Kastanienhof-Schließung: Das sagen Pflegeheime aus dem Kreis Minden-Lübbecke

Lübbecker Land. Schon lange werden die Arbeitsbedingungen und der Personalmangel in der Pflege beklagt. Bisherige Maßnahmen haben kaum etwas geändert. Die Situation verschärft sich weiter. Inzwischen haben einige Heime Aufnahmestopps verhängt oder ihre Angebote eingeschränkt. Und bundesweit müssen bereits einige Heime schließen, zuletzt sogar ein Heim im Lübbecker Land: der Kastanienhof in Preußisch Oldendorf. Ob noch weitere Heime folgen müssen, wie schwierig die Bedingungen in der Altenhilfe insgesamt geworden sind und wie sich die Situation bei anderen Trägern der Altenhilfe in der Region darstellt, darüber hat sich nw.de bei zwei großen Trägern, dem Ludwig-Steil-Hof und der Unternehmensgruppe Dr. Bock in Rahden informiert. Seit Jahrzehnten werden in der Pflege die gleichen Missstände beklagt - es fehlt an Personal, die Arbeitsbelastung ist hoch. Auch die von der Politik angestoßene Reform der Pflegeausbildung oder Anwerbeversuche im Ausland konnten an den Arbeitsbedingungen kaum etwas verbessern. Anfang September wurden nun die Mindestlöhne in der Pflege angehoben. Doch Experten bezweifeln, dass sich dadurch tatsächlich etwas ändert. Auch in den Heimen im Lübbecker Land verschärft sich die Situation zunehmend In den Heimen verschärft sich die Situation zunehmend. Einige Pflegeheime sehen sich aufgrund der Bedingungen gezwungen, ihre Einrichtungen zu schließen - vor allem wegen des Personalmangels. "Die Fälle nehmen zu. Ich kann auch aus eigener Erfahrung sagen: Wenn eine Fachkraft aufhört, weil sie schwanger wird, weil sie verzieht oder weil sie den Arbeitgeber wechselt - das ist ein Schlag in die Magengrube. Sie wissen ganz genau, sie bekommen keinen Nachwuchs mehr", berichtet Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. Der Mangel an Pflegekräften lässt sich auch konkret in Zahlen fassen. Prof. Heinz Rothgang, Pflegeexperte an der Universität Bremen, hat mit seiner Forschungsgruppe untersucht, wie viele Fachkräfte in der stationären Pflege gebraucht werden. "Wir haben im Auftrag des Gesetzgebers von 2017 bis 2020 genau das untersucht. Mit dem Ergebnis, dass wir gut ein Drittel mehr Pflegekräfte brauchen in Deutschland. Das sind, wenn man es in Stellen ausdrückt, mehr als 100.000 zusätzliche Stellen. Und es ist klar, solange diese Stellen nicht geschaffen und besetzt sind, haben wir zu wenig Personal in Pflegeheimen." Einrichtungen in Espelkamp und Lübbecke erhalten nun viele Anfragen Das allein ist allerdings nicht der Grund, warum immer mehr Heime schließen müssen. Die Corona-Situation hat zusätzliche Kosten verursacht und sie ist auch in vielen Heimen noch nicht ausgestanden. Die Inflation verursacht immer höhere Kosten bei der Unterbringung, der Versorgung und letztendlichen Bewirtschaftung der Pflegeheimplätze. Und die infolge der Ukraine-Krise verursachten höheren Energiekosten tragen zusätzlich dazu bei. Hinzu kommt natürlich die Unternehmensform, in der die Einrichtung geführt wird. So müssen zum Teil bei reinen privatwirtschaftlich organisierten Trägern auch noch saftige Gewinne abgeführt werden: Dies ist beispielsweise beim Ludwig-Steil-Hof und seinen Einrichtungen nicht so. Ebenso wie bei diakonischen, karitativen und großen Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege oder auch bei Einrichtungen in öffentlicher Hand. Das bestätigt Diakon Michael Biesewinkel, Pressesprecher der Evangelischen Stiftung Ludwig-Steil-Hof. Sie unterhält in Espelkamp und Lübbecke Einrichtungen der Altenhilfe wie das Volkeninghaus mit 125 Plätzen und 48 Wohneinheiten, eine Tagespflege und in Lübbecke das Obermehner Pflegehaus, das 34 vollstationäre Plätze anbietet. Steilhof hat viele Anfragen vom Kastanienhof erhalten Nach Bekanntwerden der Schließung des Oldendorfer Kastanienhofes habe man viele Anfragen von Angehörigen und Betreuern erhalten, so Biesewinkel im nw.de-Gespräch. Soweit möglich habe man diese gerne und schnell in beiden Häusern berücksichtigt und ansonsten gebe es sowohl im Volkeninghaus als auch im Obernfelder Pflegehaus eine Warteliste. Diese finde auch bestmögliche Beachtung. Biesewinkel: "Schließungen sind bei uns jetzt und auch in Zukunft nicht zu erwarten, da wir strukturell gut und vorausschauend aufgestellt sind." Perspektivisch bleibe die Situation in der Pflege auch für den Ludwig-Steil-Hof weiterhin angespannt, "wenn sich die Finanzierungsgrundlagen nicht absehbar verbessern". Er wünscht sich "entsprechende Maßnahmen aus der Politik". Biesewinkel weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einrichtungen gemeinnützig geführt werden. Bei den Teuerungsraten umsichtig kalkulieren Hinsichtlich der Personalplanung profitiere man langfristig von einer guten Bezahlung nach Tarif, und man habe "immer schon in zukunftsorientierter Ausbildung investiert". Darauf lege man weiterhin das Augenmerk. Nicht zuletzt deshalb seien die Stellen qualifiziert besetzt und nicht von einem Belegungsstopp bedroht gewesen. Richtig sei auch, dass man unter anderem aufgrund allgemein bekannter Teuerungsraten umsichtig kalkulieren müsse. "Das tun wir auch", wird er deutlich. Man profitiere aber auch von der Größe und Vielschichtigkeit der Einrichtungen. Alle Mitarbeitenden in den Einrichtungen arbeiteten auf allen Ebenen engagiert und mit viel Einsatz. Auch davon profitiere man langfristig, so der Steilhof-Pressesprecher. "Wichtig ist, dass alle Stellen besetzt sind" "Wir haben eine gute Nachfrage", freut sich Reiner Meenken, Gesamtgeschäftsführer der Dr. Bock-Unternehmensgruppe mit Sitz in Rahden. Sie gehört zu den großen Einrichtungen der Altenhilfe im Kreisgebiet Minden-Lübbecke und unterhält, mehrere Altenheime, ein Pflegeteam, zwei Tagespflegen und das "Quartier Katzengasse" in Rahden. "Für die Menschen und vor allem die Bewohner ist die Situation in Preußisch Oldendorf sehr schlecht. Das darf nicht passieren", macht er deutlich. Sein Unternehmen stehe vor keiner Insolvenz, "das kommt gar nicht infrage". Es sei allerdings immer schwerer geworden, unter den "veränderten Rahmenbedingungen" in der Altenhilfe zu arbeiten. Er weist allerdings auch darauf hin, dass die Pflegesätze sich "in den vergangenen Jahren auch immer erhöht hätten". Für viele Häuser werde dennoch die Erlössituation immer schwerer, das glaube er gerne. Dennoch kämen auch die "zahlenden Bewohner an ihre Belastungsgrenze". Als Hauptproblem bezeichnet er jedoch die Personalentwicklung. "Gott sei Dank sind bei uns alle zur Verfügung stehenden Stellen komplett besetzt. Das ist sehr gut". Es gebe auch bei der Dr. Bock-Gruppe Wartelisten, die Nachfrage sei weiterhin sehr gut. Lesen Sie außerdem: Die Geschichte des Pflegeheims Kastanienhof in Bad Holzhausen

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