So hat das Polizei-Unfallteam beim tödlichen Zusammenstoß auf der A2 gearbeitet

Porta Westfalica/Bielefeld. Als Johannes Katz am Dienstagnachmittag mit seinen Kollegen am Unfallort auf der Autobahn 2 in Höhe Porta Westfalica eintrifft, bietet sich ihnen ein schreckliches Bild: Ein Wohnmobil ist vermutlich ungebremst auf einen stehenden Lastwagen aufgefahren. Der Fahrer ist kurz zuvor an der Unfallstelle verstorben, die Beifahrerin lebensgefährlich verletzt. Auch ein Hund kam zu Tode. Johannes Katz gehört zum Verkehrsunfallteam der Polizei Bielefeld, das bei schweren Unfällen wie diesem ausrückt, um Datenmaterial zu sammeln. Lesen Sie dazu: Wohnmobil kracht in Lkw: Mann und Hund sterben auf A2 bei Porta Westfalica "Das war schon heftig", erinnert sich Katz noch genau an das Bild an der Unfallstelle. Der Frontbereich des Wohnmobils war völlig zerstört. Solche Anblicke muss das Team für seine Arbeit an der Unfallstelle möglichst ausblenden. "Aber das klappt nicht immer", weiß Katz aus Erfahrung. Seit mittlerweile mehr als einem Jahr gibt es das Verkehrsunfallteam der Polizei Bielefeld, das auch für schwerere Unfälle in der hiesigen Region zuständig ist. Bei dem Unfall in Porta traf es einen 70-Jährigen. Damit ein Gutachter im Nachhinein den Unfallhergang möglichst genau rekonstruieren kann, sichert das Unfallteam zahlreiche Spuren. Manchmal auf allen vieren auf dem Asphalt Johannes Katz spricht von der sogenannten objektiven Befundaufnahme. "Wir sichern alle Spuren, die die Fahrzeuge bei dem Unfall hinterlassen oder in elektronischen Geräten gespeichert wurden", schildert der Polizeihauptkommissar. Das fängt bei Brems- und Schleuderspuren an, geht weiter über Kratzer und Einschläge im Asphalt und endet beim Auslesen von Steuerungsgeräten oder Fahrtenschreibern. "Um Spuren auf dem Asphalt zu sichern, kriechen wir manchmal auch auf allen vieren umher." Nur so lasse sich im Einzelfall auch mal eine leichte Schattierung auf der Straße feststellen. Das Spektrum der digitalen Möglichkeiten sei mittlerweile dank moderner Bordtechnik sehr weit, erklärt Johannes Katz. In vielen Fahrzeugen würde beispielsweise ein Airbag-Steuergerät die letzten fünf Sekunden vor einem Aufprall dokumentieren. Anhand der Daten können die Polizisten dann im Nachhinein sehen, wie schnell die Autos zum Zeitpunkt des Unfalls gefahren sind. Bei dem Zusammenstoß auf der Autobahn in Porta ließ sich die Bordelektronik des Wohnmobils nicht mehr auslesen. "Die Fahrerkabine war einfach zu sehr zerstört." Dafür konnten die Polizisten Speicher aus den beteiligten Lastwagen auslesen und die Daten sichern. An der Unfallstelle kam auch ein 3D-Scanner zum Einsatz. "Damit können wir später am Computer schauen, wie sich die Fahrzeuge bei dem Aufprall verhalten haben." 20 Stunden werden Daten aufbereitet Mit dem Scanner könne die Unfallstelle maßstabsgetreu so genau vermessen werden, dass sich der Betrachter hinterher am PC aus der Ich-Perspektive in das digitale Abbild des Unfalls begeben könne. "Dabei spielen für die Auswertung auch Sichtachsen eine Rolle, die die verschiedenen beteiligten Fahrer gehabt haben könnten", erklärt der Polizist. Auch eine Drohne hat das Unfallteam an der Einsatzstelle steigen lassen. "So lässt sich die Unfallstelle aus der Luft ebenso maßstabsgetreu ablichten und später vermessen. Auf den Bildern sieht man dann nicht nur die Unfallwagen, sondern auch die markierten Unfallspuren." Vier Stunden lang war das Team aus Bielefeld vor Ort, um Spuren zu sichern. Die weitaus intensivere Arbeit folgt später aber auf der Dienststelle: Bis zu 20 Stunden dauere es, bis die Daten gerichtsverwertbar aufbereitet sind. Auswertung zum Fall Porta sind nicht abgeschlossen Zum konkreten Fall aus Porta könne er noch nichts sagen, "die Auswertung ist noch lange nicht abgeschlossen". Sind alle Datensätze verschriftlicht, laufen sie zusammen mit den Zeugenaussagen, die der Streifendienst aufgenommen hat, beim zuständigen Sachbearbeiter im Verkehrskommissariat zusammen. Der entscheidet dann, welche Infos noch fehlen und vernimmt Beteiligte im Anschluss. Sollte das Gutachten eines Sachverständigen notwendig sein, stimmt sich der Sachbearbeiter auch mit der Staatsanwaltschaft ab. "Wenn wir zu Unfallstellen gerufen werden, dann geht es um schwerwiegende Delikte", erklärt Johannes Katz. Es gehe oft um lebenslange Folgen, hohe Schmerzensgeldsummen und gesundheitliche Folgen. Da sei es besonders wichtig, dass so viele Spuren wie möglich ausgewertet werden, um den Hergang genau rekonstruieren zu können. Was später vor Gericht als recht abstrakte Akte landet, mischt sich bei den Polizisten des Verkehrsunfallteams oft mit den persönlichen Eindrücken von vor Ort. "Das müsste man eigentlich immer ausblenden, das fällt aber manchmal schwer", sagt der Polizeihauptkommissar. "Besonders bei Unfällen mit Kindern." Nach belastenden Einsätzen sprechen die Kollegen miteinander und es gibt die Möglichkeit, psychologische Unterstützung anzufordern. "Da sind wir Gott sei Dank sehr gut aufgestellt." 103 Einsätze im Jahr 2022 Das Verkehrsunfallteam ist mittlerweile seit einem Jahr und vier Monaten im Einsatz. Das Team besteht aus zehn Polizisten und drei Regierungsbeschäftigten, die als Kfz-Meister für Pkw, Lkw und Ingenieur in der Einsatzgruppe arbeiten. Um Unfälle detailliert aufnehmen zu können, ist das Team mit spezieller Technik ausgestattet. Dazu gehören Kameradrohnen, 3D-Scanner für die Aufnahme von Unfallbildern, normale Kameras, Auslesetechnik für Bordelektronik, Beleuchtungseinrichtung, Mikroskope und andere Werkzeuge. 103 Einsätze hat das Team im vergangenen Jahr bewältigt. In der Regel rückt die Einsatzgruppe aus, wenn ein tödlicher Unfall gemeldet wird. Oder wenn mindestens eine Person reanimiert werden muss oder in akuter Lebensgefahr schwebt. Ab Mitte April sollen deutlich mehr Kriterien hinzukommen, damit das Team ausrücken kann, erklärt Johannes Katz: Dazu werden Unfälle bei Straßenrennen zählen, wenn dabei eine fremde Person verletzt wurde. Auch bei Unfallfluchten mit Verletzten wird das Team künftig gerufen.

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