Möchte ein Espelkamper NRW-Ministerpräsident werden?

Lübbecker Land/Berlin. In diesem Jahr stehen wichtige Wahlen an: Neben der Europawahl werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt. In den Meinungsumfragen hält der Höhenflug der AfD an, die Umfragewerte für die aus SPD, Grünen und FDP bestehende Bundesregierung sind desaströs. Könnte die AfD dieses Jahr erstmals einen Ministerpräsidenten stellen? Dazu äußert sich Achim Post im Interview. Der in Rahden geborene und in Espelkamp aufgewachsene Bundespolitiker gehört seit 2013 dem Bundestag an, steht an der Spitze der NRWSPD und ist seit Dezember einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD. Post äußert sich auch dazu, ob es zum Espelkamper Stadtjubiläum hohen Besuch geben könnte, wer deutscher Fußballmeister wird und ob dem TuS N-Lübbecke der Aufstieg in die 1. Handball-Bundesliga gelingen könnte. Herr Post, die Vereinbarungen zum Haushalt als Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts waren kaum verkündet, da kamen schon wieder Veränderungs-Wünsche. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verkündete kurzfristig das Aus für die E-Auto-Förderung, die FDP-Mitglieder stimmten nur knapp für den Verbleib in der Ampel. Für große Liebe unter den drei Partnern spricht das nicht. Wählen wir dieses Jahr parallel zur Europawahl vorzeitig einen neuen Bundestag? ACHIM POST: Nein. Die nächste Bundestagswahl findet im Herbst 2025 statt. Dazu wäre es natürlich gut, wenn die Ampel, die trotz der schwierigen Lage in den vergangenen zwei Jahren einiges vorzuweisen hat, schneller entscheidet und auch öffentlich weniger streitet. Dass es unterschiedliche Interessenslagen von drei Parteien gibt, das ist völlig normal. Aber am Schluss muss man entscheiden und den öffentlichen Streit so gut es geht verhindern. Was die Bürger erwarten können Wir haben zwei Kriege mit erheblichen auch längerfristigen Folgen und den Umbau der deutschen Wirtschaft als Generationenaufgabe zu bewältigen. Die Bürgerinnen und Bürger können zu Recht erwarten, dass die Politik das entschlossen und vernünftig anpackt. Die Ampel hatte 2021 ein schwieriges Erbe mit viel Reformstau und großen Abhängigkeiten bei der Energieversorgung übernommen. Es gab einen Beschluss zum Atomausstieg, ohne dass die dafür verantwortliche Kanzlerin einen Plan B vorgelegt hatte. Der Start der Ampel war überschattet durch den russischen Angriffskrieg und dessen Folgen. Die Ampel meisterte schwierige Situationen und steht bei der Umsetzung von Vorhaben gar nicht so schlecht dar. Warum aber ist das Ansehen der Ampel in der Bevölkerung trotzdem so desaströs? Ich stimme in der Sache zu. Die Ampel hat viel vorzuweisen, was die Modernisierung angeht und auch den Ausbau erneuerbarer Energien. Und als Putin drohte, den Gashahn zuzudrehen, haben wir in 12 bis 14 Monaten LNG-Terminals gebaut und sind nun in der Lage, auf russisches Gas zu verzichten. Man hat eine Menge hinbekommen, aber diese Leistung oft nicht gut genug verkauft. Gesetzentwurf vom Kopf auf die Füße gestellt Und an einigen Stellen sind – das muss man so klar sagen – die Dinge auch nicht gut gelaufen. Das Heizungsgesetz mussten wir zum Beispiel im Bundestag vom Kopf auf die Füße stellen. Aber der Schaden im öffentlichen Bewusstsein der Bürger war durch den Gesetzentwurf schon angerichtet und konnte durch die deutliche Verbesserung nicht wieder komplett repariert werden. Warum erklärt man den Menschen nicht besser, warum Politik und gewählte Volksvertreter etwas und aus welchem Grund und mit welchen Folgen entscheiden? Das ist doch kein Hexenwerk und die Menschen würden sich dann mitgenommen und vor allem ernst genommen fühlen. Wenn ich das zu 100 Prozent wüsste, dann hätten wir das schon gemacht. Aber ich glaube, dass dabei drei Elemente eine Rolle spielen. Das erste: Unsere Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden und das zeigt sich auch im Deutschen Bundestag. Wir haben nicht mehr drei Fraktionen, sondern sechs. Und das zeigt sich auch an der Bundesregierung. Koalitionen mit zwei Parteien werden unwahrscheinlicher, Koalitionen mit drei Parteien wohl die Regel. Zum Zweiten: Die Medienlandschaft ist nicht mehr mit früheren Zeiten zu vergleichen. Früher hatten wir drei Fernsehkanäle, heute kann jeder von uns 200 empfangen und Social Media spielt eine große Rolle. Das heißt, es ist auch viel schwieriger, mit einer Position durchzudringen. Es ist deutlich schwieriger geworden, große Teile der Bevölkerung mit einem Interview zu erreichen als zu Zeiten von Helmut Schmidt oder Helmut Kohl. Kanzler sollte gelegentlich Dinge noch besser erklären Beim dritten Punkt geht es um die handelnden Akteure. Olaf Scholz agiert als Bundeskanzler wie seine Vorgänger. Entscheidungen werden sorgsam geprüft und abgewogen. Scholz ist alles andere als ein Lautsprecher. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass er gelegentlich die Dinge noch besser erklärt und politisch klar auf den Punkt bringt. Die AfD behauptet von sich selbst, &bdquo;bereit für mehr“ zu sein. In Umfragen setzt sich ihr Höhenflug fort, bei den Wahlen in diesem Jahr wird ein Rechtsruck erwartet. Gleichwohl bleibt die AfD Antworten schuldig, wie sie die komplexen Herausforderungen unserer Zeit meistern will. Warum nehmen die etablierten Parteien die AfD nicht inhaltlich auseinander, um die inhaltliche Leere der AfD aufzuzeigen? Warum ergehen sich die etablierten Parteien nur in den üblichen Phrasen? Die AfD ist an Lösungen nicht interessiert. Sie malt den Untergang Deutschlands an die Wand, um die Menschen aufzuhetzen, ohne darüber zu reden, dass wir die stärkste Volkswirtschaft Europas sind und weltweit zu den fünf stärksten Volkswirtschaften gehören. Rechtsradikale darf man nie unterschätzen. Man darf sie aber auch nicht aufblasen. Entscheidend sind Wahlergebnisse und nicht Umfragen. Die AfD war Wahlverlierer sowohl bei der Landtagswahl in NRW als auch bei der Bundestagswahl. Es ist richtig, man muss die AfD in der ganzen Breite der Themen inhaltlich und politisch stellen. Sie lehnen unsere demokratischen Werte ab. Mit ihrem Kurs eines EU-Austritts würde die AfD millionenfache Massenarbeitslosigkeit befeuern – von den außen- und sicherheitspolitischen Folgen gar nicht zu reden. Und die AfD vertritt von allen Parteien im Bundestag das ungerechteste Steuersystem, das einseitig zu Lasten der Klein- und Mittelverdiener geht. Warum sagen die anderen Parteien das nicht auch deutlich? Außerdem hatte die AfD doch bei den jüngsten Landtagswahlen in Hessen und Bayern wieder großen Erfolg. Man muss zwei Sachen machen. Zum einen muss jede Landesregierung und jede Bundesregierung klarer kommunizieren. Zum anderen muss man flächendeckend in Deutschland auf jeder Veranstaltung sagen, dass es der AfD nicht um Lösungen geht, sondern um reine Propaganda. Wird es am Ende dieses Jahres den ersten AfD-Ministerpräsidenten geben? Nein. Aber das setzt voraus, dass alle demokratischen Parteien wissen, worum es geht und jede Zusammenarbeit mit Rechtsradikalen ausschließen – und zwar auf jeder Ebene. Von der Gemeinde bis zur EU. Was gab eigentlich für Sie den Ausschlag, für den Vize-Vorsitz der Bundes-SPD zu kandidieren? Als ich gemeinsam mit Sarah Philipp den SPD-Landesvorsitz in NRW übernahm, war klar, dass einer von uns beiden auch den stellvertretenden Bundesvorsitz anstreben sollte. Da ich in Berlin seit Jahrzehnten gut vernetzt bin, fiel die Wahl auf mich. Was ist die wichtigste Aufgabe im neuen Amt? Ich will mithelfen, die SPD auf Bundesebene so stark wie möglich zu machen. Ich möchte auch mithelfen, in meiner Funktion als Haushaltsexperte Deutschland so leistungsfähig und so gerecht wie möglich zu machen. Haben Sie als Landesvorsitzender Interesse, bei der nächsten NRW-Landtagswahl für das Amt des Ministerpräsidenten zu kandidieren? Das ist die vierte Wahl, die vor uns liegt. Erst kommt dieses Jahr die Europawahl, nächstes Jahr dann die Bundestagswahl und die Kommunalwahl und dann 2027 die Landtagswahl. Wir werden als NRW-SPD die Entscheidung über die Spitzenkandidatur für NRW nach der Bundestagswahl treffen. Würde Sie ein Wechsel in die Landespolitik Ihres Heimat-Bundeslandes reizen? NRW ist ein großes Land. Aber die Kartoffeln werden nacheinander gegessen, also die notwendigen Entscheidungen erst nach 2025 getroffen. Angesichts der Kassenlage von Bund und Land: Wird es noch Geld für die Krankenhaus-Projekte der MKK geben? Die Kassenlage ist gerade durch das Urteil aus Karlsruhe nicht einfacher geworden. Aber nach meinem Eindruck stehen das Land und der Bund ja durchaus im Wort, was bisherige Zusagen angeht. Ein Zuschuss in welcher Höhe auch immer dürfte also wahrscheinlich sein? Aus meiner Sicht sollten Bund und Land nicht hinter bisherigen Zusagen zurückbleiben. Vor allem ist für uns im Kreis und im ländlichen Raum insgesamt wichtig, drei ganz konkrete Ziele zu erreichen. Zum Ersten ist das die Erhöhung der Pendlerpauschale für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zum Zweiten brauchen wir für unsere Betriebe und Beschäftigten dringend wettbewerbsfähige Energiepreise. Und zum dritten müssen wir uns um faire Bedingungen für unsere Landwirte kümmern. Es ist vernünftig, dass die Bundesregierung beim Agrardiesel und der KFZ-Besteuerung auf die Landwirte zugeht. Vor eineinhalb Jahren haben Sie sich kritisch zum Neubau eines Krankenhauses im Gabelhorst-Wald geäußert. Bleiben Sie bei Ihrer Skepsis, Wald für einen Neubau zu opfern? Ich bleibe dabei, dass ich mir erhoffe, dass man alle Möglichkeiten prüft, bevor man anfängt, einen Wald abzuholzen. Das hat ja auch die SPD-Fraktion im Espelkamper Rat gefordert. Ihre Heimatstadt Espelkamp feiert dieses Jahr ihr 75. Jubiläum. Hat der Bundespräsident schon angedeutet, ob er zum Geburtstagsbesuch kommt? Wir sind mit dem Bürgermeister seit langem in intensiven Gesprächen mit dem Bundespräsidialamt. Espelkamp hätte es verdient. Zum 20. Jubiläum Espelkamps kam Bundespräsident Heinrich Lübke zusammen mit NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn. Lübke war der erste Politiker, dem ich die Hand schüttelte. Ich war damals zehn Jahre alt. Ich war damals zehn Jahre alt und mit meiner Fußballmannschaft beim Umzug dabei. Wer steht in der Fußball-Bundesliga am letzten Spieltag der Saison nach Abpfiff auf Platz eins? Bayer Leverkusen. Mit einem Punkt Vorsprung vor Bayern München. Wird Arminia Bielefeld die Klasse halten? Ja, auf jeden Fall. Dann könnte es in der dritten Liga wieder schöne regionale Derbys geben mit Bielefeld, Osnabrück und Münster, nicht wahr. Das könnte passieren. Und was gibt es Schöneres als Derbys? Schafft der TuS N-Lübbecke den Aufstieg in die 1. Handball-Bundesliga? Ich hoffe das sehr. Aber es wird nicht ganz leicht.

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