Smartwatch rettet schwer verletzten Wanderer im Wiehengebirge

Porta Westfalica. Ein kalter Wind weht an diesem Donnerstagnachmittag rund um das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, immer wieder setzt der Nieselregen ein. Die Wege sind nach zwei regnerischen Tagen aufgeweicht, nasses Laub macht die Bedingungen nicht besser. Eigentlich spricht alles dafür, das Gebiet rund um das Kaiser-Wilhelm-Denkmal zu meiden. Warum sich ein 67-Jähriger Portaner ausgerechnet unter diesen Bedingungen den Kammweg im Wiehengebirge zum Nordic Walking ausgesucht hat, ist unklar. Vermutlich kurz nach 16.45 Uhr, die Sonne ist zu diesem Zeitpunkt bereits untergegangen, rutscht er aus und stürzt eine rund 20 Meter hohe Steilklippe hinab. Um 16.49 Uhr geht der Notruf bei der Feuerwehr ein und es beginnt eine der aufwendigsten Rettungsaktionen der vergangenen Jahre in der Region. Gerettet haben den Mann zahlreiche Einsatzkräfte – und ein kleines technisches Gerät. Eine Smartwatch, die der Mann bei dem Unglück trug, erweist sich womöglich als Lebensretter. Dieses Gerät hat den Sturz registriert und automatisch über die Notrufzentrale die Feuerwehr alarmiert. &bdquo;Wenn kein Notruf absetzt worden wäre, hätte es sehr lange gedauert, den Mann überhaupt zu finden“, sagt Bernd Schader von der Feuerwehr zu den Geschehnissen am Donnerstagabend. Notruffunktion verschickt exakte GPS-Koordinaten So werden die Rettungskräfte gegen 16.49 Uhr zunächst wegen einer vermissten Person im Wiehengebirge alarmiert. Die Feuerwehr sucht den Wittekindsweg ab, ein Polizeihubschrauber und Einheiten mit Wärmebilddrohnen werden ebenfalls zum Unfallort gerufen. Einsatzkräfte können den Mann dann relativ schnell unterhalb einer Steilklippe ausmachen, wohl auch dank der GPS-Koordinaten, die das Gerät übermittelt hat. Eine solche automatische Sturzfunktion haben heutzutage viele Smartwatches, etwa von Marktführer Apple aber auch die der zahlreichen weiteren Marken. Ein eingebauter Sensor registriert, wenn es zu einer schnellen Abwärtsbewegung kommt. Oft sind diese Modelle zusätzlich mit einem Notfallknopf oder einer SOS-Taste ausgestattet. Die Uhren informieren – entweder automatisch oder durch Betätigen der SOS-Taste – zuvor festgelegte Notrufkontakte und versenden zugleich die exakten Koordinaten der Unfallstelle, um möglichst eine schnelle Rettung zu forcieren, so wie in dem Fall des nun verunglückten Mannes. Spezialausrüstung für Rettung nötig Die Stelle, an der der schwer verletzte Mann liegt, befindet sich zwischen dem Wittekindsweg auf dem Bergkamm und dem gesperrten Felsenweg. Ohne Spezialausrüstung kommen die Einsatzkräfte von oben nicht weiter, der aufgeweichte Boden macht die Arbeit der Retter noch deutlich schwerer. Feuerwehr, Rettungsdienst und Notarzt arbeiten sich vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal von unten über den Felsenweg zu dem Mann vor. Als die ersten Rettungskräfte bei ihm eintreffen, ist er nicht ansprechbar. Ihn über den Felsenweg abzutransportieren ist unmöglich, die Baumkronen verhindern eine Bergung vom Hubschrauber aus. &bdquo;Ohne Abseilen von oben war die Stelle nicht erreichbar“, erklärt Michael Horst, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Porta Westfalica. Und so fällt die Entscheidung, die Höhenrettungsgruppe der Feuerwehr Espelkamp zu alarmieren. An der Unfallstelle wird der Mann inzwischen von einem Notarzt versorgt. &bdquo;Der Transport zum Rettungswagen gestaltete sich in dem Gelände extrem schwierig, denn an der Unfallstelle führt nur ein kleiner Pfad entlang der Klippen“, erklärt Michael Horst. Absperrungen oder Geländer würde es an dieser Stelle nicht geben. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Dunkelheit Rinnen im Gestein nur sehr schwer auszumachen sind, weshalb die Einsatzstelle von einem Hubschrauber ausgeleuchtet werden muss. Verletzter wird von Helfern hochgezogen So bauen die Höhenretter aus Espelkamp an der Unfallstelle die notwendige Vorrichtung zum Abseilen auf. Ein Höhenretter seilt sich dann mit einer sogenannten Schleifkorbtrage zur Absturzstelle ab. Diese wird vor allem für die Rettung aus unwegsamen Gelände oder engen und unzugänglichen Gebäuden genutzt. In dieser Rettungswanne, die vor allem in der Berg-, Höhlen- und Höhenrettung zum Einsatz kommt, wird der Mann dann unter Begleitung des Höhenretters die Steilklippe hinaufgezogen. &bdquo;Das passierte mit vereinten Kräften von Feuerwehr, Polizei und Rettungskräften“, berichtet Horst. Laut Auskunft des Feuerwehrsprechers ist die Rettung des Mannes logistisch extrem aufwendig: Sämtliches Material muss zu Fuß beziehungsweise über die Seile zur Absturzstelle befördert werden, Großfahrzeuge kommen nicht in die Nähe der Unfallstelle. Immerhin können der Rettungsdienst und die Höhenretter einen Wirtschaftsweg bis zum Sendemast nutzen, der sich zwischen Denkmal und Moltketurm befindet. Erschwerend kommt hinzu, dass frisch umgestürzte Bäume den Wittekindsweg zwischen Sendemast und Moltketurm versperrten. Gegen 19.30 Uhr, also etwas mehr als zweieinhalb Stunden nach Eingang des Notrufes, ist die Rettung dann perfekt. Der schwerst verletzte Wanderer befindet sich zu diesem Zeitpunkt wieder auf dem Wittekindsweg und ein weiterer Notarzt übernimmt die medizinische Versorgung, bis er ins Johannes-Wesling-Klinikum gebracht wird. Experte gibt Tipps und warnt vor Google Maps Unfälle wie der am Donnerstagabend lassen sich mit einigen Verhaltensregeln aber auch vermeiden. &bdquo;Die erste Pflicht ist, auf den ausgezeichneten Wanderwegen zu gehen“, sagt Lutz Carta – und gibt damit einen wichtigen Tipp für das richtige Verhalten im Wald. Carta ist seit mehreren Jahren Natur- und Landschaftsführer und für seine Touren regelmäßig im Wiehengebirge unterwegs. Besonders bei Einbruch der Dunkelheit müssten Wanderer noch mehr als ohnehin schon aufpassen. Der Experte beobachtet immer wieder, dass Menschen auf gesperrten oder schon lange nicht mehr existenten Wegen unterwegs seien. &bdquo;Da befindet sich teilweise gar kein richtiger Weg mehr, es liegen Baumstämme herum – all das kann es sehr gefährlich machen.“ Auch vor den Steinbrüchen und alten Lüftungsschächten, die sich noch immer im Berg befinden, warnt der Experte. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass besonders im Wald auf die Schilder mit den gekennzeichneten Wegen geachtet werden sollte – besonders als unerfahrener Wanderer. &bdquo;Nicht nur auf das Handy und Google Maps schauen“, sagt Carta nicht ohne Grund. Denn auf diesen Karten sind alle möglichen Wanderwege eingezeichnet, die es schon seit vielen Jahren nicht mehr gibt und dementsprechend auch nicht gepflegt werden. &bdquo;Wenn ich mich da nur auf mein Handy verlasse, dann geht das nicht“, so Carta. Passendes Schuhwerk ist wichtig Abgesehen davon rät der Experte Wanderern dazu, vor allem das passende Schuhwerk zu tragen und auf Turnschuhe zu verzichten. &bdquo;Generell ist die Gefahr mit glatten Sohlen gleich viel höher, man kann schnell auf Steinen ausrutschen“, sagt Carta, der abgesehen von den nicht zu unterschätzenden Felskanten keine besonderen Gefahren im Wiehengebirge sieht. &bdquo;Wie überall gibt es auch hier noch die waldspezifischen Gefahren. Es kann zum Beispiel immer mal ein Ast herunterkommen“, warnt der Experte. Er rät dazu, bei Touren möglichst immer ein Handy dabei zu haben, da zur Not auch darüber – und nicht wie bei dem Unglück am Donnerstagabend über ein Notfallarmband – eine Ortung erfolgen kann. Notrufsysteme helfen Feuerwehr bei der Arbeit Nicht nur in diesem Fall, sondern generell erweisen sich Standortdaten laut Feuerwehrmann Bernd Schader immer wieder als extrem wichtig. &bdquo;Wenn Personen auf Autobahnen oder Landstraßen verunglücken, können sie den genauen Ort oft nicht nennen. Womöglich sind sie ortsfremd, da sie nicht aus der Region kommen“, sagt Schader. Je nach Funkstärke im Mobilfunknetz würden recht genaue Positionsdaten über den Notruf an die Feuerwehr übermittelt. &bdquo;Das hilft uns wirklich enorm.“ Auch der Gesetzgeber hat reagiert: Seit März 2018 sind Autohersteller in der EU verpflichtet, neue Fahrzeugmodelle mit einem Notrufsystem auszurüsten, das bei Unfällen die Rettungskräfte informiert. Regelmäßig würden bei der Feuerwehr auch Alarmierungen über Hausnotrufsysteme eingehen. &bdquo;Bei einigen Wohnungen befinden sich die Schlüssel in Tresoren, zu denen die Einsatzkräfte Zugang haben“, sagt Bernd Schader von der Feuerwehr. Das erleichtere die Arbeit enorm, Türen müssten nicht aufgebrochen werden.

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