Die Varler Ortsvorsteherin zieht sich aus der Politik zurück

Rahden-Varl. Manche Lokalpolitiker gehören einem Rat über Jahrzehnte an. In dieser Zeit begleiten sie viele Entscheidungen. Bei Anette Streich ist das etwas anders. Die CDU-Ratsfrau war drei Jahre Ortsvorsteherin in Varl und zieht sich mit Ablauf der Wahlperiode aus der Politik zurück. Drei Jahre - das mag sich kurz und wenig spektakulär anhören. Die Realität aber ist eine andere. Vor gut drei Jahren hatte Anette Streich das Ratsmandat von Werner Bredenkötter übernommen und wurde damit auch Ortsvorsteherin in Varl. In der Stadt Rahden ist Anette Streich derzeit eine von drei Ortsvorsteherinnen - neben Bianca Winkelmann in Pr. Ströhen und der scheidenden Kleinendorfer Ortsvorsteherin Ulla Thielemann. Alle anderen Posten werden von Männern ausgeübt. Ortsvorsteher ist alles andere als ein Grußonkel Sie habe sich gesagt, dass sie die Ratsarbeit lernen kann, blickt Anette Streich zurück. Zuvor sei sie sachkundige Bürgerin gewesen und deshalb sei ihr die Ratsarbeit nicht ganz neu gewesen. Grußonkel oder Grußtante sei ein Ortsvorsteher oder eine Ortsvorsteherin nicht, hat die gebürtige Sielhorsterin festgestellt. Viele Bürger hätten Anliegen, es gebe im Ort Projekte. "Die drei Jahre hatten es in sich", sagt Streich. Das Thema Neubau des gemeinsamen Feuerwehrhauses für die Löschgruppe Varl/Sielhorst sei durch. Das nicht mehr benötigte frühere Varler Feuerwehrhaus ist mittlerweile zugunsten eines neuen Wohnhauses abgerissen worden. Umstrittene Stall-Planung und neue Kita Ihr Einstieg habe auch mit den Vorbereitungen für das Ortsjubiläum begonnen, merkt Streich an. Das hätte heuer gefeiert werden sollen, war wegen der Corona-Pandemie aber leider so nicht möglich. Dann gab es den höchst umstrittenen geplanten neuen Schweinestall unweit der "Legoland-Siedlung" und im vorigen und in diesem Jahr die Suche nach einem Standort für die neue Kita. Der zunächst angedachte Standort an der früheren Hengststation war nicht machbar, nun ist ein Standort am United-Park gefunden. "Langweilig war es nie", blickt Anette Streich auf die vergangenen drei Jahre zurück. "Ich sage nicht zu allem Ja und Amen" "Es ist schön zu sehen, dass man was bewirken kann, wenn man möchte", sagt Streich. "Ich sage aber nicht zu allem Ja und Amen." Es sei nicht immer einfach gewesen und man müsse auch einstecken können - auch aus der eigenen Fraktion. "Viele sagen, dass es Fraktionszwang gibt. Aber das ist Quatsch", sagt sie. Wer eine andere Meinung habe, der könne die auch vertreten, ohne abgebügelt zu werden. Welche Entscheidung die schwierigste war? Das sei eine der ersten für sie gewesen - nämlich über das mögliche Windkraft-Vorranggebiet Beekebruch. Streich: "Da weiß man wirklich nicht, ob es richtig oder falsch war." Der Rat habe sich in Sachen Widnkraft-Planung gegen den Bürgermeister entscheiden. Manche hätten das als Katastrophe bewertet. "Nicht alles lässt sich genau abwägen" Oft könne man einschätzen, was für einen persönlich richtig sei und auch entsprechend entscheiden. Bei der Windkraft aber sei das schwierig gewesen, blickt die Varler CDU-Ratsfrau zurück. Das sei ein bisschen wie der Blick in die Glaskugel gewesen. Ähnlich sei es bei der Sekundarschule gewesen. "Man entscheidet für die nächsten 20, 30 oder 40 Jahre - ohne zu wissen, was wirklich kommt, wie sich etwa die Schülerzahlen entwickeln." Mit Corona habe auch niemand gerechnet. "Nicht alles lässt sich bei Entscheidungen genau abwägen." Varler rückten für Jubiläum zusammen Als sehr positiv bewertet Anette Streich die Planungen für das Varler Ortsjubiläum. Viel habe sie mit Vertretern der Vereine und der Ortsteile zusammengesessen. "Dadurch haben wir ganz viel gemeinsam geschafft. Es wäre schön, wenn wir das fortsetzen könnten." Bedauerlich sei, dass das Jubiläum nicht gefeiert werden könne wie gedacht. Durch die Beratungen über Projekte für das integrierte kommunale Entwicklungskonzept (Ikek) hat Streich nach eigenen Angaben viele Varler kennengelernt - "wer wo wohnt und welchen Hund hat." Die Vernetzung sei gut gewesen, viele hätten mitgezogen - etwa beim Projekt, die Schießhalle zum Dorfgemeinschaftshaus umzubauen. "Ein Schritt nach dem anderen" Manche seien enttäuscht gewesen, dass die Halle für die Bogenschützen erstmal zurückgestellt worden, hat Streich beobachtet. Es müsse aber auch alles bezahlbar und von den Ehrenamtlichen leistbar sein. "Ein Schritt nach dem anderen", das favorisiere sie. Dass sie sich nun früher als gedacht aus der Kommunalpolitik zurückzieht, das liegt nach Angaben Streichs auch an zunehmenden Aufgaben im Job - und der Job habe Vorrang. Die Kommunalpolitik habe sie bei ihrem Arbeitgeber auch als Nebenjob anmelden müssen. Genau genommen sei das zusammen mit dem Ortsvorsteher-Amt auch ein Halbtagsjob. Warum Anette Streich nun aufhört Halbe Sachen machen und das Ratsmandat so nebenher laufen lassen, das könne sie nicht. Sie habe sich um Anliegen immer gründlich gekümmert. Nun aber habe sie im Job viel mehr zu leisten - wegen Corona-Folgen und firmeninternen Umstrukturierungen. Für Varl hofft Anette Streich unter anderem, dass es auch in Zukunft Bauplätze gibt. Im Dorf entstehe eine neue Kita "und wenn wir eine Kita bauen, müssen wir Familien im Dorf auch den Wohnraum ermöglichen". Die Nachfrage jedenfalls sei da.

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