Presbyterwahl im Lübbecker Land: 40.000 Christen hätten die Wahl

Lübbecker Land. Am 13. September sind Kommunalwahlen in NRW, dazu können beispielsweise die Bürgermeister und die Landräte direkt gewählt werden. Am kommenden Sonntag hätten auch knapp 40.000 evangelische Christen des Kirchenkreises Lübbecke die Möglichkeit zu wählen. Sie könnten mit ihrer Stimme das Leitungsgremium ihrer eigenen Gemeinde direkt zusammensetzen, Presbyterium oder Rat der Ältesten genannt. Dazu ruft die Evangelische Kirche von Westfalen auf. Doch nur in einer einzigen Gemeinde des Lübbecker Landes, das deckungsgleich mit dem evangelischen Kirchenkreis Lübbecke ist, dürfen Christen überhaupt wählen: in der evangelischen Martins-Kirchengemeinde Espelkamp. Dort können am kommenden Sonntag nach dem Gottesdienst, der um 10 Uhr beginnt, knapp 2.700 Christen im neu erbauten Thomas-Gemeindezentrum ihre Stimmen abgeben. Bis 18 Uhr stehen die beiden Pfarrer Katharina Blöbaum und Friedrich Stork sowie Hanna Niehof als Wahlvorstand für Fragen zur Verfügung. In Espelkamp wählen die Wahlberechtigten acht Mitglieder ihrer Gemeindeleitung, das in der Westfälischen Landeskirche Presbyterium heißt. Zehn Bewerber haben sich zur Wahl gestellt. Übrige Gemeinden konnten die Stellen so gerade besetzen Pfarrer Friedrich Stork freut sich über die Wahl: &bdquo;Wir bestimmen für die kommenden vier Jahre das Presbyterium und wählen es tatsächlich auch. Dass gewählt wird, ist schon recht selten in weitem Umkreis – also eigentlich: einmalig. Umso mehr freut es uns natürlich. Ich nehme das auch als positives Signal nach den zuletzt ja nicht ganz einfachen Zeiten unserer Kirchengemeinde.“ Im Gespräch mit der NW bewertet Stork die Tatsache, dass sich zehn Menschen ehrenamtlich für das schwierige Amt zur Verfügung stellen, als einen &bdquo;wichtigen Schritt für den Weg in eine neue Zukunft für die Gemeinde“. Es stünden wichtige Aufgaben vor dem neuen Gremium, die nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung bewältigt werden könnten. So müssten zwei Gemeindeteile zu einem zusammengeführt, ein neues Gemeindezentrum mit Leben erfüllt und weitere wichtige Entscheidungen getroffen werden. Dies führe zu einer Art Aufbruchstimmung, ist der Pfarrer sich sicher. In den übrigen 17 Gemeinden des Kirchenkreises kommt es erst gar nicht zu einer Wahl, weil dort gerade einmal so viele Menschen gefunden werden konnten, die in den jeweiligen Presbyterien die frei werdenden Stellen besetzen wollen oder können. Im Durchschnitt liegt die Zahl der Presbyterinnen und Presbyter bei acht, weiß Carsten Schöneberg, Verwaltungsleiter des Kirchenkreises Lübbecke. Das Interesse zu kandidieren habe in den vergangenen Jahr immer mehr abgenommen Das Interesse, für das Leitungsgremium einer Gemeinde zu kandidieren, habe in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr abgenommen, weiß er aus eigener Beobachtung. Er gibt dafür mehrere Gründe an: &bdquo;Es hat sicherlich etwas mit dem Relevanzverlust von Kirche insgesamt zu tun.“ Außerdem schwinde die Bereitschaft, sich an ein Ehrenamt zu binden, immer mehr. Dies wirke umso stärker, weil es sich zudem um &bdquo;ein sehr schwieriges Amt mit hohem Verantwortungspotenzial handelt“. Carsten Schöneberg kennt die Aufgaben des Presbyteriums: Es leitet die Kirchengemeinde und entscheidet, in welche Richtung sich die Gemeinde entwickelt. Dazu trifft sich das Presbyterium regelmäßig, um Beschlüsse zu fassen. Konkret geht es dabei zum Beispiel um Mitarbeitende und Veranstaltungen, den Haushalt der Gemeinde und ihre Gebäude. &bdquo;Das ist ähnlich wie beim Rat einer Stadt oder Gemeinde“, so Schöneberg. Möglich ist auch die Mitarbeit in weiteren Ausschüssen auf Gemeinde- oder Kirchenkreisebene. In vielen Gemeinden übernehmen Presbyterinnen und Presbyter auch Lektorendienste im sonntäglichen Gottesdienst, helfen bei der Austeilung des Abendmahls oder beim Sammeln der Kollekten. Dabei ist das Aufgabenspektrum eines Kirchmeisters mit am umfangreichsten (¦Info). Andreas Duderstedt von der westfälischen Landeskirche sieht auch die veränderte Einstellung zum Amt des Presbyters als Grund für die geringe Bewerberzahl: &bdquo;Der Stellenwert hat sich verändert. Früher war es eine Ehre, im Presbyterium zu sein. Heute geht das Engagement dafür auch zurück, weil die Bindungskraft der Mitglieder zu ihrer Kirche schwindet.“ Der allgemeine Rückbau und die Zusammenführung von Nachbargemeinden könnten zudem die Bindungen zur Kirche insgesamt schwächen, vermutet Duderstedt. »Amt eines Presbyters kann absolut sinnerfüllend sein« Dabei kann das Amt eines Presbyters absolut sinnerfüllend sein, wie Inge Sauerbrey von der evangelischen Martinskirchengemeinde in Espelkamp versichert. Sie war bis 2013 Presbyterin, musste aus gesundheitlichen Gründen eine längere Pause machen und tritt jetzt als Kandidatin wieder an. Auch im Kreissynodal-Vorstand (KSV) arbeitete sie einige Jahre mit. Seit dem 40. Lebensjahr ist sie an unterschiedlichen Stellen in der Gemeinde als Ehrenamtliche im Einsatz: &bdquo;Für mich ist das hier praktische Arbeit an meinem Nächsten.“ Sie könne sich hier maximal einsetzen und ihre Vorstellungen umsetzen: &bdquo;Ich möchte anpacken, wo ich gebraucht werde.“ Beispielsweise bei den Gottesdienstzeiten. &bdquo;Die sind seit 500 Jahren unverändert. Die Gesellschaft hat sich aber inzwischen stark gewandelt. Wir müssen uns auf die anderen Gewohnheiten der Menschen einstellen“, sagt Inge Sauebrey. Sie selbst freut sich darüber, dass sie daran mitwirken kann, Kirche und Gemeinde &bdquo;wieder zukunftsfester zu machen“.

Meistgelesen