Immer weniger Geburtshilfe-Stationen: "Kinder haben keine Lobby"

Lübbecke. Seine Arbeit habe ihm immer Freude gemacht, sagt Albert Neff im Gespräch mit der NW: &bdquo;Es ist der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann.“ Doch irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen: In zwei Jahren will der Direktor der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Krankenhaus Lübbecke in Pension gehen. Babys kommen wann es ihnen passt, auch an Feiertagen. Das weiß niemand besser als Neff, der seit 30 Jahren in der Frauenheilkunde tätig ist. Man soll der Natur ihren Lauf zu lassen, lautet sein Credo. Meist klappt alles wie am Schnürchen, manchmal aber kündigt sich ein Kind schon früher an. Das &bdquo;Neujahrs-Baby“ etwa, das die NW auf Wunsch der Eltern in diesem Jahr nicht vorstellen konnte, musste um vier Uhr entbunden werden. Für Neff kein Problem: &bdquo;Da hilft mir so früh am Morgen meine Routine, die ich in den Jahren meines Berufsleben entwickelt habe.“ Dazu kommt, dass Neff seine Arbeit mag, wie er im Gespräch ausführt: &bdquo;Ich darf dabei sein, wenn Leben auf die Welt kommt. Eine Geburt ist für uns alle, die wir daran beteiligt sind, von der Hebamme, die Krankenschwester, den Anästhesiepfleger, den Geburtshelfer und den Narkosearzt positiver Stress.“ Wenig ertragreiche Geburtshilfen werden zugemacht Bis heute habe er viel Spaß an seiner Arbeit, sagt Neff: &bdquo;Für mich ist mein Beruf auch mein Hobby.“ Dass er trotzdem in rund zwei Jahren in Pension gehen will, begründet Neff mit den zermürbenden Nachtdiensten: &bdquo;Wenn die nicht wären, würde ich noch zehn Jahre weitermachen.“ Sorgen macht der Mediziner sich um die Zukunft der mittelgroßen Geburtshilfe-Stationen: &bdquo;Das ist eine Entwicklung der letzten zehn Jahre, dass viele Geburtshilfen zugemacht wurden, weil sie für die Krankenhäuser wenig ertragreich sind“, erklärt Neff. Habe es vor 20 Jahren noch 1.200 Geburtshilfe-Stationen gegeben, seien es aktuell nur noch rund 700: &bdquo;In der Fläche gibt es immer weniger Stationen, die Anfahrt wird immer länger. Aus Sulingen, wo auch eine Station geschlossen hat, braucht man bis Lübbecke eine Stunde.“ Der Einzugsbereich seiner Abteilung reicht bis weit ins Land hinein, auch aus Niedersachsen kommen Patientinnen nach Lübbecke. "Kinder haben keine Lobby" Warum Krankenhäuser ihre Stationen aufgeben? Neff macht dafür die &bdquo;Fallpauschale“ verantwortlich, also die Summe, die von den Kassen für einen &bdquo;Fall“ veranschlagt werden: &bdquo;Wenn ein Kinderarzt ein Kind auf den Arm nimmt, um es zu beruhigen, kann er das nicht abrechnen“, macht Neff deutlich. Ebenso ergehe es den Geburtshilfen, die kaum Gewinne einfahren und deshalb immer häufiger geschlossen würden. &bdquo;Schon jetzt gibt flächendeckend zu wenige Station“, sagt Neff, denn: &bdquo;Kinder haben keine Lobby.“ In der Frauenheilkunde und Geburtshilfe hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan. Die Väter seien in den letzten Jahren immer präsenter geworden, erklärt Neff, und würden inzwischen mit kleinen Aufgaben in die Geburt eingebunden. Die Väter könnten ihre Frauen etwa massieren und ihnen so zeigen, dass sie da sind und ihr beistehen. Sanfter Kaiserschnitt nur in Regenbogenpresse Weniger gut gefällt Neff ein anderer Trend: Mindestens einmal pro Woche werde er gefragt, ob das Baby nicht auch per Kaiserschnitt entbunden werden könne. &bdquo;Aber einen sanften Kaiserschnitt, wie er in den Regenbogenpresse gezeigt wird, den gibt es einfach nicht“, meint Neff kopfschüttelnd. Auf seiner Station werde deshalb viel Wert auf eine natürliche Geburtshilfe gelegt: &bdquo;Wir versuchen, der Natur ihren Lauf zu lassen.“ Den Müttern werde eine entspannte Atmosphäre geschaffen, vor Covid gab es beispielsweise Geburten im Wasser. Man könne ein Kind nicht mit der Brechstange holen, so wie es früher manchmal gemacht wurde, &bdquo;damit der Chef um 18 Uhr zuhause ist“, sagt Neff. Je weniger man interagiere, desto besser klappe es meistens. Er selbst sehe sich deshalb mehr als Feuerwehrmann, der für Notfälle bereitstehe und kommt, wenn er gebraucht wird. Kinder bleiben bei der Mutter Seiner Abteilung wünscht Neff, &bdquo;dass sie noch 100 Jahre weiter bestehen kann“ und es nicht zu weiteren Konzentrationen kommt. In anderen Ländern gebe es schon Abteilungen mit Hunderten von Betten, sagt Neff, bezweifelt aber, dass die Betreuung dann noch ausreichend gewährleistet ist: &bdquo;Die Mütter haben bei uns viel Zugewandtheit, die in größeren Einheiten vielleicht wegfallen würde.“ Wobei klein keineswegs heißt, dass die Abteilung in Lübbecke zurückgeblieben ist. Im Gegenteil: &bdquo;Es gibt bei uns zum Beispiel keinen Babysaal mehr, weil wir Bonding praktizieren, die Kinder also direkt nach der Geburt auf den Bauch der Mutter legen.“ Das stärke die Bindung und senke den Schmerzmittelverbrauch, hat Neff beobachtet. Der ehemalige Babysaal ist deshalb zu einem Lagerraum umfunktioniert worden.

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