Dringende Forderung des Spreches der Gastronomen im Mühlenkreis: "Wir brauchen eine Perspektive"

Die Gastronomie im Mühlenkreis befindet sich im Corona-Lockdown. Dehoga-Geschäftsstellenleiter Uwe Pape spricht im Interview darüber, wie es um die Branche in der Region steht und was der Hotel- und Gaststättenverband für dringend erforderlich hält. Wie sieht die Stimmungslage in der Gastronomie aus? UWE PAPE: Die Stimmung in Beherbergung und in der Gastronomie ist weiterhin äußerst angespannt. Das hängt in erster Linie mit zwei Problemkreisen zusammen: Erstens verläuft die Auszahlung der angekündigten Hilfen äußerst schleppend. Insofern ist es ein gutes Zeichen, dass der Bund die Hilfsprogramme ausbauen, aber auch bürokratisch verschlanken will, damit die Gelder schneller dort landen, wo sie dringend gebraucht werden. Und der zweite Punkt wäre? Zweitens brauchen wir Perspektiven. Und mit wir meine ich Perspektiven für Unternehmer und Unternehmerinnen und die Beschäftigten. Im Beschluss vom 19. Januar steht unter Punkt 1, dass ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie erstellt werden soll. In NRW sind wir da schon weiter und können uns in diesen Prozess auch einbringen. Man muss ja in Erinnerung rufen: Wir hatten und haben sehr gute Hygiene- und Schutzkonzepte in unseren Betrieben, die final dazu geführt haben, dass man wieder mit Sicherheit sicher ausgehen und übernachten kann. Die Rahmenbedingungen für eine Öffnung des Gastgewerbes nach dem Lockdown können schon jetzt festgelegt werden, unabhängig von der aktuellen Inzidenzlage. Hat das auch eine psychologische Komponente? Wichtig ist, Rahmenbedingungen für die einzelnen Betriebstypen zu formulieren, damit einschätzbar wird, was uns erwartet, wenn es wieder losgeht. Das psychologische Moment ist dabei nicht zu unterschätzen. Wir wollen ja wieder bei unseren Gästen sein. Im Gastgewerbe zu arbeiten bedeutet ja häufig nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Eine Perspektive ist dringend erforderlich. Können Sie absehen, wie viele Betriebe im Mühlenkreis durch den Lockdown vor einer Insolvenz stehen? Als Verband wissen wir, dass 77 Prozent der Unternehmen im nordrhein-westfälischen Gastgewerbe ihre Existenz aufgrund der Corona-Pandemie bedroht sehen. Fast ein Viertel davon erwägt konkret eine Betriebsaufgabe. Befeuert werden Sorge und Ängste durch die immer noch schleppenden Auszahlungen der angekündigten Hilfen. Die Zahlen beziehen sich auf eine NRW-Umfrage und lassen sich unserer Erfahrung nach aber grundsätzlich auch auf eine Region wie den Mühlenkreis herunterbrechen, weil die Branche überall sehr schwer getroffen ist. Inwieweit sind die von der Regierung zugesagten finanziellen Hilfen für die Betriebe geflossen? Am 28. Oktober 2020 kündigte die Bundesregierung Novemberhilfen als Entschädigungen für Branchen an, die aufgrund der staatlich verordneten Schließungen ein Sonderopfer für die Gesellschaft erbringen würden. Im Mittelpunkt der betroffenen Branchen – das Gastgewerbe. Das Ziel, bis Ende Januar die Auszahlungen abgeschlossen zu haben, wird wohl nicht erreicht werden, allerdings werden momentan nach Angaben des Wirtschaftsministeriums täglich mehrere Tausend Bewilligungen erteilt und die Überweisungen freigegeben. Es wird allerdings bei Anträgen, die noch Fragen aufwerfen, zu weiteren Verzögerungen kommen, weil diese einer besonderen Prüfung unterzogen werden. Viel zu lange für den Organisationsweltmeister, für den wir uns halten. Wie lange halten die Betriebe den Lockdown überhaupt noch durch? Das wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. Wie schnell fließen die Hilfen, wie umfassend sind sie. Finanzielle Reserven sind jedenfalls in den meisten Fällen aufgezehrt. Ein weiterer Faktor ist natürlich mit der Frage verbunden, wann wir wieder von einem Normalbetrieb sprechen können und welche Spätfolgen – verändertes Gästeverhalten zum Beispiel – wir zu händeln haben. Diese Katastrophenzeit wird uns noch lange nachhängen, aber wir bleiben Optimisten, weil wir sehen, dass uns die Gäste doch sehr vermissen. Wie schätzen Sie die Verdienstausfälle - den Lockdown aus dem Frühjahr miteingerechnet - ein? Die Umsatzausfälle liegen auf das vergangene Jahr bezogen nach unserer Umfrage etwas unter 50 Prozent. Gibt es etwas, was aus Ihrer Sicht von politischer Seite ganz dringend für das Gastgewerbe getan werden müsste? Der Dehoga Nordrhein-Westfalen erneuert seine Forderungen und Erwartungen, die jetzt in neuen Beschluss teilweise auch schon aufgenommen worden sind. Zuverlässige Auszahlungen sind jetzt erforderlich. Hilfeleistungen auf dem Papier sind das eine. Auf dem Konto das andere. Deshalb fordert der Dehoga dringender denn je, dass die Prozesse von der Antragsstellung bis zur Ausstellung deutlich entbürokratisiert und beschleunigt werden müssen. Außerdem dürften KfW-Kredite mit einer Laufzeit von mehr als sechs Jahren Laufzeit nicht zum vollen Nennbetrag auf die Hilfen angerechnet werden. Es ist niemandem zu vermitteln, dass Kredite beihilferechtlich wie direkte nicht rückzahlbare Finanzhilfen behandelt werden. Und dann sind da die Mischbetriebe zu nennen. Viele fallen aufgrund des 80:20-Erfordernisses durchs Raster und haben keinen Anspruch auf Hilfe, obwohl sie in erheblichem Umfang vom Lockdown direkt betroffen sind. Wenn ein gastronomischer Betrieb, der noch eine kleine Hausbrauerei (Anteil 40 Prozent Handel) betreibt, keinen Anspruch auf Novemberhilfe für seinen geschlossenen gastronomischen Betrieb erhält, ist das ein völlig unbefriedigendes Ergebnis. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und natürlich des politischen Wollens, diese Benachteiligung der Mischbetriebe zu beseitigen. Zudem ist es aufgrund der verspäteten Auszahlung der November- und Dezemberhilfen zwingend geboten, die bislang bis zum 31. Januar 2021 erfolgte Aussetzung der Insolvenzantragsfrist zu verlängern. Was glauben Sie, wann Sie wieder ein Bier in einer Kneipe trinken können und wie sehr freuen Sie sich darauf? Wenn die Corona-Schutzverordnung NRW die Wiederbelebung der Gastronomie zulässt, sprich, wenn es die Inzidenzzahlen erlauben, würde ich ein ,Frisches' auch gern vom Fass bei schönem Wetter und Sonnentagen auf der Terrasse, im Biergarten oder auch am Stehtisch der Kneipe genießen.

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