Anwohnerin wirft Ruhestörung vor - Mindener Restaurant klagt gegen Falschaussagen

Minden/Bielefeld. Schlagartig wird es am Vormittag eng im Saal 34 des Bielefelder Landgerichts. Dutzende Anwohner der Dorotheenstraße in Minden strömen in den Raum. Die Plätze für Zuschauer reichen nicht, der Stuhl des Zeugenstands wird zweckentfremdet. Die Anwohner sind im Kollektiv erschienen. Sie wollen einer Mitstreiterin den Rücken stärken. Die Mindenerin soll mutmaßliche Falschaussagen zum Nachteil des Unternehmens Stuppiello verbreitet haben. Dieser Ansicht ist zumindest die Familie, die den Feinkost-Fachhandel und das Restaurant betreibt. Rückblick: In der zweiten Juli-Woche erreicht ein Schreiben eine größere Öffentlichkeit, das regelmäßige Ruhestörungen durch Feiern in der Gastronomie anprangert. Das Problem ist, dass es sich bei der Gegend um ein sogenanntes Mischgebiet handelt. Während dort die einen ihren Geschäften nachgehen, wohnen die anderen dort und wollen ihre Ruhe haben. Das führte zu einem Konflikt, der sich über die Zeit offenbar hochgeschaukelt hatte. 25 Anwohner haben den Offenen Brief unterzeichnet. Auf zwei eng bedruckten DIN-A4-Seiten schildern sie die Situation aus ihrer Sicht. Das Schreiben ist an viele Menschen geschickt worden, darunter Stadt- und Kreisverwaltung, Politiker, Polizei und Medien. Die Anwohner beklagen sich vor allem über von ihnen so wahrgenommene Ereignisse am 1. Juli, einem Samstag. Es ist in dem Text die Rede von einer &bdquo;Außengastronomie mit Diskothek" und einer &bdquo;Spielhalle" am Gebäude, so die Wahrnehmung der Anwohner. Ein Bewohner schildert zudem, dass ein Tischkicker &bdquo;mitten auf die Dorotheenstraße" gestanden haben soll. Gegenseitige Vorwürfe und Wortklaubereien vor Gericht Die Familie, die das Gewerbe betreibt, weist diese Tatsachenbeschreibungen zurück und geht dagegen vor. Rechtsanwalt Dr. Lucas Brost hatte direkt nach Veröffentlichung des Schreibens klargemacht, dass sein Mandant gegen keinerlei rechtliche Vorgaben verstoßen habe. Seiner Ansicht nach stecke hinter dem Brief eine einzige Anwohnerin, die seit längerer Zeit gegen den Standort Stimmung mache. Die Urheberschaft des Schreibens sieht die Kanzlei bei der Frau und leitete deshalb rechtliche Schritte namentlich gegen sie ein. Beide Parteien treffen sich am Montag vor Gericht. Sie wohnen zwar nur wenige Meter auseinander, kommen im Saal 34 das erste Mal miteinander ins Gespräch - zumindest im Ansatz, zumindest über ihre Anwälte. Es wird schnell klar, wie verhärtet die Fronten sind. Von Anfang an steht ein Vergleich im Raum. Es braucht aber fast zweieinhalb Stunden bis nach gegenseitigen Vorwürfen und Wortklaubereien eine gütliche Einigung beider Streitparteien tatsächlich erzielt ist. Unwahrheiten aus Selbstjustiz verbreitet? Anwalt Brost dominiert die Verhandlung. Er stellt in der Diskussion dabei von Anfang an klar: &bdquo;Es geht nicht darum, irgendwen mit Geld unter Druck zu setzen. Es geht um falsche Behauptungen, die mein Mandat so nicht hinnehmen kann." In einem Rechtsstaat sei es nicht in Ordnung, aus Selbstjustiz derartige Unwahrheiten zu verbreiten. Rechtsanwalt Stefan Meißner, der die beklagte Mindenerin vertritt, sieht das anders. &bdquo;Die Intention des Rundschreibens war es doch nicht, dem Betrieb zu schaden. Den Anwohner geht es um Lärmschutz, sie haben sich hilfesuchend an die Behörden gewendet." Generell sei die Beklagte eine von 25 Personen, die den Brief unterzeichnet haben. &bdquo;Sie war keine Wortführerin. Warum haben Sie eine einzige Frau rausgepickt? Ist das nicht wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen?", fragt Meißner an den Anwalt der Gegenseite gerichtet. &bdquo;Hätten wir lieber gegen alle 25 vorgehen sollen? Mein Mandat hat kein Interesse daran, 25 Menschen zu verklagen", stellt Brost klar. Einigung auf einen Vergleich Einige Zuschauer im Saal 34 reagieren mit Kopfschütteln. Ebenso als ein Mann aus der Geschäftsführung des Feinkosthandels erzählt, dass er das Gespräch zu den Anwohnern gesucht und daraufhin eine Gefährderansprache von der Polizei erhalten habe. Eine Frau lacht sogar leise. &bdquo;Ja, weil Sie auch durchs Treppenhaus gebrüllt haben: ,Ihr wollt Krieg, dann könnt ihr Krieg bekommen.' Dafür gibt es Zeugen", sagt die Beklagte und zeigt in den Zuschauerraum. &bdquo;Das ist auch wieder eine Falschaussage", betont der Geschäftsführer. Richterin Karoline Bole hört zwei Stunden in erster Linie zu. Nur zwischendurch fängt sie die streitenden Parteien wieder ein. Die Vorsitzende macht aber klar, dass das Problem um vermeintliche Ruhestörungen nicht während dieser Verhandlung gelöst werden kann. Die Rechtsanwälte einigen sich zwar letztlich auf einen Vergleich. Sie diskutieren aber noch lange über konkrete Formulierungen - so lange, dass Brost zwischendurch seinen Laptop noch ans Ladekabel anschließen muss. Am Ende stimmt die Beklagte einer Unterlassungserklärung zu. Sie sichert zu, fortan nicht mehr zu behaupten, dass es bei Stuppiello eine Diskothek, eine Spielhalle oder eine Außengastronomie mit 100 Sitzplätzen gebe.

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