Bad Oeynhausen/Genf. Die Schweiz ist teuer. Vor allem Fleisch und Käse sind für Studenten kaum erschwinglich. Weshalb auch Ursula Simone Hermelink alle zwei Wochen samstags einen Tagesausflug nach Frankreich unternimmt. Mit dem Bus. Zu bekannten Discountern. "Das dauert von Genf aus nur zehn Minuten", sagt die 24-Jährige. Seit einigen Wochen lebt sie in der Schweiz, davor war sie vier Jahre in den Niederlanden und ein Jahr in Belgien.
Schon während der Schulzeit stand für Ursula Simone Hermelink fest, dass sie einen Teil ihres Lebens im Ausland verbringen würde. "Eigentlich wollte ich nach dem Abi am IKG ein Jahr in mein Geburtsland Brasilien gehen", erzählt sie. Dort, in São Paulo, ist sie geboren, bevor ihre Eltern ein Jahr später (1982) nach Deutschland zurückkehrten. "Meine Eltern sind gebürtig aus dem Rheinland und zogen beruflich nach Brasilien. Später dann wechselte mein Vater zu Battenfeld."
Aus Brasilien wurde nichts. Stattdessen verschlug es die 24-Jährige nach Brüssel. "Vier Monate Praktikum waren vorgesehen, geblieben bin ich fast ein Jahr." Ein Jahr, in dem Ursula Simone Hermelink Europa kennen und lieben gelernt hat. "Ich habe festgestellt, dass im Ausland leben nicht zwangsläufig ,weit weg sein?, ,schwierig? und ,unrealistisch? bedeutet." Im Gegenteil. Ihr sei aufgegangen, wie unbedeutend Grenzen in Europa geworden seien.
Mit ein Grund, warum es die damals 20-Jährige dann in die Niederlande verschlagen hat. Vier Jahre hat sie an der Uni von Tilburg "Internationale Wirtschaft und Finanzen" studiert, welche sie im September 2005 mit einem Master abschloss. Seit Oktober vertieft Ursula Simone Hermelink nun in Genf ihre Kenntnisse in einem Aufbaustudium. "Ich studiere Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt VWL." Zu den direkten Nachbarn der Uni gehört nicht nur die Welthandelsorganisation ?" in der die Uni-Bibliothek ist ?" sondern auch die UNO.
"Ich wollte einfach wieder ein Land, in dem man im Aufzug mit einem freundlichen ,Bonjour? begrüßt wird", sagt sie. "Ein Land, in dem man seine Mahlzeiten genießt, und nicht in höchsten zehn Minuten in frittierter Form, in sich hineinschlingt." So wie jedes Mal, wechselte die 24-Jährige auch dies Mal ihren Wohnsitz, ohne ihre neue Heimat gesehen zu haben. "Vielleicht ist es naiv, aber bisher habe ich es nie bereut."
Um die Schweiz kennen zu lernen, sei Genf allerdings die falsche Stadt, urteilt die gebürtige Bad Oeynhausenerin. "Genf ist keine echte schweizerische Stadt. Das sagen auch die Einheimischen." Sie sei eher französisch ?" von den Menschen und der Atmosphäre her gesehen. "Aber ich habe die nächsten Jahre Zeit, herauszufinden, wie der Rest des Landes aussieht, was die Schweiz schweizerisch macht und Genf nicht."
Genf habe aber durchaus seine landschaftlichen Reize, wie Ursula Simone Hermelink in der kurzen Zeit schon festgestellt hat. "Nach vier Jahren in der flachsten Umgebung der Welt, war ich begeistert, Berge um mich zu haben", sagt sie lachend. Jeden Morgen und jeden Abend fühle sie sich dann auch wie ein Tourist auf Radtour ?" entlang der Rhône und dem Lac Léman (Genfer See) ?" am Horizont die schneeweißen Alpen und über allem thronend der Mont Blanc. "Traumhaft", schwärmt sie.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hat die 24-Jährige Alphörner gesehen und auch gehört, hat festgestellt, dass auch die Schweiz eine Fußball-Nationalmannschaft zur WM schickt und das Schweizerdeutsch schwieriger zu lernen ist als niederländisch. "Wenn der Deutsche zu Fuß geht, sagt der Schweizer er läuft, wenn er läuft, sagt der Schweizer, er springt und wenn er springt, gumpt der Schweizer." Verwirrend. "Man ist auf dem Zug, anstelle von im Zug oder wahlweise, wenn man im Zug nach Zürich ist, ist man schlicht und ergreifend ,auf Zürich?. Ich habe aufgehört, mir das bildlich vorzustellen und spreche lieber Englisch oder Französisch." Da sei die Chance, dass sie etwas verstehe, größer.