Lübbecker Land. Damit hatte die Landtagsabgeordnete Bianca Winkelmann (CDU) bei ihrem Besuch nicht gerechnet. Trotz mehr Geld – ab 2020 sollen jährlich 1,3 Milliarden Euro zusätzlich in die Kindertagesbetreuung fließen – gab es heftige Kritik am neuen Kinderbildungsgesetz (KiBiz). Die Tagung im Gemeindehaus Hüllhorst geriet durch die etwa 40 Vertreter von heimischen Kitas und Träger der Einrichtungen mehr und mehr zu einer Abrechnung.
Winkelmann gestand zu, dass die Situation in den letzten Jahren „sehr angespannt" war. Das Personal sei an seiner Belastungsgrenze gewesen. Aktuell werde das KiBiz überarbeitet, deshalb sei sie der Einladung von Petra Knost, Leiterin der evangelischen Kita „Huckepack" in Hüllhorst, gerne gefolgt: „Noch ist nichts in Stein gemeißelt – wir sitzen auch deshalb heute zusammen, um ihre Anregungen aufzunehmen und einzubringen". Vielleicht gebe es noch Änderungen am Entwurf.
Beitragsfreiheit soll Familien entlasten
Um Anregungen waren Erzieherinnen und Fachvertreter angesichts langer Arbeitszeiten und einer schlechten Ausbildungssituation nicht verlegen. Das neue KiBiz helfe den Eltern, aber nicht den Mitarbeitern. Eine Erzieherin brachte ihre Kritik so auf den Punkt: „Es ist eine Verbesserung, aber es ist nicht das, was wir uns gewünscht haben."

Winkelmann hörte zu, machte sich Notizen. Sie musste die Veranstaltung zunächst allein bewältigen – Fachmann Jens Kamieth steckte im Stau. So hielt Winkelmann den Vortrag selbst und verwies in manchen Details auf Kamieth. Den Anwesenden sprach sie Mut zu. Ihr sei wichtig, dass der zusätzliche Geldfluss verstetigt werde: „Sonst müssen wir uns nicht über bessere Kindergärten unterhalten."
Winkelmann berichtete von „KiBiz" und von rund einer Milliarde Euro für die Qualität frühkindlicher Bildung. Darüber hinaus gebe es Geld „für mehr Flexibilität". Familien sollen auch entlastet werden – durch Beitragsfreiheit für ein weiteres Kindergartenjahr.
Teilnehmer kritisieren Betreuungszeiten
Zustimmung gab es vor allem für zusätzliche 750 Millionen Euro im Jahr für Fachkraftstunden. Damit sollen beispielsweise Kita-Leiterinnen für Dokumentation, Elterngespräche oder Fachberatung freigestellt werden. Hier waren sich Landtagsabgeordnete und Erzieherinnen einmal einig. Ansonsten waren die Fragen eher kritisch: „Wenn bekannt ist, dass Geld fehlt, warum wird dann ein Teil in die Beitragsfreiheit gesteckt?"
Andere Teilnehmer kritisierten die Betreuungszeiten. Die Eltern können wählen, ob ihr Kind 25, 35 oder 45 Stunden in der Woche betreut werden soll. Diese Flexibilität sei für die Eltern zwar sehr komfortabel, aber nicht für die Mitarbeiter. Aus eigenem Erleben konnte eine Erzieherin berichten, dass gerade in den Mittagsstunden die Arbeit kaum zu bewältigen sei. Der Fokus liege zu sehr bei den Eltern und nicht bei den Mitarbeitern. Für die soll es zwar auch Verbesserungen geben, aber nach Ansicht der Teilnehmer weniger als nötig und möglich.
Als weiterer Kritikpunkt wurde die geforderte Flexibilität etwa in Form erweiterter Öffnungszeiten genannt. Die mache jede Regelmäßigkeit für die Kinder zunichte und verhindere eine qualitätvolle Pädagogik. Schon jetzt stünden die Mitarbeiter zwischen allen Stühlen und müssten sich zerreißen, um allen Anforderungen gerecht werden zu können. Auf junge Menschen, die sich für den Beruf interessierten, wirke das abschreckend.
"Für Sachkosten bleibt nicht genug übrig"
Das sahen Uwe Vogelpohl vom Berufskolleg Sozialpädagogik am Wittekindshof in Bad Oeynhausen und Petra Knost genau so. Angesichts des Fachkräftemangels müsse der Beruf attraktiver werden, viele Menschen würden schon während der Ausbildung auf der Strecke bleiben.
Als Jens Kamieth endlich im Gemeindehaus ankam, nahm die Veranstaltung noch einmal Fahrt auf. Viele, bisher zurückgestellte Fragen wurden noch einmal aufgenommen. Er wisse, dass viele mit dem Grundfinanzierungssystem des KiBiz haderten, sagt der bildungspolitische Sprecher der CDU. Er wisse, dass eigentlich 1,8 bis 1,9 Milliarden für die Kitas nötig wären. Aber: „Mehr als 1,3 Milliarden waren einfach nicht drin", gab er den Zuhörern zu verstehen.
Rainer Paddenberg, Finanzreferent für Kitas der evangelischen Kirche, widersprach: „Für die Sachkosten bleibt nicht genug übrig, sofern die Gesamtfinanzierung nicht ausreichend ist." Kamieth blieb in der Sache hart: Wenn die Lebenshaltungskosten langsamer gestiegen seien als die Steigerung im KiBiz, könne es „so schlimm ja nicht sein". Er wisse, dass Neues dazugekommen sei, etwa im Bereich Hygiene, er sei aber abhängig davon, was ihm vorgelegt werde.
"Seit 20 Jahren gehöre ich zu den Teuren"
Es hagelte Kritik von allen Seiten. Für Folkert Oltmanns, Geschäftsführer von „Parität für Kinder" in Lübbecke, ist die „Quote von 90 zu 10" unrealistisch. Personalkosten dürften höchsten 77 bis 85 Prozent betragen. Bei der Finanzierung durch Pauschalen bleibe unberücksichtigt, dass Kitas nicht in allen Punkten vergleichbar seien. Einrichtungen mit älteren Mitarbeitern hätten viel höhere Personalkosten, als die, die nur junge Kräfte beschäftigten. Eine langjährige Erzieherin kritisierte: „Seit 20 Jahren höre ich, dass ich zu den Teuren gehöre und dass die Finanzen deshalb nicht auskömmlich sind."
Eine andere Erzieherin machte ihrem Ärger Luft: „Kommen Sie mal zu uns in die Kita von 6.45 bis 16.30 Uhr. Da ist manchmal eine Erzieherin für 19 Kinder verantwortlich." Selbst ganz junge Erzieherinnen seien oft schon am Vormittag völlig fertig: „Wir gehen auf dem Zahnfleisch."
Als Kamieth von „Parallelwelten" sprach, und dass andere Kitas mit ihrem Geld gut auskämen, sagte eine Erzieherin, sie seien nicht nach Hüllhorst gekommen, um sich „abwatschen" zu lassen. Kamith, der das letzte Wort hatte, versprach allen: „Haben sie ein bisschen Zutrauen. Wir sind bemüht, es gut zu machen."