Die Macht der Familien: Clankriminalität auch in ländlichen Gebieten

Kreis Minden-Lübbecke. Clankriminalität ist keineswegs nur ein Großstadt-Problem. Auch auf dem Land und in kleinen Städten kommt es immer wieder zu Straftaten. Jahr für Jahr erfassen die Sicherheitsbehörden alleine in Nordrhein-Westfalen tausende Straftaten durch kriminelle Mitglieder großer Familien – auch im Kreis Minden-Lübbecke. Das geht aus dem aktuellen Lagebild des Innenministeriums hervor. In der Statistik ist der Kreis landesweit auf Platz 21 geführt. Das wirkt auf den ersten Blick nicht besonders beunruhigend. Es ist allerdings auffallend, dass fast alle vorher aufgeführten Tatortbehörden geografisch in unmittelbarer Nähe zum Ruhrgebiet liegen. Dass sich Clans dort wohlfühlen, ist kein Geheimnis. Doch auch der Mühlenkreis scheint für kriminelle Großfamilien nicht unattraktiv zu sein. So hat das Landeskriminalamt hier im vergangenen 79 Clan-Straftaten erfasst. In Essen waren es derweil 701 entsprechende Fälle. &bdquo;Klar, für Clans sind Innenstädte für ihre Geschäfte am attraktivsten. Hier lässt sich am besten Geld verdienen", sagt Oliver Huth, stellvertretender NRW-Vorsitzender beim Bund Deutscher Kriminalbeamter und Experte in Sachen Organisierte Kriminalität. Er spricht von typischen Mustern: So sei zu beobachten, dass Clanmitglieder Cafés oder Shishabars eröffnen. &bdquo;In manchen dieser Betrieben werden immer wieder manipulierte Glücksspielautomaten sowie unversteuerter Tabak gefunden oder Steuerhinterziehung aufgedeckt", berichtet Huth. &bdquo;Ein Phänomen, dass wir aber auch teils im ländlichen Raum erkennen." Situation im Mühlenkreis Nach Informationen der Redaktion sei das auch ein Erklärungsansatz, weshalb die Fallzahl der Clan-Straftaten im Kreis Minden-Lübbecke im vergangenen Jahr von 120 auf 79 gesunken ist. Durch die Corona-Pandemie konnten Bars, Cafés und andere gastronomische Betriebe monatelang nicht öffnen – schwierige Voraussetzungen für Geldwäsche im Alltag. Die strengen Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum erschwerten die kriminelle Machenschaften zudem. Und auch die Ausgangssperre im Winter dürfte die Clan-Mitglieder vor Herausforderungen gestellt haben. &bdquo;Dies bedarf einer genaueren Analyse, die einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Antworten würden nur Vermutungen darstellen", wollte Hella Christoph, Pressesprecherin der Kriminalhauptstelle Bielefeld, die für die Kreispolizeibehörden zuständig ist, den Erklärungsansatz aber nicht weiter kommentieren. Während in Großstädten besonders arabisch-stämmige Clans eine übergeordnete Rolle spielen, habe man im ländlichen Bereich ein anderes Phänomen. &bdquo;Hier sehen wir auch religiös verbundene Gruppen und Familien, die in Erscheinung treten", erläutert Oliver Hurth indes. Als Beispiele nennt er Gruppierungen unter Aramäern und Jesiden – auch in OWL. &bdquo;Trotzdem herrschen wie bei arabischen Clans auch gewisse Werte und Hierarchien." Im Kreis Minden-Lübbecke ist nach Informationen der Redaktion unter anderem eine Großfamilie ansässig, die in der Vergangenheit durchaus negativ gegenüber der Polizei aufgefallen ist. Einen unrühmlichen Höhepunkt gab es im Kreis 2018, als Mitglieder einer Großfamilie vor einer Disco in Bad Oeynhausen mit Türstehern aneinander geraten waren und eine Schusswaffe benutzt haben sollen. Um welchen Clan es sich konkret handelt, lässt sich mit Polizei-Informationen nicht beantworten. Denn: &bdquo;Im Gegensatz zum Jahr 2019 wurde das Lagebild 2020 anonymisiert veröffentlicht, so dass anhand des Lagebildes keine detaillierte Straftatenaufstellung wie im Vorjahr vorliegt. Eine Erhebung von Einzeldelikten müsste daher gesondert erfolgen, was einen erheblichen und unverhältnismäßigen Zeitaufwand bedeuten würde", wie Hella Christoph eine Anfrage des Mindener Tageblatt beantwortete. Eine Begründung lieferte die Polizeisprecherin nicht. Auf konkrete Nachfrage verwies sie ans LKA. Die Behörde hat bis Redaktionsschluss eine Anfrage unbeantwortet gelassen. Gibt es einen Schwerpunkt? So oder so: Die Kriminalhauptstelle Bielefeld sieht in der Region keinen Schwerpunkt in Sachen Clankriminalität. Allerdings sagt eine andere Sprecherin: Der Polizei in OWL seien &bdquo;ethnisch geprägte Großfamilien bekannt, von denen Familienmitglieder durch Straftaten in unterschiedlichen Deliktsfeldern wie auch in unterschiedlicher Häufung in Erscheinung treten." Die in diesem Zusammenhang registrierten Straftaten lassen laut der Sprecherin aber keinen Bezug zur Organisierten Kriminalität erkennen. Ein Bereich, in dem in anderen Regionen manche Clan-Mitglieder immer wieder tätig sind – zum Beispiel beim Drogenhandel. Die Sprecherin betont, dass die registrierten Taten eher von Einzelpersonen begangen werden, die zum Teil als Mehrfachtäter in Erscheinung treten. &bdquo;Häufig handelt es sich dabei um niedrigschwellige Taten. Ein Schwerpunkt lässt sich dabei nicht erkennen", so die Sprecherin. Heißt: Dass gleich eine ganze Gruppe einer Großfamilie hier Straftaten begeht, wie man es aus Großstädten durchaus kennt, ist in OWL nicht der Fall. Dennoch steht die Region hin und wieder im Fokus von Ermittlern. So gab es Anfang des Jahres eine große Razzia gegen Clans – unter anderem in der Mindener Viktoriastraße. Die Ermittlungen gingen von Niedersachsen aus. Dort ist das Problem mit kriminellen Clanmitgliedern massiv – gerade im eher ländlichen Raum.

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