12 Euro gestohlen: Obdachloser wegen Tankstellenraub in Lübbecke verurteilt

Lübbecke/Minden. Geringfügiger Anlass, großer Aufwand, milde Strafe. Im Prozess vor dem Schöffengericht Minden ging es der Anklage nach um Raub, Angriff auf Polizeibeamte und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Am Ende blieben sieben Monate Haft gegen einen 41-jährigen Obdachlosen, der eigentlich nur Hunger und Durst hatte. Aber um diese natürlichen Bedürfnisse zu befriedigen, hatte Robert R. den falschen Weg gewählt. Am 14. Oktober 2023 gegen 1 Uhr betrat er den Verkaufsraum einer Tankstelle an der Berliner Straße in Lübbecke. Der deutschen Sprache nicht mächtig, verlangte der heruntergekommen aussehende Pole Geld und versuchte hinter den Tresen zu kommen. Doch der kleine, aber drahtige Angestellte wehrte den großen, kräftigen Mann ab. Dieser verließ daraufhin den Raum. Nicht ohne aus der Auslage noch einen Energydrink und Kekse mitgehen zu lassen. Verkaufswert zwölf Euro. Doch er kam nicht groß dazu, seine Beute zu nutzen. Der Angestellte hatte schon die Polizei informiert und da gerade ein Wagen in der Nähe, war, wurde sein nächtliches karges Mahl schnell beendet. Doch so einfach ließ sich der etwas verwirrt wirkende, aber nicht alkoholisierte Mann nicht abhalten. Er griff einen Beamten an, packte ihn so fest am Arm, dass der eine Kratzwunde davontrug. Die war möglicherweise mit Krankheitskeimen infiziert, sodass der Polizist einige Zeit dienstunfähig war. Den Beamten gelang es schließlich, den Mann zu überwältigen und zur Blutprobe und zur Unterbringung in der Arrestzelle nach Minden zu bringen. Psychische Verfassung des Angeklagten untersucht Ohne den Angriff auf den Tankstellen-Angestellten, der durch den Schubs keine Verletzungen davon trug, wäre die eine Tat wohl ein einfacher Ladendiebstahl gewesen. So aber war es juristisch ein Raub. Und das kann mit von einem bis zehn Jahre Haft geahndet werden. Ähnlich hoch die Strafen für den Angriff und Widerstand gegen die Festnahme. So landete Robert R. am Tag darauf in der Untersuchungshaft. Mit Handschellen gefesselt und von zwei Justizbeamten aufmerksam beobachtet, saß er jetzt im Gerichtssaal in Minden zwischen seiner Verteidigerin Susanne Renner und der Dolmetscherin. Sein häufiges Zucken mit Kopf oder Körper wies auf ein vegetatives Nervenleiden hin. Zudem war er sehr redselig, ließ sich kaum von Kommentaren und längeren Erklärungen abhalten, selbst während der Urteilsbegründung. Der Vorsitzende Richter Andreas Böhme aber ließ sich nicht aus der Ruhe und dem gewohnten Ablauf bringen. Die Verteidigerin erkläre für ihren reuigen Mandanten dessen Geständnis, zwei Polizeibeamte und der Tankstellen-Angestellte bestätigten die Aussage. So weit, so einfach, so normal. Abgesehen davon, dass es Zweifel gab, ob die Körperverletzung beim Polizisten überhaupt angezeigt worden war. In der Anklage stand sie nicht. Viel Zeit widmete man sich der psychischen Verfassung des Angeklagten. Hier ging es schließlich nicht nur um zwölf Euro Beute und eine Kratzwunde, sondern um Freiheitsentzug für einen möglicherweise psychisch kranken Menschen. Selbst eine unbefristete Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik könnte in Betracht kommen. Ein psychiatrisches Gutachten sollte mehr Klarheit bringen. In Bielefeld wegen Diebstahl verurteilt Die Sachverständige schilderte ausführlich die Erkenntnisse der Exploration. Grundlegende Ursachen für die schlechte Situation des 41-Jährigen lagen schon in seiner Jugend. Schulisch gescheitert war sein Wunsch, Bäcker zu werden, das gab er jetzt auch als Beruf an. Aber über ein Praktikum war er nicht hinausgekommen. Sozialer Abstieg und Alkoholprobleme waren Folgen für ein Leben ohne festen Boden. Ein Versuch, in Holland Arbeit zu finden, scheiterte. Dann weiterleben auf der Straße - wie, weiß niemand. In Deutschland wurde er im August 2023 in Bielefeld zu einer Geldstrafe wegen Diebstahls verurteilt. In der JVA war er immer wieder auffällig geworden, sodass man ihn zeitweise unter ständiger Beobachtung in einer besonderen Zelle andere und sich selbst schützen musste. Die Gutachterin stellte bei ihm eine bipolare Störung und eine schizophrene Erkrankung fest, die sich auch im Gericht bei seiner Aussage zeigte. Was tun mit einem, wie der Volksmund sagt, "so armen Menschen?" Das Gericht war nur für die juristische Seite zuständig, bedachte aber auch in seinem engen Rahmen die soziale Seite. Es blieb mit einer Gesamtstrafe von sieben Monaten Haft für beide Vorwürfe nah der unteren Grenzen. Denn es handelte sich nicht nur wegen der geringen Beute um einen minderschweren Fall, auch eine verminderte Schuldfähigkeit war zu berücksichtigen. Die eigentlich für so niedrige Strafe und ohne Vorstrafen übliche Aussetzung zur Bewährung wurde versagt. Denn dann hätte Robert R. sofort vor dem Gerichtszentrum in der ihm fremden Stadt Minden, ohne Geld, ohne soziale Kontakte, ohne Sprachkenntnisse und ohne Anspruch auf Hilfe in einer Freiheit gestanden, mit der er nichts anfangen könnte. So ist - bei Einrechnung der abgesessenen sechs Monate U-Haft - noch ein Monat Zeit, sich etwas für den Weg in eine bessere Zukunft zu überlegen.

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