Angst im eigenen Zuhause: Diese junge Frau fand Schutz im Espelkamper Frauenhaus

Espelkamp. &bdquo;Ich bin heimlich gegangen“, sagt Lea T. (Name von der Redaktion geändert). Ihre Tasche hat sie schon mehrere Wochen vorher gepackt. Als ihr Vater an dem Tag zur Arbeit fuhr, duschte sie noch einmal, verabschiedete sich von dem Hund und ließ den Haustürschlüssel da. &bdquo;Dann habe ich mich in den nächsten Bus gesetzt und bin zur Polizei gefahren.“ Häusliche Gewalt kann sich ganz unterschiedlich äußern. Im Allgemeinen wird zwischen partnerschaftlicher und innerfamiliärer Gewalt unterschieden. Letzteres hat auch Lea T. erleben müssen. Ihre Eltern seien getrennt und in ihrer Kindheit sei sie von ihrer Mutter geschlagen worden. Später hat sie jahrelang in einem Haushalt gelebt, in dem ihr Vater psychische Gewalt ausgeübt habe. Dieses Jahr hat sich Lea dazu entschieden, ins Frauenhaus zu gehen. &bdquo;Einen Platz zu finden, war anfangs gar nicht so einfach“, berichtet die junge Frau. Deshalb habe die Polizei sie zunächst in eine Jugendherberge gebracht, in der sie für zwei Wochen untergekommen ist. Übers Internet hat sie gesucht, in welchem Frauenhaus noch ein Platz frei ist. &bdquo;Mir war egal, wie weit es weg war. Hauptsache, ich bekomme irgendwo einen Platz.“ Den hat sie dann im Hexenhaus in Espelkamp gefunden. Nachdem Lea angerufen hat, sollte sie sofort kommen. &bdquo;Innerhalb von vier Stunden bin ich dann mit Bus und Bahn hierher gekommen.“ .responsive23-XYNr916PYooK17VO-bar-vertical-haeusliche-gewalt-entwicklung { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-XYNr916PYooK17VO-bar-vertical-haeusliche-gewalt-entwicklung { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-XYNr916PYooK17VO-bar-vertical-haeusliche-gewalt-entwicklung { padding-top: 142.86%; } } Drohungen und Erpressungen waren Alltag In dem Haus, in dem sie zuvor gelebt hat, habe ihr Vater sie &bdquo;stetig unter Druck gesetzt“, ihre persönlichen Sachen durchwühlt oder vorgeschrieben, mit wem sie befreundet sein durfte. Auch Drohungen oder Erpressungen seien Alltag gewesen: &bdquo;Mein Vater hat zu mir gesagt, er würde unseren Familienhund weggeben, wenn ich mich nicht benehmen würde.“ Sobald Lea sich nicht so verhalten hat, wie ihr Vater es wollte, sei sie von ihm ignoriert worden. &bdquo;Das war quasi seine Bestrafung.“ Lea habe immer das Gefühl gehabt, dass sie in dem Haus nicht gewollt und nicht genug war. &bdquo;Mein Vater war mit allem, was ich gemacht habe, nicht einverstanden.“ Nachdem Lea aufgrund psychischer Probleme bei ihrer dualen Ausbildung gekündigt worden sei, habe sie sich für eine rein schulische Ausbildung entschieden. &bdquo;Das passte meinem Vater nicht, weil ich dann kein Einkommen mehr in die Familie bringe.“ Lea zufolge sollte sie die Rechnungen ihres Vaters bezahlen. &bdquo;Mein Vater war pleite.“ Das alles sei jedoch nur in dem Haus der Familie abgelaufen. Draußen habe sich ihr Vater anders verhalten. &bdquo;Für die Nachbarn war er ein toller Vater“, sagt Lea. Es seien auch nie Drohnachrichten über WhatsApp gekommen, &bdquo;damit ich keine Beweise habe“. Sexuelle Belästigung innerhalb der Familie Neben der psychischen Gewalt sei es teilweise auch zu sexuellem Missbrauch gekommen. &bdquo;Einmal hat er mir auf den Hintern geschlagen. Das war keine körperliche Gewalt, wie ich sie von meiner Mutter kannte. Das war eher sexuell.“ Diese Situationen seien nicht häufig vorgekommen. Aber: &bdquo;Ich habe seine Blicke gesehen. Mein älterer Bruder hatte denselben Blick drauf.“ Ihr Vater habe gewollt, dass sie sich freizügiger anzieht. Wenn Lea sich bedeckt kleidete, sei das von ihm immer kritisiert worden. Leas Bruder und Vater seien eine Art Team gewesen, das sie mobbte und bedrängte. Die Lage in dem Haus – das eigentlich Leas Zuhause sein sollte – habe sich weiter zugespitzt: &bdquo;Mein Vater hat mich nie vergewaltigt, aber ich hatte Angst davor. Deshalb habe ich nachts meine Zimmertür abgeschlossen. Ich hatte Angst, dass er es ausnutzt, wenn ich schlafe.“ .responsive23-a7egmPgnNQSStEb8-bar-stacked-vertical-haeusliche-gewalt-2024-in-nrw { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-a7egmPgnNQSStEb8-bar-stacked-vertical-haeusliche-gewalt-2024-in-nrw { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-a7egmPgnNQSStEb8-bar-stacked-vertical-haeusliche-gewalt-2024-in-nrw { padding-top: 142.86%; } } Keine Unterstützung aus dem Umfeld Ein normaler Alltag war so kaum möglich. &bdquo;Ich konnte nicht mehr zur Schule oder zur Arbeit gehen, weil ich morgens schon weinend zusammengebrochen bin. Nichts hat mehr funktioniert.“ So musste Lea ihre schulische Ausbildung abbrechen. &bdquo;Ich habe lange überlegt, wie ich das hinbekomme, dass ich hier rauskomme“, teilt die junge Frau mit. Ihr Vater sei sehr kontrollierend gewesen und da er selbstständig arbeite, habe er viel mitbekommen. &bdquo;2023 fing es an, dass ich gesagt habe, dass ich hier nicht länger bleiben kann.“ Unterstützung aus ihrem Umfeld habe sie nicht erhalten. &bdquo;Ich war komplett auf mich allein gestellt.“ Auch das Jugendamt, das sie mehrfach kontaktiert habe, habe ihr nicht die Hilfe angeboten, die sie sich gewünscht hätte. &bdquo;Das Jugendamt hat weggeschaut.“ Dass sie erst so spät den Schritt ins Frauenhaus wagte, hing auch mit dem Familienhund zusammen. &bdquo;Ich wollte den Hund nicht alleine lassen. Der wurde total vernachlässigt und ich war die Einzige, die ihn schützen könnte.“ Aber: &bdquo;Ich musste eine Entscheidung treffen: entweder ich oder der Hund.“ Zwei Monate im Espelkamper Frauenhaus Die Zeit bei ihrem Vater hat allerdings Spuren hinterlassen: Bis heute habe Lea Schlafprobleme und sei oft innerlich unruhig. &bdquo;Mein Körper ist immer noch im Überlebensmodus.“ Schließlich habe sie früher jeden Tag gucken müssen, wie ihr Vater drauf ist. &bdquo;Ich wusste nie, wann der nächste Stress anfängt.“ Daher bekomme Lea derzeit psychologische Hilfe, es gebe Anzeichen für eine mögliche posttraumatische Belastungsstörung. Lea T. verbrachte insgesamt zwei Monate in dem Espelkamper Frauenhaus. &bdquo;Ich war da sehr gut aufgehoben.“ Sie habe gelernt, wie sie wieder in ihr Leben zurückfindet und wie sie sich selber schützen kann. &bdquo;Ich habe meine Nummer und meine E-Mail-Adresse geändert. Bis heute habe ich nie GPS an.“ Auch auf Social Media achte Lea darauf, dass sie dort niemand erkennt – zu groß ist die Angst, dass Familienmitglieder sie finden könnten und Kontakt zu ihr aufnehmen. Auch zu Freunden habe sie den Kontakt abgebrochen. Fachberaterin ordnet ein: Häusliche Gewalt im Lübbecker Land: &bdquo;Der gemeinsame Nenner ist das Geschlecht“ Ihrem Vater gegenüber empfinde Lea vor allem Wut und Hass, aber auch Traurigkeit. &bdquo;Er ist ja irgendwie immer noch mein Vater. Dass er nie wieder Teil meines Lebens sein wird, damit muss ich erst mal klar kommen.“ Dennoch sei es für Lea relativ einfach, loszulassen. Denn: &bdquo;Ich habe mich nie in dieser Familie wohlgefühlt.“ Über die Jahre habe sie sich zudem auch verändert. &bdquo;Ich bin zu einer stärkeren Person geworden.“ Wenig Verständnis für psychische Gewalt Daher wolle sie anderen Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind, vor allem eins sagen: &bdquo;Hilfe ist definitiv da. Man braucht selber nur einen kleinen Schubs.“ Gesellschaftlich sei häusliche Gewalt noch immer ein Tabu-Thema, findet Lea. Vor allem wenn es nicht der &bdquo;klassische“ Fall vom Partner ist, der seine Frau schlägt. Insbesondere für psychische Gewalt gebe es noch zu wenig Verständnis – und das sogar teilweise seitens der Frauenhäuser: &bdquo;Manche Frauenhäuser wollten mich nicht aufnehmen, weil sie meinten, dass das nur Familienstreitigkeiten seien.“ Lesen Sie auch: Femizid in Preußisch Oldendorf: Tochter von getöteter Evelina S. spricht mit Schülern Mittlerweile nimmt Lea an dem Projekt &bdquo;Alleine leben lernen“ teil, wo sie in einer sogenannten &bdquo;Trainingswohnung“ lebt. Regelmäßig finden Gespräche mit einer sozialpädagogischen Fachkraft und Gruppenaktivitäten wie gemeinsames Kochen statt. In der Gesundheitsgruppe sprechen die Frauen jede Woche über ein anderes Thema. &bdquo;Letzte Woche haben wir über Achtsamkeit und Self-Care gesprochen.“ Für Lea ist das Projekt eine Unterstützung im Alltag: &bdquo;Mir geht es gut damit, weil ich hier eine Struktur habe.“ Lea schaut positiv in ihre Zukunft und hat auch schon Pläne: &bdquo;Erst mal werde ich ein Freiwilliges Soziales Jahr machen.“ Das sei eine Art Probe, um zu schauen, ob sie sich wieder gut in den Arbeitsalltag einfindet. Danach möchte sie noch einmal eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. &bdquo;Ich sehe das als Neuanfang. Ich bin weit weg in einer komplett neuen Stadt. Mir kann niemand mehr einreden, dass ich bestimmte Dinge nicht machen darf.“

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