Unbekannte stehlen Rollstuhl von MS-kranker Ordensschwester im Kreis Minden-Lübbecke

Minden. Das Bild ist bekannt: Schwester Annette Stuff in schwarzer Ordenstracht, die mit ihrem elektrischen Rollstuhl in Sachen Nächstenliebe in Minden unterwegs ist. Oder besser war. Denn am Wochenende wurde der Leiterin der Wärmestube ihr Hilfsmittel gestohlen. Seitdem hat die 63-Jährige Probleme, ihren Alltag zu bewältigen. Sie leidet an der chronischen Krankheit Multiple Sklerose (MS), kommt ohne Rollstuhl kaum von A nach B. &bdquo;Ich nehme meine Beine und Füße nicht wahr. Bei jedem Schritt muss ich mich sehr konzentrieren, weil ich nicht fühle, wo ich hintrete“, erklärt sie. Zudem habe sie Arthrose im Knie und Lymphstauungen. Wegen der Schmerzen muss sie ihr rechtes Bein oft hochlagern. Stuff lebt in einer Wohnanlage in der Obermarktstraße. Am vergangenen Samstag gegen 17.30 Uhr habe sie ihren Rollstuhl wie immer vor ihrer Wohnungstür im zweiten Obergeschoss abgestellt, berichtet sie. Weil drei Stufen zur Wohnung führen, könne sie ihn nicht mit hineinnehmen. Als sie am nächsten Tag gegen 10.45 Uhr wieder los wollte, war der Rollstuhl weg. Die Suche im Haus blieb erfolglos, die 63-Jährige rief die Polizei und erstattete Anzeige. Kamen Täter übers Parkhaus? Thomas Bensch, Sprecher der Kreispolizei, bestätigt deren Eingang. Auch seine Kollegen konnten den Rollstuhl nicht finden. Dessen Wert wird auf 2.000 Euro geschätzt. &bdquo;Bei Diebstählen sind wir auf Hinweise angewiesen“, sagt Bensch. Wer etwas beobachtet hat oder den Rollstuhl gesehen hat, kann sich bei der Polizei unter Telefon (05 71) 8 86 60 melden. Laut Stuff gebe es zwei Hauseingänge, für die man Schlüssel brauche. Zutritt zum Haus sei außerdem über die Tiefgarage möglich. Türen wurden laut Bensch nicht aufgebrochen. Allerdings ließ sich die Tür zum Parkhaus durch ein eingeklebtes Feuerzeug nicht schließen. Ob die Täter so in die Wohnanlage kamen, ist nicht bekannt. Ohne Rollstuhl ist selbst Müll rausbringen schwierig &bdquo;Es muss jemand gewesen sein, der sich im Haus auskennt“, vermutet die Ordensschwester, die 2013 von Rom nach Minden kam, um die Leitung der Caritas-Wärmestube zu übernehmen. Der Diebstahl stellt sie nun vor große Hürden, wie sie berichtet. &bdquo;Mit dem Rollstuhl bin ich sehr selbstständig, kann alleine zur Physiotherapie fahren und zum Arzt. Mit ihm bin ich frei.“ Nun kann sie zum Beispiel nicht mehr einkaufen. Ihr geht das Trinkwasser aus und das Leitungswasser sei durch Legionellen verunreinigt – ein altbekanntes Problem in dem Haus. Sie kocht es nun ab. Ohne Rollstuhl schafft sie es auch nicht zu den Müllcontainern oder zum Bäcker in der oberen Altstadt, der oft Brot spendet. Ein Problem ist auch, den rund 200 Meter weiten Weg von ihrer Wohnung zur Wärmestube am Pauline-von-Mallinckrodt-Platz zu schaffen, wo die Ordensschwester fast täglich für Bedürftige kocht. In der Küche kann sie sich hinsetzen oder anlehnen – frei zu stehen ist ihr kaum noch möglich. An den vergangenen Tagen holten sie Mitarbeiter morgens ab und brachten sie hin. Selber könne sie wegen der Koordinationsstörungen ihrer Beine kein Auto mehr fahren. Orden überlegt, die Schwester zu sich nach Paderborn zu holen Die Situation dürfte sich nicht so schnell ändern. &bdquo;Ich kann nicht kurzfristig Ersatz bekommen“, sagt Schwester Annette Stuff. Das Sanitätshaus müsse zunächst einen Kostenvoranschlag an die Krankenkasse schicken, die diesen bewilligen müsse. Neu würde ein elektrischer Rollstuhl in Übergröße laut Stuff 7.000 Euro kosten. &bdquo;Das ist keine Kleinigkeit.“ Das Sanitätshaus suche derzeit bundesweit nach einem günstigen Gebrauchten. &bdquo;Es gibt einen elektrischen Rollstuhl in Übergröße für 2.200 Euro, der steht in einer Garage in Aachen“, hat sie im Internet recherchiert. Das Geld, um diesen zu kaufen, habe sie nicht. Sie wartet also – wie bei ihrem alten Rollstuhl, den sie 2017 bekam. Da habe es vom Antrag bis zum Eintreffen sechs Monate gedauert. Und als der Akku vergangenes Jahr schlapp machte, war der erst nach rund drei Monaten repariert. Sollte sich nicht bald etwas an der Situation ändern, könnte der Diebstahl noch weitreichendere Folgen haben. &bdquo;Für den Orden gibt es die Überlegung, ob ich hier bleiben kann. Oder zurück ins Mutterhaus nach Paderborn komme.“ Denn Schwester Annette Stuff ist mittlerweile die letzte Angehörige der katholischen &bdquo;Gemeinschaft der Schwestern der Christlichen Liebe“ in Minden. Ihre Mitschwester Angela Maria Sinnreich verließ die Weserstadt vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen (das Mindener Tageblatt berichtete). Es könne auch niemand zu ihr in die Wohnung ziehen, um Hilfe zu leisten, meint Stuff. Dafür sei die Ein-Zimmer-Wohnung zu klein. Unterstützung bekommt sie nur ab und zu von ihrer Haushaltshilfe, die über die Pflegekasse bezahlt wird. Ein Weggang aus Minden würde ihr sehr schwerfallen, sagt Schwester Annette Stuff. &bdquo;Es ist zum Weinen.“

Meistgelesen