XXL-Stromausfall vor 20 Jahren: Wintereinbruch verursachte Blackout im Lübbecker Land

Rahden/Lübbecker Land. Es gibt Momente, da weiß eigentlich jeder Mensch noch, wo er gerade gewesen ist. Ein einschneidendes Erlebnis, das vergisst niemand so schnell. Wetterkapriolen und deren Folgen gehören dazu. Ein solches Ereignis jährt sich am Dienstag, 25. November, zum 20. Mal. Ein Wintereinbruch mit Schnee und Eisregen sorgte auch im Lübbecker Land für einen mehrstündigen Stromausfall. Schlimmer noch traf es das Münsterland. Dort waren Orte viele Tage ohne Strom. Der 25. November 2005 war ein Freitag. Es war der Freitag vor dem ersten Advent, und in Rahden liefen die Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt. Am späten Nachmittag sollten die &bdquo;Dezemberträume“ auf dem Kirchplatz eröffnet werden, das Herz der Stadt im Lichterglanz erstrahlen. Es kam anders. Witterung durchkreuzt Plan der Zeitungsmacher In den Tagen zuvor war es nasskalt und regnerisch, die Temperaturen lagen aber noch über dem Gefrierpunkt. Dann kam der 25. November 2005. An jenem Tag wurde in Hüllhorst Karl Maschmeier beigesetzt, der im Alter von 83 Jahren gestorben war. Maschmeier war damals der dienstälteste freie Mitarbeiter der NW Lübbecke. Im Lauf des Nachmittags gingen die Temperaturen weiter zurück, und in den den Regen mischten sich die ersten Schneeflocken. Das Tiefdruckgebiet &bdquo;Thorsten“ hatte Einzug gehalten. Manfred Lampe, damals der für Rahden zuständige Redakteur der NW, und Joern Spreen-Ledebur als damaliger freier Mitarbeiter machten sich ungeachtet der Witterung auf den Weg nach Rahden. Die Eröffnung der &bdquo;Dezemberträume“, des ersten großen Weihnachtsmarktes im Advent 2005 im Lübbecker Land, sollte noch aktuell für die Wochenend-Ausgabe der NW &bdquo;ins Blatt“. In Rahden angekommen war es aber nichts mit dem Lichterglanz im Herzen der Stadt. Knapp eine halbe Stunde vor der für 17 Uhr geplanten Eröffnung fiel der Strom aus. Nichts ging mehr in der Stadt. Fast nichts: Der Posaunenchor trotzte der widrigen Witterung und dem Stromausfall. Bläserinnen und Bläser brauchen keinen Strom. In der Turmhalle der Johanniskirche spielte der Chor dann weihnachtliche Weisen – ganz der Tradition der Rahdener Weihnachtsmarkt-Eröffnung folgend. &bdquo;So spielten wir und hatten Spaß“ Der damalige Pfarrer Stefan Thünemann kann sich noch gut daran erinnern: &bdquo;Da hatte ja wenig funktioniert“, sagt der Seelsorger rückblickend. &bdquo;Ich fand es total klasse, dass der Posaunenchor im Turm im Kerzenschein den Weihnachtsmarkt eröffnete.“ Helmut Heitmann, ehemaliger Küster und Bläser, habe ihm geholfen, alle Kerzenreste in der Kirche zu sammeln und aufzustellen. Thünemann: &bdquo;So spielten wir und hatten Spaß.“ Er glaube, dass viele Menschen diese Tage noch in Erinnerung hätten. Mehr zum Thema: Verhalten im Ernstfall: Was bei einem Stromausfall als Erstes zu tun ist Stromausfall – wie ging es dann für die Zeitungsmacher weiter? Das Handynetz war lückenhafter als heute, ein Akku ging schnell zur Neige. Ein Auto mit Allrad-Antrieb war Gold wert an jenem Abend – ebenso der Hinweis der Kolleginnen und Kollegen aus Bad Oeynhausen, dass man dort Strom und folglich Licht und Wärme habe. Also ging es über das tief verschneite Wiehengebirge, um diesen außergewöhnlichen Rahdener Weihnachtsmarkt-Auftakt von Bad Oeynhausen aus noch aktuell aufzubereiten. Was auch gelang. Und auf dem Rückweg Richtung Lübbecker Land zeigte sich im Bereich &bdquo;Horsts Höhe“, welche Autos mit guten Reifen unterwegs waren und welche mit offenbar wenig profilstarken Sommerreifen. Unterwegs gab es Infos im Radio, dass vor allem das Münsterland schwer getroffen worden sei von dem Wintereinbruch. Stromleitungen und Masten hielten der Last von Eis und Schnee nicht stand und brachen zusammen. Im Münsterland währte die stromlose Zeit lange. Im Lübbecker Land war die Stromversorgung trotz des Tiefs &bdquo;Thorsten“ in den späten Abendstunden wieder hergestellt. Auch das Handynetz brach zusammen &bdquo;Thorsten“ brachte auch den Bahnfahrplan durcheinander. Sandra Spieker, heute Redakteurin der NW Lübbecke, war in jenen Stunden mit der Bahn unterwegs. Nach mehreren ungeplanten Zwischenhalten auf freier Strecke, weil abgeknickte Zweige an den Gleisen eine Weiterfahrt behinderten, kam sie mit dem letzten Zug der Eurobahn aus Bielefeld am späten Nachmittag am Bahnhof in Bad Holzhausen an. Danach ging nichts mehr, der Zugverkehr wurde eingestellt. Eben schnell zu Hause anrufen, dass alles in Ordnung ist und man sich nur verspätet? Keine Chance. Auch das Handynetz war da schon zusammengebrochen, da die Mobilfunkmasten ausgefallen waren. Mehr zum Thema: Stromausfälle Minden-Lübbecke Und auch am Samstag ging es noch drunter und drüber bei der Bahn. Aber so machten Reisende aus dem Lübbecker Land mit Fahrziel Bremer Weihnachtsmarkt eine nicht alltägliche Erfahrung. Der Bahnhof Lemförde war damals noch mit einem Fahrdienstleiter besetzt. Kaum hatten die Reisenden aus dem Lübbecker Land am Automaten ihre Fahrkarten gekauft, wurden Rollläden hochgezogen: &bdquo;Wohin es denn gehen sollte“, fragte der freundliche Eisenbahner. Bremen? Das sei kein Problem. In wenigen Minuten werde ein ICE in Lemförde anhalten und mit dem könnten alle mitfahren. Lemförde als Halt für Fernverkehrszüge – das hat es, abgesehen von einer technischen Panne eines Zuges viele Jahre später, nicht wieder gegeben. Relativ unbekannte Wetterlage für jungen Meteorologen Was machte die Wetterlage am 25. November 2005, dem Tag des Blackouts auch im Lübbecker Land, so besonders? Der Lübbecker Meteorologe Friedrich Föst hat in seinen Aufzeichnungen nachgeschaut. &bdquo;Am 23. November 2005 tauchte in den Wetterkarten ein Tiefdruckgebiet über Skandinavien auf, das sich unter rascher südlicher Verlagerung am 24. November bereits über der Deutschen Bucht befand“, blickt Föst zurück. &bdquo;Nun, das ist zunächst erst mal nichts Außergewöhnliches, ganz im Gegenteil, solche Wetterlagen kommen im Spätherbst durchaus regelmäßig vor. Für die Folgetage zeigten die Berechnungen der Wettermodelle dann etwas an, was mir damals als junger Meteorologe noch relativ unbekannt war: Das Tiefdruckgebiet, was unter dem Namen ,Thorsten’ geführt wurde, sollte sich in den folgenden Tagen kaum noch von der Stelle bewegen und seine Niederschläge auf regional eng begrenztem Raum abladen. Davon war auch unsere Region betroffen.“ Am 24. November gestaltete sich das Wetter noch sehr unspektakulär: Es regnete bei 3 bis 4 Grad leicht – usseliges norddeutsches Novemberwetter, wie man es kenne, so Friedrich Föst. In der Nacht zum 25. November intensivierten sich die Niederschläge aber. Dabei kühlte die Luft weiter aus, und aus dem Regen wurde zunächst Schneeregen und dann nasser, pappiger Schnee. Die Niederschlagsmengen am 25. November 2005 betrugen in einem Streifen vom Münsterland über den Raum Osnabrück bis in den westlichen Teil des Kreises Minden-Lübbecke 25 bis 55 Liter pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Niederschlagsmenge für November der Jahre 1991 bis 2020 liegt bei im Kreis Minden-Lübbecke bei 50 Litern je Quadratmeter. &bdquo;Leitungstanzen“ mit verheerenden Folgen Der Niederschlag fiel großteils in Form von feuchtem, pappigem Neuschnee. Durch den starken Schneefall wuchs die Schneehöhe rasch an. Gleichzeitig sank die Temperatur auf 0 Grad, und der stark böige Wind sorgte dafür, dass sich der Schnee überall gleichmäßig verteilen konnte – auch an Stromleitungen, die vollständig vom nassen Schnee ummantelt wurden. Auf dem kalten Metall konnte der Schnee dann festfrieren, und das Gewicht an Masten und Leitungen nahm von Stunde zu Stunde zu, merkt Föst an. Durch die nun größere Angriffsfläche für den Wind begannen die Stromkabel zu schwingen. Dieses sogenannte &bdquo;Leitungstanzen“ sorgte dann dafür, dass Stromkabel abrissen und ganze Strommasten unter der Last des angefrorenen nassen Neuschnees zusammenbrachen. Zudem stürzten zahlreiche Bäume durch die massive Schneelast um und blockierten Straßen und Wege. So schnell wie der Schnee kam, war er aber auch schon wieder verschwunden. Bereits ab dem 27. November setzte tagsüber Tauwetter ein. Was blieb, war nach Angaben Fösts ein Schadensausmaß, welches noch wochenlang nachwirkte. Außergewöhnliches Ereignis kann sich wiederholen Die Wiederkehrzeiten solcher meteorologischen Ereignisse ließen sich unter den sich rasch ändernden Rahmenbedingungen im Zuge des Klimawandels nur schwer abschätzen, so Föst. Es sei aber festzuhalten, dass solche Wetterlagen auch in Zukunft auftreten könnten. Gerade durch den sich bereits abschwächenden Jetstream, ein Starkwindband in etwa neun Kilometern Höhe, das entscheidend sei für die Zugbahn und -geschwindigkeit der Hoch- und Tiefdruckgebiete, steige die Wahrscheinlichkeit für sogenanntes &bdquo;Standwetter“, also für Wetterlagen, bei denen Hoch- und Tiefdruckgebiete längere Zeit an einem Ort verweilen beziehungsweise nur sehr langsam weiterziehen. Föst: &bdquo;Länger andauernde, stationäre Starkniederschläge werden auch zukünftig im Winter dafür sorgen, dass die Temperatur in Richtung Gefrierpunkt fallen kann und in recht schmalen Zeitfenstern außergewöhnliche Schneemassen auftreten können. Statistisch gesehen bleibt solch ein Schneefallereignis für eine einzelne Region wie am 25. November 2005 in unseren Gefilden ein seltenes Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse nimmt aber auch in unserer Region im Zuge des Klimawandels zu und ist keineswegs nur auf Hitze und Trockenheit beschränkt. Auch in einem allgemein wärmeren Klima können bei uns nach wie vor auch außergewöhnliche, winterliche Wetterereignisse stattfinden, wie in jenen Tagen um den 25. November 2005.“ Mehr zum Thema: Lübbecker Meteorologe: Diese Wetterphänomene sind im Kreis Minden-Lübbecke typisch

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