Morddrohungen durch Gleichaltrige: 14-Jährige Mindenerin wird von Mädchengruppe terrorisiert

Minden. &bdquo;Ich bringe dich um“ oder &bdquo;Wo bleibst du? Komm raus! Wir warten auf dich!“ - Nachrichten, die jedem Angst machen würden. Erst recht einem 14-jährigen Mädchen. Verbale Drohungen habe es schon Tage vorher gegeben, doch seit dem Vorfall am 14. September ist es für Hannah (alle Namen anonymisiert) aus Minden noch viel schlimmer geworden. Die Täter: Gleichaltrige. Hannah besucht die neunte Klasse einer weiterführenden Schule in Minden. Normalerweise fährt die 14-Jährige mit dem Schulbus, doch das ist nicht mehr möglich. Sie hat zu viel Angst. Eines der Mädchen, die sie schikanieren, fährt ebenfalls mit dem Bus, wohnt nur einige Straßen von Hannah entfernt und besucht die Parallelklasse. Ihre Mutter (39) weiß nicht mehr weiter. &bdquo;Hannah hat Angst aus dem Haus zu gehen“, erzählt sie. Sie fühlt sich vom System im Stich gelassen. Weder die Schule, noch das Schulamt, noch die Polizei hätten ihr Hilfe angeboten. Ein Umzug komme nicht in Frage. Die Familie sei gerade erst in die Wohnung eingezogen. Vielleicht klappt es noch mit dem Schulwechsel, hofft die Mutter. Das sei auch nicht so einfach gewesen - doch das ist ein anderes Problem. In den Bauch getreten und ins Gesicht geschlagen Seit der Eskalation am ZOB im September sei der Terror erst richtig losgegangen, berichtet die 39-Jährige. Was passiert war: Hannah und zwei ihrer Freunde, Vivienne und Luis, verließen das Schulgelände in der Pause, sie wollten sich etwas zu essen holen. &bdquo;Neunten Klassen ist das erlaubt“, erklärt die Mutter. In der Innenstadt seien sie dann von drei Mädchen im gleichen Alter aufgehalten worden. Das Mädchen aus der Parallelklasse warf Hannah vor, dass sie auf ihren Freund stehen würde. Eins führte zum anderen. &bdquo;Vivienne wurde in den Bauch getreten, Luis bekam eine Backpfeife und Hannah einen Ellenbogen ins Gesicht“, erinnert sich die Mutter. So hätten es ihr die Kinder erzählt, als sie kurze Zeit später ihre Eltern anriefen, um sie vom ZOB abzuholen. Als sie und noch eine andere Mutter am ZOB ankamen und die drei Mädchen zur Rede stellen wollten, trafen sie auf eine große Gruppe von Jugendlichen. Die Mädchenclique hatte Verstärkung angefordert. &bdquo;Es waren bestimmt 50 Leute“, sagt die Mutter. Die Situation spitzte sich zu, parallel gab es eine weitere Schlägerei. Es kamen immer mehr. &bdquo;Die Mädchen, mit denen wir eigentlich sprechen wollten, waren dann auf einmal weg“, erinnert sich die Mutter. Dann seien sie ins Auto gestiegen und erst einmal nach Hause gefahren. &bdquo;Wir standen unter Schock. Es waren so viele.“ Polizei und Schule können nicht machen Am nächsten Tag hätte der Terror mit den Drohungen erst richtig begonnen. Nachrichten, Telefonanrufe und Klingeln an der Haustür - es sei alles dabei gewesen, sagt die Mutter. Erst danach gingen Hannah und ihre Mutter zur Polizei und zeigten die Mädchen wegen Bedrohung an. Eine Kopie der Anzeige liegt der Redaktion vor. Am Montag nach dem Vorfall gab es ein Gespräch mit der Polizei und der Schulleitung in der Schule. &bdquo;Die Polizei hatte uns klipp und klar gesagt, sie könne nichts machen. Die Täterinnen seien unter 14 Jahren alt“, erinnert sich die Mutter. Aber nach den ganzen Vorfällen mit den Mädchenbanden würden sie öfter an Schulen und am ZOB patrouillieren. &bdquo;Das tun sie auch“, weiß die Mutter. &bdquo;Dafür bin ich schon dankbar.“ Aber von der Schule sei sie enttäuscht. Hannah bleibt zu Hause und wird von der Schule nicht entschuldigt Das Mädchen aus der Parallelklasse kam ungeschoren davon. Suspendieren konnte die Schule sie nicht, weil sie und ihre Eltern bereits Probleme mit dem Jugendamt hatten und ein weiterer Vorfall in der Schulakte würde ihr sehr schaden. &bdquo;Die Schule fragte uns, was sie dann jetzt für uns tun kann“, sagt die Mutter fassungslos. Damit sich die Situation dann wenigstens ein wenig beruhigen könne, sei die Entscheidung gefallen, Hannah für die zwei Wochen bis zu den Herbstferien zu Hause zu lassen. So hatte es die Mutter verstanden. “Solange sich das Schulamt nicht dazu äußert, sollten die Kinder entschuldigt sein. Das dachten wir zumindest“, so die Mutter. Nach den Herbstferien kam dann die Hiobsbotschaft: Hannah sollte gleich zwei Klassenarbeiten nachschreiben und da sie kein ärztliches Attest vorzeigen konnte, war sie doch nicht entschuldigt. &bdquo;Das ist eine Frechheit“, sagt die Mutter. Sie hätten sich zwei Wochen vor den Herbstferien auf Homeschooling geeinigt. &bdquo;Wir als Eltern hatten mehrfach darum gebeten, den Kindern Unterrichtsmaterial zukommen zulassen, nachdem von den Lehrern nichts online gestellt wurde“, sagt sie. Das Schreiben der Bezirksregierung sei erst in der zweiten Herbstferienwoche gekommen. &bdquo;Da konnte ich doch kein ärztliches Attest mehr besorgen!“ Grundsätzlich besteht Schulpflicht Grundsätzlich bestehe Schulpflicht, dies sei nach Rücksprache mit der Bezirksregierung der Familie auch mitgeteilt worden, teilt die Schulleitung auf Nachfrage des MT mit. Die Erziehungsberechtigten hätten auch in diesem Fall dafür Sorge zu tragen, dass die Schüler und Schülerinnen die schulischen Pflichten erfüllen. &bdquo;Eine Möglichkeit zum Homeschooling besteht in der Regel nicht, so auch in diesem Fall.“ Die Familie hätte der Schulleitung und der Polizei in einem Gespräch mitgeteilt, dass es zu Vorfällen außerhalb der Schule mit größtenteils schulfremden Personen gekommen ist, bestätigt die Schulleitung. Mit der Schülerin, die dieselbe Schule besucht seien Maßnahmen getroffen worden, die weiteren Beteiligten seien der Schule nicht bekannt. &bdquo;Die geschilderten Vorfälle liegen weitestgehend im privaten Bereich, hier hat die Schule grundsätzlich wenig Einflussmöglichkeiten. Bei Konflikten innerhalb der Schule sind wir, wie geschildert, aktiv geworden“, schreibt die Schule. Weitere Informationen seien aus Gründen des Datenschutzes zu Einzelfällen nicht möglich. Aufsichtspflicht der Schule endet und beginnt am Schulgrundstück Auch die Bezirksregierung Detmold bestätigt in einem Schreiben die Schulpflicht. Das Schreiben liegt der Redaktion vor. Weiterhin werden die Eltern explizit von der Bezirksregierung Detmold darauf hingewiesen, dass sie als Erziehungsberechtigte dafür zu sorgen haben, dass die Kinder ihre schulischen Pflichten erfüllen: &bdquo;Da ihre Kinder aufgrund der Schulpflicht die Schule besuchen müssen, stellen die Lehrkräfte keine Unterrichtsmaterialien online.“ Außerdem entfalle die Aufsichtspflicht der Schule für die Schüler, wenn sie das Schulgelände in der Mittagspause verlassen. Der Schulweg falle ebenfalls nicht in den Aufsichtsbereich der Schule. Er ende und beginne am Schulgrundstück. &bdquo;Was passiert, wenn mein Kind jetzt im Bus zur Schule angegriffen wird?“, fragt sich die Mutter. Ihr Mann und sie seien beide berufstätig. Die Tochter täglich zur Schule zu fahren und abzuholen, stelle eine große Herausforderung dar und habe schon zu Problemen mit dem Arbeitgeber geführt. In der Schule sei sie vielleicht noch durch die Lehrkräfte geschützt, aber wer passe im Bus auf? Auf die Nachfrage bei der Bezirksregierung, sei ihr gesagt worden, sie könne ja mal beim Ordnungsamt fragen, ob es dort eine Lösung für das Problem gebe. Doch auch dort stoße sie nur auf fragende Gesichter. Minderjährige sind strafunmündig Unlängst wurde im Jugendhilfeausschuss das Thema um die gefühlt zunehmende Jugendkriminalität in Minden erörtert. Das Jugendamt hatte die Lage als nicht besorgniserregend eingestuft. Zur Zeit gebe es eine Mädchengang, die gehäuft andere Kinder bedrohe und schlage, ihnen vor den Schulen und im Bus auflauere. Da diese Mädchen in der Regel minderjährig und strafunmündig seien, hätten sie keine Strafen zu befürchten. Bei der Hilfe käme das Jugendamt an seine Grenzen. Betroffene und Schulen könnten die Vorfälle nur schnell melden und anzeigen. Aber es wurde auch auf ein Problem hingewiesen: Bei einem Schulverweis fehle diesen Tätern ein weiterer Platz, der ihnen Halt und Struktur gibt. Auch der Polizei sind die Täterinnen in der kriminellen Mädchengruppen weitestgehend bekannt. Die Zusammensetzung der Gruppe habe sich aber auch immer wieder verändert: &bdquo;Meist gibt es ein, zwei Rädelsführerinnen, die anderen wechseln auch mal“, sagte die Polizei erst kürzlich in einem Interview. Vivienne ist weggezogen Hannah und ihre Mutter fühlen sich mit allem alleingelassen. Luis ist raus aus der Sache, er durfte aufgrund seines Alters bereits auf die Berufsschule wechseln, die Familie von Vivienne habe sich entschieden, deswegen wegzuziehen, sie wohnen heute in Niedersachsen und Hannah sucht jetzt dringend eine neue Schule. Am Ende, kurz vor der Veröffentlichung des Artikels, kam die gute Nachricht: Hannah darf auf die Berufsschule wechseln.

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