Krisengeplagt: Wie der Wald im Lübbecker Land auch künftig wachsen kann

Lübbecker Land. Rund 40 Personen haben sich am Waldrand versammelt. Bis sich alle Teilnehmer des Waldbauerntages am Treffpunkt unweit des Nonnensteins zusammengefunden haben, vergehen einige Minuten. Revierförster Jürgen Rolfs wartet geduldig, hält neben einer Karte und einer Mappe eine kleine Eiche in der Hand, deren trockenes Laub bei Bewegungen raschelt. Als er den jungen Baum begutachten wollte, fand Rolfs ihn so vor. Mäuse hatten den dünnen Stamm abgenagt. An gepflanzten Bäumen fallen ihm diese Schäden häufiger auf. Nachdem sie vollzählig sind, richtet Friedhelm Kohlwes einige Worte an die Gruppe. Als Vorsitzender der Bezirksgruppe Minden-Lübbecke des Waldbauernverbandes kennt er die 23 Vorstände der einzelnen Zusammenschlüsse innerhalb des Kreises. Was er zu erzählen hat, ist ihnen allen wohlbekannt: Die Besonderheit des Kreises sind die extrem kleinteilig strukturierten Grundbesitzverhältnisse in den Wäldern. Er selbst besitzt zwei Hektar Wald, aufgeteilt auf fünf Grundstücke. Für die Waldbauern gehen damit Herausforderungen einher, die den meisten Menschen, im Gegensatz zu offensichtlichen Problemen wie dem Borkenkäferbefall und den Folgen des Klimawandels, verborgen bleiben. Auf sie aufmerksam zu machen und die im Laufe der Zeit gewonnene Expertise gegenüber Vertretern aus der Lokal-, Kreis- und Landespolitik zu verdeutlichen, ist Ziel des Waldbegangs, zu dem die Gruppe jetzt aufbricht. Wie sich die Natur verjüngt &bdquo;In diesem Stück waren wir seit 2019 bestimmt bestimmt 15 bis 20 Mal in den Fichten“, sagt Jürgen Rolfs. Viele der Fichten hier sind dem Borkenkäfer in den letzten Jahren zum Opfer gefallen. Jürgen Rolfs, Markus Uhr und Charlotte Geick führen die Gruppe querfeldein, ein letztes Stück bergauf, auf eine grüne Hangfläche. Zwischen wilden Himbeerpflanzen und langen Brombeerranken suchen sich die Teilnehmer einen Weg. Nachdem der Borkenkäferbefall den Baumbestand auf dieser 1.250 Quadratmeter großen Fläche nahezu vollständig zerstört hat, wachsen hier Schätzungen zufolge 900 junge Bäume. Nur wenige davon wurden gezielt gepflanzt. Der überwiegende Großteil hat sich hier ohne menschliches Zutun angesiedelt. Man nennt das Naturverjüngung. Deutliche Unterschiede in Anzahl und Artenreichtum auf den Flächen Ob sie ein geeigneter Weg ist, um dauerhaft einen gesunden Mischwald zu erreichen, versucht Wald und Holz NRW seit Anfang des Jahres durch ein sogenanntes Sukzessionsmonitoring herauszufinden. Über einen langen Zeitraum werden bestimmte Flächen dafür beobachtet und die Entwicklungen, die durch natürliche Sukzession und Einflüsse wie Lage, Wild und Witterung darauf entstehen, ausgewertet. Schon nach der ersten Datenaufnahme, die gerade erst abgeschlossen ist, zeigen sich deutliche Unterschiede in Anzahl und Artenreichtum auf den Flächen. Grundsätzlich hält Charlotte Geick Naturverjüngung für einen guten Ansatz: &bdquo;Man kann einen Mischwald aus Naturverjüngung generieren, wenn man Konkurrenzpflanzen zurückschneidet und Bejagungspläne anpasst“, ist sie zuversichtlich. Eine Zusammenarbeit mit der Jägerschaft ist nötig, um den Verbiss junger Bäume im Rahmen zu halten. Würde man Brombeeren und Adlerfarn nicht zurückschneiden, würden junge Bäume überwuchert. Unter Schneebruch hat der Baumbestand 1978/79 großen Schaden genommen Nach wenigen Minuten Fußweg öffnet sich links des Weges die Vegetation und gibt die Sicht auf grüne Flächen und gelbe Getreidefelder im Eggetal frei. Rechts des Weges blüht der pinkfarbene Fingerhut so hoch, dass er einige der Damen auf dem darunterliegenden Weg überragt. &bdquo;An den Grundstücken von 13 Eigentümern sind wir bis hierher vorbeigekommen“, so Rolfs. Wenig später wird der Wald dichter. Jürgen Rolfs steht leicht erhöht in einer Fläche, deren Entwicklung er beobachtet, seit er die Forstschule verlassen hat. Unter Schneebruch hat der Baumbestand im Winter 1978/79 großen Schaden genommen. Bei der Wiederaufforstung hat man damals nur 20 Prozent Nadelholz gepflanzt, sagt er. Jeweils vier Buchen und ein Nadelgehölz. Die Küstentannen sind inzwischen nutzungsreif, sie könnten dem Eigentümer also wirtschaftlichen Nutzen bringen, würde man sie jetzt fällen. Was nach rein ökonomischer Orientierung klingt, ist für die Ökologie des Nutzwaldes von großer Bedeutung. Warum ein Mischwald Pflege braucht &bdquo;Wenn man sich um einen Mischwald nicht kümmert, entmischt er sich“, erklärt der Förster. Dazu gehört auch, immer wieder Bäume zu entnehmen, die dann anderen Platz machen. Auf den jeweiligen Lebenszyklus der gemeinsam gepflanzten Baumarten zu achten, ist wichtig. &bdquo;Ändert sich das Klima, sind Baumarten, die 40 Jahre bis zur Nutzungsreife brauchen, vielleicht besser als solche, die 150 Jahre brauchen“, sagt er. Bei der Naturverjüngung sollte bedacht werden, dass sich nur vermehren kann, was in der Nähe ist. Möchte man verhindern, dass manche Baumarten aus den Wäldern verschwinden, muss man unter Umständen durch gezielte Anpflanzung nachhelfen. Vom breiten Wirtschaftsweg aus geht es auf einen schmalen Trittpfad. Der weiche Boden federt die Schritte. Es wächst so viel Waldmeister darauf, dass man Mühe hat, ihm auszuweichen. Der Revierförster hat das trockene Eichenstämmchen inzwischen gegen den frischen Zweig einer Elsbeere getauscht. Weil so viele Edelhölzer mit essbaren Früchten darauf wachsen, nennt er dieses Stück Wald das &bdquo;Kuchengatter“. Mit Elsbeeren, Kirsch- und Walnussbäumen hat man versucht, hier mit einer eher niedrigen Anzahl hochwertiger Hölzer einen wirtschaftlichen Weg zu finden. Dass sich Pionierbaumarten wie die Birke dazwischen befinden, kommt den gepflanzten Bäumen zugute. Sie sorgen für einen aufrechten Wuchs der gewünschten Baumarten. &bdquo;Die da vorne wirft jetzt aber einen Schatten und wird als nächstes weichen müssen“, vermutet Rolfs. Es reicht also unter Umständen aus, nur wenige Lichtbaumarten zu pflanzen, sofern man anschließend dafür sorgt, dass sie auch groß werden. Außerdem gibt er zu bedenken: &bdquo;Wenn das Umweltbundesamt den Holzbrand endgültig verteufelt, wird es schwierig mit der wirtschaftlichen Privatwaldbewirtschaftung.“ Gespräch mit Nachbarn gesucht Während es weitergeht, erzählt Gerd Beneker davon, wie er das Problem mit der wirtschaftlichen Privatwaldnutzung angegangen ist. Im Stemweder Umland besitzt er Flächen, die nicht nur kleinteilig strukturiert, sondern neben Grundstücks- auch von Gemeinde-, Kreis- und Landesgrenzen durchzogen sind. Der ehemalige Landwirtschaftslehrer, der Agrarwirtschaft mit Schwerpunkt Ökonomie studierte, suchte vor allem das Gespräch mit seinen Nachbarn. &bdquo;Man muss viel erklären und viel Überzeugungsarbeit leisten, aber am Ende ist es für alle einfacher“, sagt er. Sie tauschten Grundstücke untereinander, kauften und verkauften benachbarte Waldstücke, ließen aneinandergrenzende Grundstücke zu einem größeren zusammenfassen und können ihre Waldstücke seither viel effektiver bewirtschaften. Vorher seien zwei seiner Grundstücke nur jeweils sieben Meter breit gewesen. Da konnte er nicht einmal einen Baum quer fällen, da er sonst möglicherweise Schaden am Bestand des Nachbarn angerichtet hätte. Rechts des Weges sitzt eine geschnitzte Eule auf einem Baumstumpf. Sie ist eine von mehreren Kettensägenschnitzereien, die Stefan Nelke zur Verfügung gestellt hat, um für Familien einen Anreiz zum Waldspaziergang zu bieten. &bdquo;Dürfen nicht untätig sein“ Kurz nachdem die Gruppe sie passiert hat, gelangt sie in ein Waldstück, dessen Wiederaufforstung im ersten Anlauf nicht so funktioniert hat, wie erhofft. Die Birken kamen gemäß ihrer Natur als Pionierbaumart von alleine, den Ahorn, die Kirschen und Zitterpappeln haben sie angepflanzt. Letztere brechen den Boden wieder auf, wenn er von schweren Maschinen verdichtet wurde, erklärt der Förster. Nach der Pflanzung sah es nicht so aus, als würde aus den Bäumen etwas werden. Im Laufe der Zeit konnten sie durch die Forstmitarbeiter aber aus dem Baumbestand &bdquo;herausgepflegt“ werden. So entstanden durch Pflege erfolgreich gesetzte Zielbaumarten und, fast nebenbei, auch nutzungsreife Bäume, die im Rahmen der Pflege weichen mussten. Rolfs nennt das lieber &bdquo;Zwischenwald“ als &bdquo;Vorwald“. Für die Aufnahme der &bdquo;Initialpflanzung Vorwald“ in den Förderkatalog hatte sich Bianca Winkelmann als Landtagsabgeordnete eingesetzt. Nach knapp drei Kilometern endet der Gang. Friedhelm Kohlwes unterstreicht den Wunsch, die Waldbauern seitens des Kreises zukünftig in die Erstellung von Landschaftsentwicklungsplänen einzubeziehen. &bdquo;Anders, als in Herford“, sagt er. Ali Dogan verweist auf seinen bereits nickenden Arbeitsgruppenleiter Sönke Tielbürger und sichert seine Unterstützung zu. &bdquo;Wir dürfen nicht untätig sein, was den Wald angeht und möchten als Kreis mit den Waldbauern eng zusammenarbeiten“, sagt er.

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