CDU-Landespolitikerin über Corona-Regeln, Ausgangssperren und Gottesdienste

Rahden. Schnelle Hilfen, die wenn überhaupt im Schneckentempo ankommen und ein verstolperter Impfstart: Viele Bürger sind zunehmend sauer, wie schleppend der Kampf gegen das Coronavirus läuft. Dazu nimmt die CDU-Landtagsabgeordnete Bianca Winkelmann Stellung. Sie sagt auch, wen sie am liebsten als Kanzlerkandidat der Union hätte. Erklären Sie in zwei Sätzen, was angesichts der jetzigen Corona-Regelungen die Leser dürfen. Bianca Winkelmann: Die Lage ist sehr fragil. Stand heute kann der Einzelhandel mit einem tagesaktuellen negativen Corona-Test besucht werden. "Click & Collect" ist ohne Test möglich. Kita-Kinder werden gebeten, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben. Und über Ostern waren Osterreisen nicht erlaubt. Das waren fünf Sätze. Schauen Sie selbst noch durch bei den verschiedenen Regeln? Winkelmann: Es wurde bei der Ministerpräsidentenkonferenz über die Osterruhe gesprochen, dann kam die Rolle rückwärts. Dann kam die neue Verordnung für NRW und der Kreis hat eine Allgemeinverfügung erlassen. Minden-Lübbecke steuerte auf eine 200er-Inzidenz hin und deshalb wurden die Schulen kurz vor den Ferien geschlossen plus weitere Einschränkungen für Gottesdienste. Und jeden Bürger, der mich fragte, und das gab es häufig, bat ich, die Verordnung des Kreises zu lesen, weil das die Regeln für Minden-Lübbecke sind. Es erreichten mich viele Anfragen, ob es für die Stadt Rahden eigene Regeln gibt. Aber wir orientieren uns an der Allgemeinverfügung des Kreises. Und da schauen Sie nun noch durch? Winkelmann: Ich denke schon - aber immer wieder mit Blick auf das Infektionsgeschehen. Das sind auch die Konflikte, die es bei den Entscheidungen und bei den Entscheidern gibt. Welchen Sinn soll eine Ausgangssperre haben? Winkelmann: Die ist derzeit für NRW nicht angedacht. Dass sie in Minden-Lübbecke gilt, liegt einfach an den hohen Inzidenz-Werten. Aus meiner Sicht macht eine Ausgangssperre Sinn, weil sie verhindern soll, dass sich Menschen in größerer Zahl in privaten Räumen treffen. Nach allen mir vorliegenden Informationen findet die größte Zahl der Infektionen im privaten Bereich statt. Auch in Präsenz-Gottesdiensten treffen sich viele Menschen. Winkelmann: Wir wissen, dass es sich im Moment auf den Appell an die Verantwortlichen beschränkt oder je nach Inzidenzwert Einschränkungen möglich sind. In Minden-Lübbecke sind Gottesdienste auf 100 Personen in einem Gebäude und auf 90 Minuten beschränkt. Nach dem Willen unserer Landrätin hätten es 45 Minuten sein sollen plus Schnelltests. Das hätte ich begrüßt.Noch verantwortungsvoller finde ich das Handeln der evangelischen Kirche, die an Ostern komplett auf Präsenz-Gottesdienste verzichtete. Dass die Lage auch aus rechtlicher Sicht nicht einfach ist, zeigt sich im Urteil zu Lage. Der Rat hatte hier Gottesdienste wegen der hohen Inzidenzzahlen verboten. Dagegen klagte die katholische Gemeinde und verwies auf ihr Hygienekonzept. Das wurde vom Verwaltungsgericht anerkannt.Dass es zum Teil zu Verboten kommen kann, haben wir im Winter in Espelkamp gesehen wegen der damals dort sehr hohen Inzidenzwerte. Wichtig ist letztlich der Blick auf die Verältnismäßigkeit. Was sagen Sie einem Gastronomen, der ein gutes Hygienekonzept hat und trotzdem seit Monaten schließen muss - und Gottesdienste dürfen stattfinden. Winkelmann: Bei vielen Entscheidungen in dieser Coronazeit sind auch Widersprüche unterwegs. Die Freiheit zur ungestörten Religionsausübung steht aber nun mal klar im Grundgesetz. Nichtsdestotrotz: Die Gastronomie gehört meines Erachtens zu den großen Verlierern der Krise - neben Familien, Schülern und Studenten. Es ist uns allen bewusst, dass nur mit dem Außer-Haus-Geschäft auf Dauer kein Gastronom überleben kann. Die Hilfen, die speziell für die Gastronomie flossen, waren sicher sehr hilfreich. Aktuell weitet sich der Blick auf den vor- und nachgelagerten Bereich, was zum Beispiel Hilfen für Brauereien angeht. Grundsätzlich sind wir jetzt an einem Punkt angekommen, wo wir diese Krise nicht nur durch Verbote lösen können. Wir müssen Wege finden, aus der Krise herauszukommen. Das erwarten die Menschen von allen politischen Akteuren. Über allem steht nicht zwingend der Blick auf den Inzidenzwert, sondern auf die Auslastung im Gesundheitswesen. Der hohe Inzidenzwert allein sagt ja nichts über die Situation auf den Stationen aus. Gastronomie und Einzelhandel klagen, dass Hilfen gar nicht, nur unzureichend und auf jeden Fall zu spät kommen. Wenn der Staat Menschen das Grundrecht auf Gewerbefreiheit verbietet, dann muss er doch umgehend zu 100 Prozent den Schaden ersetzen, den er anrichtete - etwa im Gastgewerbe. Winkelmann: Die Soforthilfen im Frühjahr 2020 sind damals schnell geflossen. Dass der Bund es dieses Mal nicht hinbekommt, ist nicht zu beschönigen. NRW ist zusätzlich zwei Mal eingesprungen und hat den Solo-Selbstständigen, die nicht unter den Rettungsschirm fielen, einen sogenannten Unternehmerlohn bezahlt, weil sich der Bund insbesondere in Person von Finanzminister Olaf Scholz quer gestellt hat. Uns als CDU-Landtagsfraktion war das jedoch wichtig und NRW hat das insofern aus dem eigenen Landeshaushalt bestritten. Als wichtige Hilfe hat sich einmal mehr das das Instrument der Kurzarbeit bewiesen. Das hilft uns am meisten, viele Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Das bestätigt auch die Arbeitsagentur. Wie soll ein Trainer Kindern und Jugendlichen erklären, dass zwar bis zu 100 Menschen in einem Gottesdienst drinnen erlaubt sind, sie selbst aber im Mühlenkreis derzeit nur in einer Gruppe mit maximal zehn Kindern Sport treiben dürfen - und das nur draußen und wenn sie unter 14 Jahre sind? Winkelmann: Ich kann nur sagen, dass sind Widersprüche, die in dieser Diskussion nicht aufgelöst werden können. Daher auch der Appell an die Kirchen zu mehr Eigenverantwortung. Eltern, Kinder und Jugendliche fühlen sich mehr und mehr nicht gesehen und gehört. Sie kritisieren, dass sie zu wenig beteiligt und ihre Bedürfnisse kaum berücksichtigt würden. Übertreiben sie? Winkelmann: Gerade unsere Jüngsten haben in dieser Krise klar die Berechtigung, die Stimme zu erheben. Jugendliche konnten sich ewig nicht treffen, Sport fällt aus. Vor den psychischen Folgen hat auch unser Ministerpräsident gewarnt. Darum sind für mich die drei Säulen Testen, Kontaktverfolgung, um die Infektionsketten zu durchbrechen, und Impfen der Weg aus der Krise. Wir müssen sehen, damit insbesondere auch den Kindern und Jugendlichen die Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen. Auch für alle Vereine und die Ehrenamtlichen geht die Corona-Geduldsprobe weiter. Die wichtige Säule Ehrenamt ist seit einem Jahr ausgebremst. Es gibt die Befürchtung, dass nach Corona Helfer, Trainer und Betreuer fehlen werden, da sie sich anders orientiert haben. Welche Unterstützungs- und Motivationsmöglichkeiten gibt es? Winkelmann: Ich hoffe, dass sich die Menschen nicht anders orientieren. Für viele gehört das Ehrenamt zur Normalität dazu. Daran, wie groß die Freude war, als wieder im Freien trainiert werden durfte, erkenne ich, die Begeisterung ist noch da. Corona wirkt auch hier wie Brennglas und zeigt wie Gesellschaft vom Ehrenamt getragen wird. Es ist positiv zu sehen, dass die Corona-Hilfen auch in Vereinen angekommen sind. Alle Förderprogramme des Landes wie &bdquo;Moderne Sportstätten 2022" werden weiter greifen und positive Signale setzen in Richtung Ehrenamt. Wie sieht die Rahdener Innenstadt in den nächsten Jahren aus? Wird es mehr Leerstände als Geschäfte geben? Winkelmann: Ich glaube nicht, dass wir noch mehr Leerstände bekommen werden. Eine gewisse Fluktuation in der Geschäftswelt hat es immer gegeben. Passend dazu hat unsere Heimatministerin Ina Scharrenbach das Stärkungsprogramm für die Innenstädte verlängert. Ich hoffe auf einen Aufschwung nach der Krise. Ich bin eine geborene Optimistin. Wird es künftig noch stationären Einzelhandel geben? Winkelmann: Ja. Und Gastgewerbe vor Ort? Winkelmann: Auch. Natürlich darf diese Krise nicht mehr ewig dauern. Raus kommt man nur mit Impfen. Nimmt das nach Ostern denn auch endlich mal Tempo auf? In meiner Heimat haben schon rund 30 Prozent der Bürger wenigstens die erste Impfung bekommen. Es impfen sogar schon die Tierärzte mit und Präsident Biden will 90 Prozent aller Erwachsenen bis Ende April ein Impfangebot gemacht haben. Winkelmann: Es ist klar, dass jetzt jede Woche mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Und nun dürfen auch die Arztpraxen impfen. Die verstehen das übrigens am besten. Wir kriegen da schon Speed auf die Leitung. Welche Verzögerungen die Astrazeneca-Krise mit sich bringt, vermag ich nicht zu sagen. Aus meiner Sicht läuft es im Impfzentrum in Hille hervorragend. Das Problem ist nicht das Impfzentrum, sondern die bislang furchtbar komplizierte Terminvergabe. Schleswig-Holstein machte das gemeinsam mit den Profis von Eventim besser als NRW mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Winkelmann: In NRW war es über die beiden KVen geregelt. Uns war klar, dass es zum Start der Terminvergabe Chaos geben würde. Mittlerweile ist die Service-Hotline an einen anderen Anbieter gegangen - in der Hoffnung, dass das nun reibungsloser läuft. Bei der Impfung der über 80-Jährigen sind wir auf der Zielgerade. Viele Freiwillige helfen bei der Terminabsprache oder fahren Senioren in Impfzentren. Das sind positive Beispiele, wie der Zusammenhalt in der Krise funktionieren kann. Wird der Sommer entspannt? Winkelmann: Ja. Mit Testen, impfen und Rückverfolgung. In der K-Frage ist die Union gespalten. Können Sie als Fan von Armin Laschet mit Kanzlerkandidat Markus Söder leben? Winkelmann: Die Entscheidung wird zwischen Laschet und Söder fallen. Und als gute Demokratin kann ich auch mit der Entscheidung leben. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass mein Favorit nach wie vor Armin Laschet ist.

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