Protest gegen das Regime: Iranerin aus Rahden schneidet sich die Haare ab

Lübbecker Land. Das Haus, in dem die 35-jährige gebürtige Iranerin Elmira Faramarzi Majelan in Rahden wohnt, ist schell gefunden. Vor dem Haupteingang am Drohneweg 21 steht ein Tisch mit vielen Kerzenleuchtern, kleine Plakate hängen an den Tischkanten herunter. Auf ihnen stehen klare Botschaften, die sich gegen das Regime im Iran wenden. Mittendrin ein bewegendes Porträt der gerade in iranischen Gefängnissen gefolterten und letztlich wohl an den Folgen der Misshandlungen gestorbenen jungen Kurdin Mahsa Amini. Elmira Majelan öffnet die Haustür, hinter ihr steht ihr Ehemann Amir. Das Paar bittet ins Wohnzimmer. Beide sind sehr ernst und kommen auch gleich zu ihrem Anliegen: "Jeden Moment sterben Menschen bei uns Zuhause, wir müssen etwas machen, dass das aufhört. Die Weltöffentlichkeit muss erfahren, was in unserer Heimat Iran passiert", ist Elmira Majelan gleich mittendrin im Geschehen. Auch die Familien werden bedroht Auch wenn die komplette Familie der Lehrerin, die an der Rahdener Sekundarschule unterrichtet, im selbst ernannten Gottesstaat wohnt und tagtäglich unter dem Mullah-Regime leidet, hat sie keine Angst. Ähnlich auch Ehemann Amir Majelan, mit dem sie seit zehn Jahren verheiratet ist und dessen Bruder inzwischen auch nach Deutschland flüchten konnte. Der größere Teil der Familie ist noch im Iran. "Seit vier Wochen sterben täglich die Menschen auf den Straßen in unseren Städten. Auch unsere Familien werden bedroht und gehen große Risiken ein, wenn wir hier in Deutschland für die Freiheit kämpfen", ist sich die hier lebende Iranerin sicher. Seitdem Mahsa Aminis Familie das Schicksal ihrer Tochter öffentlich gemacht habe, komme der Iran nicht mehr zur Ruhe. Das habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Vor allem die Frauen, aber auch die meisten jungen Menschen und inzwischen auch große Teile der Mittelschicht in ihrem Land hätten "die Nase endgültig voll von 40 Jahren ständiger Unterdrückung, Schikanen und Einflussnahmen bis in den privatesten Bereich des Lebens hinein". In Deutschland unvorstellbar Aus Solidarität mit den unterdrückten Frauen Zuhause hat sich auch Elmira Faramarzi Majelan die Haare abgeschnitten und den Kopf rasiert. Dies sei das sichtbarste Zeichen, das sie im Augenblick geben könne. Zurückzugehen in den Iran würde für sie, wie auch für ihren Mann, wohl mit dem Tode enden. Vom Geheimdienst würde man sicherlich sofort verhaftet, und unter Folter würde versucht werden, irgendwelche Geständnisse aus ihnen herauszupressen: "Das ist für euch hier in Deutschland sicherlich unvorstellbar, was da passiert", wird sie deutlich. Denn in ihrer Heimat ist die 35-jährige Lehrerin bereits mehrfach mit dem Regime unangenehm in Konflikt geraten. Seit der Schulzeit konnte sich Elmira Fararmarzi nicht mit dem Kopftuchgebot abfinden. Regelmäßig sei sie von den Kontrolleuren an der Schultür ermahnt worden, sich ordentlich zu bedecken. Sie machte bei den Online-Bewegungen "My Stealthy Freedom" (Meine heimliche Freiheit) und bei "White Wednesday" (weißer Mittwoch) mit. Dort war Elmira Faramarzi schließlich mutig genug, ihr Gesicht zu zeigen. Im Juli 2018 wurde sie deshalb für eine Woche verhaftet. Das führte letztendlich dazu, dass sie den Iran verlassen musste. So drohe beispielsweise den Frauen, die den traditionellen Hidschab nicht ordentlich genug tragen, Festnahme, Folter und sogar der Tod, wie jetzt bei Kurdin Mahsa Amini. Bei ihr sei noch hinzugekommen, dass sie zu einer Bevölkerungs-Minderheit gehöre, der generell noch weniger Rechte zugestanden würden. Generell dürften Frauen aber beispielsweise auch nicht Fahrradfahren oder gar einen Motorradführerschein absolvieren. Auch mit dem eigenen Hund alleine Gassigehen werde von der Glaubens-Polizei und deren Spitzel geahndet. Enttäuscht von der Bundesregierung Und dies seien nur wenige Beispiele, wie der islamische Gottesstaat die Menschen im Iran "wie Geiseln hält". Auch die im Iran lebenden Christen müssten sich diesem Diktat unterwerfen. Ganz stark betroffen sei auch die LGBTIQ-Gemeinde (Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queere) im Iran, die bereits viele Tote zu beklagen habe. Die Iranerin, die in Rahden lebt, und ihr Mann wollen dafür kämpfen, dass das Regime abgelöst wird durch eine liberale, demokratische Regierung. Das würde viele Probleme in der Region lösen. "Der Iran ist von allen das mächtigste und größte Regime", stellt sie unumwunden fest. Sie sei "sehr enttäuscht" von der Bundesregierung, vor allem von Außenministerin Annalena Baerbock, die das wisse und trotzdem nichts zur Menschenrechtssituation sagten. "Aber Öl und Gas sind im Augenblick natürlich viel wichtiger", gibt sie auch gleich die Antwort. Protest mit Kerzen und Postkarten Dennoch gibt Elmira Faramarzi Majelan nicht auf. Sie hat Postkarten drucken lassen, die man ans Außenministerium schicken kann, um gegen die Verletzung der Menschenrechte zu demonstrieren. Jeder könne bei ihnen vorbeikommen und eine Kerze entzünden. Sie sei bereit, öffentlich immer wieder über die Vorfälle zu berichten. Mit ihrem Mann besucht sie so viele Demonstrationen in Deutschland, wie sie eben kann, um ihren "Protest in die Welt hinauszuschreien". Am Wochenende waren sie gerade in Berlin.

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