rheinische Revier hat mit dem Tagebau unglaubliche Belastungen gehabt. Wenn man sich die Region dort anguckt, da ist ja keine Landschaft mehr. Und die haben jahrelang dafür gesorgt, dass wir unsere Energie bekommen haben. Viele haben dafür ihre Heimat, ihre Natur verloren – dort ist ein Riesenloch. Klar, sind auch die anderen Regionen nicht aus der Pflicht, sich an der Energiewende zu beteiligen. Sicher haben wir hier schon viel getan, können uns aber nicht darauf ausruhen, dass wir hier über 500 Windräder haben. Es gibt mit Herbram-Wald – ein kleines Dorf, das fast autark ist – ein Superbeispiel. Diese Leuchtturmbeispiele müssen wir anderen zeigen. Wichtig ist, dass wir nicht nur auf Windenergie setzen. Wir müssen auch bei PV-Anlagen zulegen und auch mal über Wasserkraft nachdenken. Schlussendlich brauchen wir ein Gesamtpaket. Und die Kritik an den Windrädern, dass sie die Landschaft verschandeln, die ist überholt. Denn die Notwendigkeit ist mittlerweile eine ganz andere. Ich habe aber das Gefühl, dass sich da die Stimmung in der Bevölkerung nach den letzten Sommern ändert und der Blick sich weitet. Ich glaube, der Tornado hat da auch einiges bewirkt. Das ist ein Phänomen, das man hier nicht kannte und weit weg war. Oder der Wald, der aufgefressen worden ist. Der Klimawandel ist jetzt auch hier spürbar. &bdquo;Stimmung in der Bevölkerung hat sich geändert“ In Düsseldorf sind Sie für Ihre Fraktion Sprecherin bei den Themen Kinder- und Jugendschutz sowie Anti-Atom-Politik. Im Kinder- und Jugendschutz sind Sie durch Ihre Jahrzehnte lange Arbeit im Paderborner Frauenhaus als Diplom-Sozialpädagogin und Traumafachberaterin schon Expertin, aber wie haben Sie sich in das andere Thema reingefuchst? Da bin ich noch dabei. Wir haben in NRW keine Atomkraftwerke mehr, aber wir haben noch Würgassen, wo ein Atommüll-Logistikzentrum geplant ist. Ich bin auch für den Kreis Höxter zuständig. Da Würgassen uns noch sehr lange beschäftigen wird, benötigen wir zu diesem Thema auch eine Sprecherin und das übernehme ich. Ich muss mich aber reinarbeiten in diese Materie. Ob ich da je Expertin werde, ist die Frage. Das ist auch nicht mein Anspruch. Ich muss schauen, was ist die Problematik, was muss bearbeitet werden, mit wem muss ich ins Gespräch kommen, um abzuwägen, was der richtige Weg ist. Aber auch, wenn man keine Expertin ist, erkennt man, dass es wenig Sinn macht, dort ein Atommülllager zu errichten. Allein durch die Straßenführung. Als Grüne, die sogar im Grünen bei Bad Lippspringe lebt, und als zertifizierte Waldpädagogin müssten Sie doch eigentlich Sprecherin für den Nationalpark Senne oder Egge sein. Wie stehen die Chancen, dass er kommt? Für den Bereich gibt es keine Sprecherin, aber wenn, dann wäre ich dafür wohl prädestiniert. Aber ich nenne es lieber Nationalpark OWL, damit bekommt man alles unter einen Hut. Wir haben im Koalitionsvertrag einen Beteiligungsprozess stehen und das Ministerium arbeitet gerade aus, wie der aussehen soll. Ich finde es wichtig, dass aus der Region heraus die Initiative kommt. Der Nationalpark würde unsere Region hier total befördern und ergänzen. Paderborn hat viel zu bieten: Wissenschaft, Technik, Historie. Was uns fehlt, ist eigentlich die Komponente Natur. Ich habe mit vielen Menschen aus der Wirtschaft gesprochen, die Probleme haben, Fachkräfte hierher zu bekommen. Das Gefühl von Work-Life-Balance ist viel ausgeprägter als vor 20 Jahren. Bei der Auswahl des Jobs wird auch darauf geachtet, was der Standort an Lebensqualität mitbringt. Da kann ein Nationalpark helfen. Sie sind schon länger in der Politik, erst lokal, dann im Kreis und nun für das Land NRW. War es überhaupt Ihr Plan, in der Politik Karriere zu machen oder sind Sie da einfach nur reingerutscht? Es war nie mein ursprüngliches Ziel, Landtagsabgeordnete zu werden. Ich habe viele Male vor dem Düsseldorfer Landtag demonstriert für die Rechte der Frauenhäuser. Ein Foto davon habe ich sogar in meinem Büro hängen. Frauenhäuser waren immer Spielball der Regierung – mal ging es rauf, meistens aber runter. Aber dann war mir klar: Ich kann nicht nur meckern, ich will was machen. Das war 2006. Da bin ich bei den Grünen eingetreten, in dieser Partei gab es die größte Schnittmenge mit meinen Interessen und Zielen. Ich bin dann auch in den Rat in Bad Lippspringe gegangen, denn das war für mich die Möglichkeit, Politik auch zu gestalten. Irgendwann ging es dann auch in den Kreistag. Als dann 2016 die Frage aufkam, ob ich für den Landtag kandidieren möchte, dachte ich nur: Da sehe ich mich nicht. Ich habe mich nach einigen Gesprächen aber doch aufstellen lassen und kam auf Listenplatz 31. Als klar wurde, dass Sigrid Beer in ihre letzte Legislaturperiode gehen würde, habe ich mich wieder aufstellen lassen. Dafür habe ich auch eine Menge getan, habe mich auf Kreis- und Bezirksebene in viele Thematiken eingearbeitet und mich auch auf Landesebene eingebracht. Das hat dann dazu geführt, dass ich Listenplatz 14 bekommen habe. Es hat sich also entwickelt. Vermissen Sie Ihre Arbeit im Frauenhaus? Manchmal fehlt es mir schon, aber wo ich jetzt bin, fühlt es sich auch richtig an. Ich habe 30 Jahre im Frauenhaus gearbeitet, das hat mir total viel Spaß gemacht – vor allem die Arbeit mit den Kindern, denn da hat man relativ schnell Erfolge, sie wieder ins Leben reinzuholen. Aber ich habe so lange Gewaltschutz gemacht mit schwierigen Geschichten, da tut ein Berufswechsel mal gut. Und ich kann nun anders für die Thematik was tun und habe ja auch schon etwas vorzuweisen. Wie lässt sich Ihre Arbeit in Düsseldorf mit dem privaten Leben mit Haus, Mann und Kindern und dem Freundeskreis in der Heimat vereinbaren? Das ist eine Herausforderung. Ich merke, dass mein Freundeskreis hintenrüberfällt, was ich total bitter finde. Wenn ich Freizeit habe, dann ist es erst einmal die Familie. Aber ich brauche es genauso, mich mal zum Kaffee oder Frühstück zu verabreden. Mein Mann ist gerade eine große Stütze, denn wir haben noch ein zehnjähriges Pflegekind. Ich bin bemüht, nur zwei Tage in Düsseldorf zu sein und viel online zu arbeiten. Das geht natürlich nicht, wenn Plenarwochen sind. Am Wochenende habe ich auch Termine, aber ich versuche, es so hinzubiegen, dass ich das Gefühl habe, es passt. Zu Gute kommt uns aber auch die Erfahrung mit unseren vier Söhnen. Mein Mann und ich hatten immer das Modell, dass einer von uns im Haus ist – wir haben immer abwechselnd halbtags gearbeitet. Daher kennen wir das. Aber mein Mann ist jetzt mehr in der Verantwortung.

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