Brandstiftung in Autowerkstatt: Inhaber wurde über Wochen erpresst und bedroht

Minden. Munzer Alnayef kann immer noch nicht so recht glauben, was ihm und seiner Familie widerfahren ist. Vor zwei Monaten beginnt für den Syrer, der nach eigenen Angaben seit etwa drei Jahren eine Autowerkstatt in der Pionierstraße betreibt, eine schreckliche Zeit. In der Nacht vom 1. auf den 2. März wird in seine Werkstatt eingebrochen. Bei der Firma handelt sich laut Alnayef um einen reinen Familienbetrieb, man würde Autos reparieren, mit ihnen handeln und Geschäfte mit Reifen machen. Die Unbekannten stehlen laut Ermittlungen der Polizei Fahrzeugschlüssel-, Briefe, Geschäftsunterlagen und ein Diagnosegerät. Der Einbruch ist aber nur ein Vorbote. In den kommenden Wochen wird der 40-Jährige per Handy erpresst, immer wieder kommt es zu Straftaten auf seinem Firmengelände. Das Ganze eskaliert schließlich in einer großen Brandstiftung Ende März. Alyanef und seine Familie stehen seitdem vor dem Ruin. Aber wer sind die Täter? Und was wollen sie? Rückblick auf die Nacht der Eskalation: Bei der Feuerwehr Minden geht vom 22. auf den 23. März gegen Mitternacht eine Alarmierung ein, es brennt großflächig auf einem Firmengelände in der Pionierstraße. "Bei Eintreffen der Einsatzkräfte brannten sechs Fahrzeuge, einige von ihnen vollständig", hieß es damals. Brandstiftung schon Wochen vorher angedroht Insgesamt 50 Feuerwehrleute sind vor Ort. Nach etwa zwei Stunden ist das Feuer gelöscht, die Schadenssumme beträchtlich - und die Polizei hat schnell den Verdacht, dass es sich um eine vorsätzliche Brandstiftung gehandelt haben könnte. Das bestätigt sie nur wenige Tage später auch offiziell. Grund für die schnelle Klarheit sind Videoaufnahmen einer Sicherheitskamera. Sie zeigen, wie eine schwarz gekleidete und maskierte Person sich Zutritt zum Firmengelände verschafft, dort eine Flüssigkeit - vermutlich Benzin - ausschüttet, und diese kurz darauf anzündet. Zwischen Einbruch und Brandstiftung liegen gerade einmal 90 Sekunden. Ein Jeep geht in Flammen auf, das Feuer greift dann auf fünf weitere Autos über. "Einige habe ich jetzt verschrotten lassen", erklärt Alnayef. Die Aufnahmen der Videokamera liegen dem Mindener Tageblatt (MT) vor. Ebenso Nachrichten auf dem Handy des Syrers, die belegen, dass die Täter die Brandstiftung schon Wochen vorher androhten. Die erste Nachricht dieser Art erreicht den Familienvater am Nachmittag des 3. März, nur einen Tag nach dem Einbruch in seiner Werkstatt. "Wenn die Polizei beteiligt ist, werden wir alles zerstören", heißt es darin. Es ist ein Freitag, die Nachricht wurde von einer ukrainischen Handynummer gesendet. Schon beim Einbruch am Tag zuvor hatten die Unbekannten eine Botschaft an den Inhaber hinterlassen. In einem Büro der Werkstatt schrieben sie mit schwarzem Stift den Satz "Wir werden anrufen" an die Wand. Immer wieder Drohungen über Whats-App Alnayef wird dann zwar nicht angerufen, aber die Whatsapp-Nachricht kommt. In dieser kündigen die Kriminellen nicht nur Konsequenzen an, sondern fordern auch 12.000 Euro, damit der Inhaber seine gestohlenen Gegenstände wiederbekommt. "Sie haben bis Sonntag Zeit, das Geld vorzubereiten", heißt es. Alnayef kontaktiert erneut die Polizei. Sprecher Thomas Bensch sagt: "Er hat uns mitgeteilt, dass es Drohungen gab und ihm Konsequenzen angekündigt worden sind." Alnayef zahlt das geforderte Geld nicht - weil er sich nicht erpressen lassen will und weil die Polizei ihm davon abrät. "Wir sagten ihm, dass er nicht darauf eingehen soll", sagt Bensch. In der Folge trudeln weitere Nachrichten auf dem Handy ein - immer über dieselbe ukrainische Mobilfunknummer. "Hast du irgendwas zu sagen?" und "Brauchst du deine Sachen?", schreiben die Kriminellen am 7. März. Eigentlich hatten sie bereits zwei Tage zuvor ihr Geld haben wollen. Der Syrer reagiert nicht weiter auf die Nachrichten, sagt er. Vier Tage später, am 11. März, melden sich die Unbekannten dann wieder bei ihm - und erhöhen den Druck. "Wir haben Dokumente, die für die Polizei von großem Interesse sein werden", heißt es in der Nachricht um 0.59 Uhr. Sie stellen Alnayef ein Ultimatum: "Du hast einen Tag. Dann übergeben wir die Unterlagen dem Polizeibriefkasten." Der 40-Jährige weiß nicht, worum es geht. Er beteuert im MT-Gespräch, dass er seine Steuern zahlt und es keine illegalen Geschäfte gibt. Von diesen sprechen die Erpresser nämlich in einer späteren Nachricht. Alnayef ignoriert die Drohungen weiter. Schäden in Höhe von 80.000 Euro Die angekündigten Konsequenzen der Täter folgen wenige Tage später. "Wir sind am 17. März wegen einer Sachbeschädigung in die Pionierstraße gerufen worden", erklärt Polizeisprecher Thomas Bensch. In den Abendstunden des 16. März seien an zwei Autos Frontscheiben beschädigt beziehungsweise zerstört worden. "Bei einem Golf und einem Audi Cabrio", erklärt Alnayef, der nur wenige Stunden nach der Tat die nächsten Nachrichten erhält. "Na, hat dir die Überraschung gefallen?", heißt es zunächst. Die Kriminellen prognostizieren, dass ihm die Polizei nicht helfen werde und er besser von "illegalen Geschäften" erzählen solle und, dass er keine Steuern zahle. "Das ist Schwachsinn", sagt der 40-Jährige. An diesem Tag wird ihm auch Weiteres angedroht: "Die nächste Überraschung wird noch interessanter." Was die Unbekannten damit meinen, zeigt sich wenige Tage später - dem bisherigen Schlusspunkt der Angriffe auf die Firma. "Am 23. März gab es einen weiteren Einsatz an der Werkstatt. Diesmal wegen der Brandstiftung", erklärt Thomas Bensch. Wer die Täter sind, darüber rätseln Opfer und Polizei weiterhin. "Es gab Infos zu einer möglichen Idee, wer dahinter stecken könnte. Das hat sich bislang aber nicht bestätigt", sagt Bensch. Man ermittle weiterhin intensiv. "Ob sich eine Spur positiv entwickelt, muss sich zeigen", sagt der Pressesprecher. Auch ansonsten bestätigt er die Schilderungen des Syrers über Erpressungen und Sachbeschädigungen: "Das deckt sich mit unseren Informationen." Zwei Monate später sind die Folgen der Taten für Munzer Alnayef noch immer greif- und sichtbar. Vor der Werkstatt steht ein ausgebrannter Opel, auf dem Gelände erinnert Ruß auf dem Boden an die Brandstiftung. Die Scheibe eines beschädigten Audis ist gesplittert, den Golf eines Kunden habe er zu einer anderen Werkstatt gebracht, sagt der 40-Jährige. "Der geklaute Schlüssel und die neue Scheibe kosten 1.500 Euro. Wie soll ich das bezahlen?" Er fühlt sich allein gelassen, sucht nach Hilfe. "Krankenkasse, Finanzamt, und, und, und...", zählt er Verbindlichkeiten auf, die er nicht mehr bedienen kann. Auf mehr als 80.000 Euro beziffert er die entstandenen Schäden. Aufkommen wird dafür niemand: Alnayef, der vor fünf Jahren nach Deutschland kam, war nicht versichert. Der 40-Jährige hat sich nun um eine Haftpflichtversicherung bemüht, doch dafür müsse er alle Schlösser austauschen. Kostenpunkt: mehr als 2.000 Euro. "Habe ich nicht." Auch die Kunden haben Angst Die Unsicherheit und der finanzielle Ruin setzen dem Inhaber zu. Erst kürzlich sei er wegen gesundheitlicher Probleme im Krankenhaus gewesen. "Ich habe zu viel Stress hat der Arzt gesagt. Ich soll mich ausruhen. Nur: Wie soll ich mich in der Situation ausruhen können?" Und noch mehr als die finanzielle Lage belastet den Syrer eine mögliche Rückkehr der Täter. "Passiert noch mehr?", fragt er sich ständig. Seit der Brandstiftung habe es keinen Kontakt mehr zu den Kriminellen gegeben. Er hofft, dass die Polizei die Täter aufgreift. "Doch diese Hoffnung ist nicht groß", sagt er. Sein Betrieb laufe zwar noch, viele Kunden vertrauten ihm ihre Autos jedoch nicht mehr an. Auch sie hätten Angst. Wer zu den verschiedenen Tatzeiten verdächtige Personen oder Handlungen beobachtet hat, wird gebeten telefonisch unter (0571) 88660 Kontakt zur Polizei Minden-Lübbecke aufzunehmen.

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