Familie in psychologischer Behandlung: Ex-Mann macht das Leben zur Hölle

Minden. Nach mehr als zweieinhalb Jahren Bedrohung, Streit, körperlicher und psychischer Gewalt hat Nora (Name von der Redaktion geändert) keine Kraft mehr. &bdquo;Dass meine Psyche im Eimer ist, ist klar", stellt sie im sachlichen Ton fest. &bdquo;Aber es kann doch nicht sein, dass meine Kinder für immer einen Schaden davontragen – die haben ihr Leben doch noch vor sich!" Es ist ihr Ex-Mann, der ihr und den gemeinsamen Kindern durch Nachstellungen und Gewalt das Leben zur Hölle macht. Die NW hatte im Oktober über den Fall berichtet. Doch wie geht es Nora und ihren Kindern heute? Die traurige Bilanz: Obwohl es in den vergangenen Jahren viele Polizeieinsätze, Anzeigen und Vorfälle gegeben hat, hat sich ihre Situation permanent verschlechtert. Auf einen Gerichtstermin, der der Sache ein zumindest vorübergehendes Ende bereiten könnte, wartet Nora noch immer – seit mehr als einem Jahr. Mehr als 13 Jahre sind die 34-Jährige und ihr Ex-Mann ein Paar. Nach mehreren familiären Einschnitten ändert sich die Beziehung dann grundlegend. Ihr Mann beginnt Kokain zu nehmen und wird mit den Drogen zunehmend aggressiver. Nach einem Fall von häuslicher Gewalt zieht sie mit den Kindern aus der gemeinsamen Wohnung aus. Dann beginnt der Terror: Nora berichtet von hunderten Textnachrichten und Anrufen auf dem Mobiltelefon am Tag, von immer wieder angeblich zufälligen Begegnungen an ihrer Arbeitsstelle, vor Supermärkten oder in der Umgebung der neuen Wohnung. Schließlich gibt es mehrere körperliche Angriffe und am 12. Dezember 2019 dann den Versuch, gewaltsam in Noras Wohnung zu gelangen, während sie mit ihren Kindern zu Hause ist. Nachbarn kommen ihr zu Hilfe, ihnen gelingt es auch, den Mann zu überwältigen. Gab es ein Gerichtsverfahren? Zu einem Gerichtsverfahren wegen dieser tätlichen Angriffe und des Stalkings ist es bis heute nicht gekommen: Wie das Mindener Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft auf Anfrage vom Mindener Tageblatt mitteilen, ist der Vorgang inzwischen mehrfach zwischen der Bielefelder Staatsanwaltschaft und dem Gericht hin und hergegangen. Seit einigen Tagen liegt er nun wieder beim Amtsgericht Minden, wann ein Gerichtstermin anberaumt wird, steht noch nicht fest. Für Nora ist das Warten auf das Verfahren unerträglich – denn es ist ihre einzige Chance auf zumindest befristete Ruhe: Meist nur durch eine Haftstrafe lassen sich Stalker wirklich davon abhalten, von ihren Opfern abzulassen, erklärt eine Vertreterin des Opferschutzverbandes &bdquo;Weißer Ring". Danach geht es aber oft weiter. Seit Oktober hat Nora nach weiteren Übergriffen, Drohmails und Begegnungen, bei denen er sie anbettelte, zu ihm zurückzukommen, mehrere Anzeigen erstattet. Eine einstweilige Verfügungen, nach der er sich ihr nicht nähern darf, wurden vom Gericht verlängert. Täglich setzt sich ihr Ex-Mann darüber hinweg. Auch die Polizei hat keine Handhabe: Um den Mann dauerhaft festzunehmen, fehlt die rechtliche Grundlage, berichtet sie. Der Opferschutz der Polizei ist involviert, eine Fachanwältin unterstützt die Mutter, und auch das Jugendamt ist aktiv. Sie dokumentiert die Vorfälle Um auf Nachfragen zu den vielen Anzeigen zu reagieren, führt sie ein Tagebuch, in dem sie die Vorfälle dokumentiert, sammelt die E-Mails, in denen ihr Ex-Partner sie bedroht. Inzwischen sammelt sie die Vorfälle und bringt sie gemeinsam zur Anzeige. &bdquo;Ich habe gar nicht so viel Zeit, jeden Vorfall einzeln anzuzeigen – ich muss ja auch noch arbeiten und mich um die Kinder kümmern." Die Ehe ist inzwischen geschieden – doch nichts kann den Mann davon abhalten, seine Ex-Frau und die Kinder permanent zu belästigen. &bdquo;Alleine seit Dezember habe ich fünf Anzeigen erstattet, passiert ist nichts. Und das führt dazu, dass er sich in Sicherheit wiegt." Und so gehen die Attacken immer weiter: Nachdem einer seiner Angehörigen an einer bewaffneten Auseinandersetzung beteiligt war, die für den Kontrahenten beinahe tödlich ausgegangen wäre, verweist er in Mails immer wieder auf den Vorfall und seine Familie. &bdquo;Als wollte er mir damit sagen, zu was er selbst auch fähig wäre", erzählt Nora. Als vor einigen Wochen wegen des starken Schneefalls Noras Auto nicht vor der Tür parkt, geht er vermutlich davon aus, dass die Familie nicht zu Hause sei. &bdquo;Wir waren gerade beim Homeschooling, als er plötzlich am Küchenfenster stand. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie oft das schon passiert ist, ohne dass wir es bemerkt haben." Seine permanente Präsenz schränkt ihren Bewegungsradius immer weiter ein, sie hat Angst: &bdquo;Ich kann nicht mehr alleine mit meinen Kindern spazieren gehen und kaufe nicht mehr in den Geschäften in der Nähe ein. Zusätzlich zum Lockdown fühle ich mich eingesperrt." Auf das Sorgerecht für seine Kinder hatte ihr Ex-Mann bereits länger verzichtet, inzwischen darf er sie auch nicht mehr sehen. &bdquo;Aber um die Kinder geht es ihm auch nicht, es geht ihm nur um mich." Trotzdem leiden beide extrem unter ihm. So unternimmt der Mann vor einigen Wochen offenbar den Versuch, die Tochter zu entführen: Über den Kita-Zaun will er sie zu sich locken, die Erzieherinnen können das verhindern. Ähnliches hatte er bereits kurz nach der Trennung versucht, um seine Ex-Frau über die Kinder unter Druck zu setzen. Die Kinder wollen ihren Vater nicht mehr sehen, fassen ihn als Bedrohung auf. Immer wieder erleben sie ihren Vater in extremen Situationen, die sie traumatisieret zurücklassen. &bdquo;Meine Tochter hat vor ein paar Tagen gesagt, dass sie sich zwei Dinge wünscht: Erstens, das Corona verschwindet und zweitens, dass ihr Papa in ein Land ganz weit weg fliegt." Ganze Familie in psychologischer Behandlung Die ganze Familie ist inzwischen in psychologischer Behandlung, Nora nimmt Antidepressiva. &bdquo;Die haben zwar starke Nebenwirkungen, aber wenigstens komme ich so nachts in den Schlaf." Am schlimmsten ist es für sie jedoch, dass sie ihre Kinder nicht schützen kann – und das auch deren Therapeuten nur eingeschränkt etwas für sie tun können. &bdquo;Die Psychotherapeutin meiner Tochter hat gesagt, dass sie ihr erst wirklich helfen kann, wenn die Bedrohung endet – aber die endet ja nicht." Immer wieder wird sie gefragt, warum sie nicht die Stadt verlässt, keinen neuen Namen annimmt. Natürlich denkt Nora darüber nach. &bdquo;Aber ich kann das nicht. Das würde bedeuten, dass ich auch alle Unterstützung durch meine Familie und Freunde verlieren würde." Zudem ist sie auf ein medizinische Netzwerk angewiesen, da ihr Sohn wegen eines seltener Gendefektes immer wieder spezielle Behandlungen benötigt. Nun steht für die 34-Jährige eine Psychosomatische Rehabilitation an, die mehrere Wochen dauern soll – ohne ihre Kinder, die dann bei Angehörigen untergebracht sind. &bdquo;Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, wie wir das überstehen sollen", sagt Nora. &bdquo;Aber ich muss an mir arbeiten – weil ich weiß, dass das so schnell nicht vorbei ist."

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